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Blaulicht 

275 

Sergej Panasjan 
Wegen nichts 

 
Kriminalerzählung 

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

Verlag Das Neue Berlin 

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Originaltitel:

 

Aus dem Band 
© Verlag 

Moskau 1985 

Aus dem Russischen von Erika Pietraß 
 

 
 
 
 

 
 
 
 

 
 
 
 

 
 
 
 
 

 
 
 
 

 
 
 
1 Auflage 

© Verlag Das Neue Berlin, Berlin 1989 
(deutschsprachige Ausgabe) 
Lizenz Nr.: 409 160/205/89 LSV 7204 
Umschlagentwurf: Bernd A. Chmura 

Printed in the German Democratic Republic 
Gesamtherstellung (140) Druckerei Neues Deutschland, Berlin 
622 859 6 
 

00045

 

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13. September, Sonnabend 
Sie lag auf dem feuchten Asphalt, den Unterkiefer angespannt, 

die kindlichen Lippen zerbissen, und sie preßte beide Hände auf 

die rechte Seite, so sehr sie nur konnte. Doch das Blut rann 
hervor, unaufhörlich, lautlos und heiß, und sie spürte es, 

fürchtete aber seinen Anblick. Vor Blut hatte sie sich immer 

gefürchtet. Der Schmerz brannte unerträglich. Nicht einmal 

schreien konnte sie. 

Es war Abend, tiefe Dämmerung. Ihre Kraft versickerte 

irgendwo in der Erde. Dennoch glaubte das Mädchen, jetzt 

aufstehen zu müssen. Stünde sie auf, würde ihr sofort leichter 

werden, und sie würde gehen können. Schließlich durfte sie nicht 
die halbe Nacht hier liegen! So eine Schande! Mit der rechten 

Hand zog sie das getupfte Kleid zurecht, dann schlug sie die 

Beine unter. Schüttelfrost überkam sie. Und keine 

Menschenseele in der Nähe, nur von fern Frauenstimmen. Und 

der Schmerz, dieser Schmerz, karmesinrot, ziehend… »Ach! 

Mamotschka. Mama…« Sie weinte verhalten. Flüchtig ging ihr 
durch den Sinn, daß sie von der Mutter etwas abbekommen 

würde. Das stand fest! Gleich darauf dachte sie an die kurzen, 

fürchterlichen Messerstiche in den Leib. Anfangs hatte sie nicht 

einmal begriffen, daß da ein Messer gewesen war. Überhaupt 

hatte sie so schnell nichts begreifen können und sich deshalb 
auch nicht gewehrt, sondern ihn nur groß angeschaut, während 

sie langsam auf den asphaltierten Weg gesunken war. Er aber 

hatte sich herabgebeugt und noch zweimal zugestoßen. Sie hatte 

aufgeschrien: »Das tut weh!« Mehr nicht. Als er von ihr 

abgelassen hatte, war ihr noch der Gedanke gekommen: 
Wenigstens hat er mich nicht umgebracht… Trotzdem hatte sie 

nicht gewagt, die Augen von ihm zu wenden, und von dem 

plötzlichen Schmerz niedergehalten, hatte sie deutlich gesehen, 

wie er sich hin und her gedreht, dann in seinen Taschen gewühlt, 

etwas Weißes hervorgeholt und ihr noch einen Blick zugeworfen 

hatte. 

»So läuft das! Jetzt weißt du Bescheid!« 
Das Messer hatte er immer noch in der Hand gehalten, 

vorsichtig nach vorn gestreckt, um sein Jackett nicht zu 

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beschmutzen. Wahrscheinlich hatte er die Klinge säubern 

wollen, mit dem Taschentuch oder mit etwas anderem, aber das 
war für sie nicht wichtig gewesen, sie hatte nur sein Gesicht 

wahrgenommen, grau, verschwommen und unerklärlich 

schrecklich. Wie zahnlos. Er hatte von neuem in seinen Taschen 

gesucht, es sich dann jedoch offenbar anders überlegt. 

»Kapiert? Jetzt weißt du Bescheid! Flittchen! Wir haben auch 

unsern Stolz. So ist das. Klar?« 

Der Sinn seiner Worte hatte sie kaum erreicht, sie hatte 

schreien wollen, denn der Schmerz war übermächtig geworden, 

doch so sehr hatte sie sich nicht vor ihm erniedrigt, ihn nur 

immerfort angeblickt, wie versteinert, nachdem sie die Wunde 
noch fester zusammengepreßt hatte. Und diesen Blick hatte er 

nicht ertragen. Er hatte es auf einmal sehr eilig gehabt, war nach 

rechts gelaufen, hatte ihr hastig den Rücken zugedreht und war 

davongerannt. 

Sie hatte schon nicht mehr aufstehen können. Hatte gesessen 

und sich mit einer Hand abgestützt. Alles war vor ihren Augen 

verschwommen, und sie war niedergesunken, erschüttert vom 

Schmerz und von dem, was zuvor geschehen war. 

Wieviel Zeit so verstrichen war, wußte sie nicht. Die 

Frauenstimmen im Dunkel klangen mitunter näher, manchmal 

entfernt… Jetzt, wo sie allein war, schluchzte das Mädchen, leise 
und kläglich. Plötzlich hörte sie aus dem Haus gegenüber eine 

Stimme: »Was ist mit dir, Olja?« 

Sie fuhr zusammen und antwortete klar, in die Finsternis: »Ich 

bin nicht Olja, ich bin Irma…« 

Einige Zeit lag sie schweigend. Männer gingen auf der Straße 

vorbei, redeten miteinander. Doch jetzt hatte sie Angst vor 

ihnen und gab keinen Laut von sich. Später erklangen deutlich 

Frauenschritte, aber ehe sie einen Ton hervorbrachte, waren sie 

vorüber. Dennoch rief sie, schwach, mit dumpfer, fremder 

Stimme: »Hilfe!« 

Sie hörten sie und kamen zurück. Es waren zwei junge Frauen. 
»Wer ist da?« 

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»Ich…« 
»Herrje, was ist denn mit ihr? Soja, sieh dir das an…« 
»Was gibt’s da noch anzusehen? Die Kleine wurde 

niedergeschlagen. So was aber auch…« 

Sie traten zu ihr. Eine der beiden beugte sich nieder. Leise bat 

das Mädchen: »Helft mir beim Aufstehen. Ich muß dort 

entlang.« Und sie wies zum Rand des Wohnviertels. »Bringt mich 

bitte nach Hause.« 

Sie versuchten, sie aufzuheben, doch sie warf den Kopf 

zurück und stöhnte laut: »Oh, nein, nein!« Erschrocken ließen sie 

sie sinken. 

Jetzt kamen noch zwei andere Frauen und sagten etwas. Auch 

eine Männerstimme war zu vernehmen. Sie fragte barsch: »Wie 

heißt du?« 

»Irina…« Sie antwortete kaum hörbar, verstand aber alles. 
»Wie alt?« 
»Fünfzehn.« 
Der Mann kauerte sich zu ihr und hob mit zwei Fingern den 

Schoß ihres blauen Mantels. Die junge Frau neben ihm schrie 

auf: »Sie hat ja Stichwunden! Sogar die Eingeweide sind zu 

sehen…« 

»Der Notdienst muß her! Schnell!« 
Der Mann wandte sich noch einmal an sie: »Wer war das?« 
»Ich weiß nicht.« 
»Vielleicht hast du Feinde?« 
»Wo denken Sie hin…« 
Das Mädchen schloß die Augen. Das Sprechen bereitete ihr 

Schmerzen. Doch sie nahm wahr, daß neben ihr ein Auto 

brummte, spürte, wie man sie auf eine Trage legte und 

fortbrachte. 

Bereits im Wagen untersuchte ein Arzt aufmerksam ihre 

Wunden. Er und die Frau neben ihm stellten wieder Fragen, auf 

die sie immer dasselbe antwortete: »Später, später…« 

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Schnell, möglichst schnell wollte sie in dieses Krankenhaus, 

damit die Qualen aufhörten. Der ganze Körper tat weh. In 
Händen und Füßen stach es wie mit Nadeln. Und der Leib 

brannte so, daß sie kaum atmen konnte. Aber sie war bei 

Bewußtsein. Auch, als die Pflegerinnen ihr die blutbesudelten 

Sachen auszogen. Das Mädchen bat: »Meiner Mutter… meiner 

Mutter sagen Sie bitte nichts…« 

Die Krankenpflegerinnen, in dieser Unfallklinik an alles 

gewöhnt, blickten einander nur an. Und als man sie auf der 

langen, rasselnden Trage davonfuhr und ihre schwarzen Haare 
sich über dem weißen Laken lösten, seufzte die eine: »Noch so 

jung… Gott, hat man sie zugerichtet!« 

Im Flur umringten die Krankenschwestern das Mädchen. 
»Weshalb hat man dir das angetan?« 
Sie schluchzte wieder auf und sagte verzweifelt, nun schon 

zum x-ten Mal: »Ich weiß nicht… Wegen nichts…« 

»Wie ist das passiert? Wer hat dich niedergestochen? Wie viele 

waren es?« 

»Später, später…« 
Der Arzt untersuchte sie noch einmal und ließ die Operation 

vorbereiten. Nach wenigen Minuten rollte die Trage in den OP-

Raum. Ein letztes Mal sahen die Schwestern die gelösten 

schwarzen Haare. Ihr blieb eine halbe Stunde zu leben. Als man 

sie durch diese Türen herausbrachte, war ihr Blick gebrochen, 

die Arme lagen hilflos neben dem zermarterten jungen Körper, 

und das weiße Laken bedeckte sie ganz. Und noch lange klangen 
den Schwestern ihre letzten Worte im Ohr: »Ich weiß nicht… 

Wegen nichts… Später, später…« 

Doch ein »Später« gab es für sie nicht. 

 
 
14. September, Sonntag
 
»Wegen nichts…« Er unterstrich die Worte, die Irina, kaum 

hörbar, im Krankenhaus geflüstert hatte, während sie in den 

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Operationsraum gebracht worden war. Dies und ihr »Später« 

waren das letzte gewesen, was das fünfzehnjährige Mädchen 
hatte sagen können. Fünf Stichwunden, mit dem Messer 

zugefügt, von denen jede den Tod gebracht hatte. Einen 

sinnlosen Tod. Was war auf jener menschenleeren Straße 

geschehen? 

Sergej Garussow, der junge Untersuchungsführer bei der 

Staatsanwaltschaft des Rayons »1. Mal«, schloß langsam die 

bereits schwellende Akte. Fast alle Bewohner der umliegenden 

Häuser waren befragt worden, doch keiner (keiner!) hatte etwas 
ausgesagt, das die Geschehnisse wenigstens in irgendeiner 

Hinsicht erhellt hätte. Niemand hatte den Täter gesehen. Es gab 

keine Zeugen. 

Der Untersuchungsführer sah auf die Uhr. Die Zeiger rückten 

unerbittlich gegen neun Uhr abends. Er legte die Akte in den 

Safe, schaltete das Licht aus. Der Sonntag ging zu Ende. In den 

Straßen leuchteten gelb oder bläulich die Fenster. Blau von den 

flackernden Fernsehbild-Schirmen, gelb durch matte 
Glühbirnen. Morgen würde für die Stadt Kirow eine neue 

Arbeitswoche beginnen, Tag für Tag verfliegen… Irinas Platz in 

der Schule würde leer bleiben. 

Der Herbst verstreute unbekümmert sein Laub, und trübe 

Dämmerung umhüllte die Bäume. Sergej schlug den Kragen 

hoch, während er ungeduldig auf den O-Bus wartete. Endlich, 

nach zehn Minuten, tauchte er auf. Über der Frontscheibe stand 

eine Neun. Es war genau dieser »Neuner«. Der 
Untersuchungsführer stieg zur hinteren Tür ein, und der fast 

leere Bus setzte sich langsam in Bewegung. Gestern, waren zwei 

Frauen so gefahren, und sie, Irina… Ihm schien, als stünden sie 

auch jetzt hier, irgendwo, in seiner Nähe. Unerbittlich hatte der 

Bus sie dem Tod näher gebracht. Hätten sie nun nicht diesen, 
sondern den nächsten genommen – wäre dann alles anders 

geworden? Vielleicht… Oder zwei Busse früher… Sicher 

quälten dieselben Gedanken auch Irinas Mutter. Warum waren 

sie gerade in diesen gestiegen? Warum hatten sie es so eilig 

gehabt? Hätten sie gewartet, wäre der Kelch an ihnen 
vorübergegangen. Aber nein, sie waren noch gerannt, um gerade 

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diesen Bus zu erreichen, den verfluchten… Wer erriet schon, 

was in solch düsterer Nacht diese Mutter dachte, die noch nicht 
alt war, doch vom Leben gebeutelt. Er entsann sich ihrer leisen, 

etwas wirren Worte… 
 
 
Borowalowa, Raissa Petrowna
 
 
»Ja, unter dieser Anschrift wohne ich mit meiner Tochter Irina, sie ist 

Schülerin der Klasse 9b der 46. Schule. Von meinem Mann, Valentin 
Michailowitsch, wurde ich vor acht Jahren geschieden. Es ergab sich so… 

Bis zum Januar dieses Jahres lebten wir noch zusammen. Aber seit 

Januar… Seit Januar wohnt er bei einer anderen Frau, irgendwo in der 

Chlynowskajastraße. Heute, abends halb acht, fuhren wir mit dem Neuner. 

O-Bus. Wir, das waren ich, meine Tochter Irina und meine Freundin 
Anna Grigorjewna Prassolowa. Sie ist eine alte Bekannte aus Gorki, hatte 

mich besucht und wollte nun wieder abreisen. Und Irina… mein Tochter… 

Irischka war am Vormittag mit ihrer Klasse in einem Sowchos gewesen, als 

Erntehelfer. Ich hatte zu Hause Kartoffeln gerodet, mit der Oma, also 

meiner Mutter, Klimowa Ljubow Nikititschna. Früh war Irina gut gelaunt 
gewesen, wie immer. Aber ich hatte mich irgendwie mehr mit Anja 

beschäftigt, wir hatten uns ja lange nicht gesehen… Wir stiegen also in 

diesen O-Bus. Beeilten uns noch, rannten ihm nach. Und ich, ausgerechnet 

ich, rief: ›Schneller, sonst schaffen wir ihn nicht!‹ Am Theater stiegen Anja 

und ich aus, um auf den Einser-Bus zu warten, er fährt zum Bahnhof. 

Vorher gab ich Irischka noch die Fahrkarten… Ich schaute mich nicht mal 
um nach meiner Tochter… Hätte ich mich doch wenigstens in der Tür 

umgedreht, ein letztes Mal… Aber nein… Dabei waren ihr nur noch 

wenige Stunden vergönnt, und lebend sah ich sie nicht mehr wieder… Anja 

und ich stiegen also aus, und dieser Neuner trug meine Tochter davon. Sie 

wollte die Oma besuchen, wir hatten verabredet, daß sie kurz bei ihr 
vorbeigeht, danach zu mir auf den Bahnhof kommt und wir zusammen 

nach Hause fahren. Ich wollte warten, nachdem ich meine Bekannte zum 

Zug begleitet hatte. Ich brachte also Anja zum Zug. Lief auf diesem 

Bahnhof hin und her. Saß ein bißchen, stand auf… Doch Irina kam nicht. 

Lange wartete ich, sehr lange. Mir wurde schwer ums Herz. Aber weshalb, 

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wußte ich nicht… Immer wieder starrte ich zur Tür, durch die sie hätte 

hereinkommen müssen. Nein, stets kamen andere… Da stürzte ich los, sie 
zu suchen. Bei der Oma war Irischka nicht, sie hatte sie gar nicht 

gesehen… Ich fuhr nach Hause. Don war sie auch nicht. Die ganze Zeit 

hoffte ich, daß sie jeden Augenblick kommen würde… Dann erschien die 

Miliz. Die Beine versagten mir den Dienst…« 
 
»Klubhaus ›Avantgarde‹«, verkündete der Fahrer schroff über 

den Lautsprecher, und Sergej stieg aus, blickte sich dabei 

unwillkürlich in der Tür noch einmal um. 

Gestern hätte Irina, logisch gedacht, in Fahrtrichtung bis zum 

Ende des Viertels weitergehen und dort die Straße überqueren 

müssen, um in die Wolodarskistraße einzubiegen. Aber da sie die 

Gegend offenbar gut gekannt hatte, war sie gleich über die 

Fahrbahn und dann durch die Höfe gelaufen und hatte so ihren 

letzten Weg abgekürzt. Sofern natürlich der Hund nicht… 
 
 
Medwedjew W. W. 
Hundeführer 
 
»Am 14. September 1980, 8 Uhr morgens, trat ich mit meinem 

Fährtenhund ›Bolzen‹ den Dienst an. Zur Erledigung unseres Auftrags 

fuhren wir zum, Haus Nr. 166 der Wolodarskistraße. Vor dem Haus 
Proletarierstraße 21 legte ich dem Hund Kleidungsstücke des Opfers vor, er
 

schnüffelte an ihnen und begann seine Suche. Er fand die Spur auf dem 

Bürgersteig, gegenüber der Eingangspforte zum Haus Nr. 166; die Stelle 

war mit Sand bestreut. Somit steht außer Zweifel, daß Bolzen wirklich auf 

die Spur des Opfers gestoßen ist. Vorschriftsgemäß war die Kleidung dem 
Hund mehr als zehn Meter vom Tatort entfernt vorgelegt worden. Bolzen 

nahm die Spur sicher auf und verfolgte sie, zunächst etwa fünfzehn Meter 

die Wolodarskistraße abwärts bis zum Eingang der Nr. 164, dann, 

nachdem er nach rechts abgebogen war, über die Höfe und durch eine weitere 

Gartentür zum Haus 30b (im Innern des Viertels, es gehört zur Straße der 

Roten Armee). Bolzen umrundete dieses Gebäude, bog wieder nach rechts 
ein und führte mich auf einem Pfad unmittelbar aus den Höfen auf die 

Straße der Roten Armee und über deren Fahrbahn zur O-Bus-Haltestelle 

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›Klubhaus Avantgarde‹, wo die Spur abriß. Später brachte ich den Hund 

noch einmal zum Einsatz, von einem anderen Ausgangspunkt. Er verfolgte 
unbeirrbar dieselbe Spur. Bolzen ist der beste Hund in unserem Zwinger, er 

arbeitet seit etwa drei Jahren und verliert höchst selten eine Spur. Ich bin 

überzeugt, daß er den Weg des Opfers zum Tatort richtig gewiesen hat…« 
 
Da ist sie, diese Stelle… Sergej Garussow ging langsam bis zur 
Kreuzung. Hier hatte er heute mit dem Zeugen das 

Tatortprotokoll aufgenommen. Auch eine ausführliche Skizze 

war angefertigt worden, die nötigen Fotos gemacht. 

Der Wind fuhr durch Mark und Bein, als wollte er alle Spuren 

verwischen… Nein, Sergej mußte sich konzentrieren. Durfte 

nichts außer acht lassen. Wahrscheinlich war der Täter zur 

Kreuzung Proletarierstraße gegangen, in Richtung Markt. Von 

der Straße der Roten Armee hatten sich zwei junge Frauen 
genähert, die laut miteinander gesprochen hatten. Sie hatten ihn 

bestimmt aufgeschreckt und zur Eile getrieben. Sie waren ja auch 

die ersten bei der Verletzten gewesen. Hinter dem Zaun, im Hof 

des Hauses, das etwa zwanzig Meter vom Bürgersteig 

zurückgesetzt stand, hatte zu dieser Zeit die Widjakina Wäsche 
aufgehängt, die Mieterin der Wohnung vier. Als sie das 

unterdrückte Stöhnen und Weinen gehört hatte, war sie der 

Meinung gewesen, Manefa Sloboshanina aus dem Haus 

gegenüber würde wieder ihre Tochter schlagen. Manefa 

Wassiljewna wiederum, die ebenfalls klägliches Schluchzen 

vernommen hatte, hatte dasselbe von der Widjakina gedacht, 
denn dort wuchsen zwei Töchter heran. Sie war es auch 

gewesen, die aus dem Fenster des ersten Stocks gerufen hatte: 

»Was ist mit dir, Olja?« 
 
 
Sloboshanina M. W. Näherin
 
 
»Am Abend des 13. September war ich zu Hause. Außerdem befand sich 
meine schwerkranke Mutter in der Wohnung. Ungefähr zwischen 21 und 

22 Uhr hörte ich, wie unsere Nachbarin Widjakina, Tatjana, ihre Tochter 

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Olja rief. Ich glaubte, sie suche sie. Fünf Minuten später ertönte Weinen. 

Nun, dachte ich, hat die Widjakina ihre Tochter gefunden und bestraft sie. 
Plötzlich gab es einen Schlag, und das Weinen hörte auf. Ich sagte noch zu 

meiner Mutter, die Nachbarin hätte ihre Tochter wohl so sehr geprügelt, daß 

die Kleine sich nicht einmal mehr zu mucksen wage. Aber nach ein paar 

Minuten fing das Schluchzen wieder an, und ich verstand die Worte: ›Ach, 

Mamotschka, das tut so weh!‹ Na, ich hielt’s nicht mehr aus, beugte mich 
aus dem Fenster und rief: ›Was ist mit dir, Olja?‹ Die Stimme antwortete: 

›Ich bin nicht Olja, ich bin Irina…‹ Sie sagte noch, daß es ihr schlecht gehe. 

Ich erwiderte, ich käme gleich raus. In diesem Moment rief mir die 

Widjakina zu, was denn bei uns los sei. Ich entgegnete: ›Bei euch ist doch 

was passiert…‹ 

Als ich hinunterkam, sah ich eine Frauengestalt auf dem Asphalt liegen, 

neben ihr standen zwei junge Mädchen. Auch die Widjakina trat nun 

heran. Zuerst begriff ich gar nicht, daß es sich um ein Kind handelte, ich sah 
nur die Frauenkleidung. Eins der Mädchen fragte erregt, wo hier ein 

Telefon sei, man müsse den Notarzt rufen, warum unternehme keiner etwas! 

Ich sagte: ›Dort, in dieser Richtung, ist eine Zelle. Lauf hin.‹ Sie meinte, sie 

wisse nicht wo, sie sei das erste Mal in der Gegend. Also liefen wir 

zusammen zum Telefon und riefen die Schnelle Medizinische Hilfe an. Die 
junge Frau nahm den Hörer. Der Notdienst wollte wissen, wohin man 

kommen solle. Ich erklärte es. Dann ging ich zurück. Die Verwundete 

stöhnte und antwortete nicht auf Fragen. Sie sagte nur, sie habe Schmerzen. 

Der Krankenwagen kam, und der Arzt bat uns, ihm zu helfen, das 

Mädchen aufzuheben. Alle wichen zurück. Da half ich, sie auf die Trage 

zu legen. Ihr Mantel rutschte auseinander. Darunter trug sie ein gepunktetes 

Kleid, voller Blut. Als die Schnelle Medizinische Hilfe gekommen war, 

waren schon viele Leute dort versammelt gewesen. Ein Mann hatte gesagt, 
man müsse die Zeugen notieren. Die Verwundete war mir unbekannt, ich 

hatte sie nie vorher gesehen. Namen hat sie nicht genannt. In unserem Haus 

gab es an diesem Abend keinerlei Streit oder Krach. Eigentlich ist unsere 

Straße laut und belebt, aber an diesem Abend, besonders um die fragliche 

Zeit, habe ich  wohl nicht einmal Autolärm gehört. Alles war wie 

ausgestorben…« 

 
 

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An die Staatsanwaltschaft des Rayons »1. Mai« der Stadt 

Kirow, Untersuchungsführer Garussow S. O. 

 

Auf Ihre Anfrage teilt Ihnen die Schnelle Medizinische Hilfe 

folgendes mit: Die Anforderung zur Wolodarskistraße 166 

erreichte uns am 13. September 1980, 21 Uhr 23, durch eine 

Passantin. Als Grund gab sie an, ein Mädchen sei 
niedergestochen worden. 21 Uhr 25 wurde diese 

Anforderung dem Arzt Wolkow J. P. Brigade Nr. 11, 

übergeben (Arzthelferin Norssejewa, Fahrer Sonow). Zum 

benannten Ort wurde nur diese eine Brigade beordert, die 

Anforderung trägt die Nummer 64 703. 

 

i. V. des Chefarztes: T. A. Wassiljewa 

 
Garussow versank wieder in Gedanken. Es gab also tatsächlich 
keine Zeugen? Keinen einzigen? Aber Spuren mußte der Mörder 

hinterlassen haben. Sie galt es zu finden. Interessant war dieser 

Passierschein… 
 
Saposhnikow J. N. Diensthabender Untersuchungsführer 

der Milizabteilung des Rayons »1. Mai« 
 
»Bei der Besichtigung des Tatorts entdeckte ich auf dem Rasen, wenige 

Zentimeter von der Blutlache und von Erbrochenem entfernt, einen einmalig 

gültigen Passierschein, ausgestellt für den 28. August auf den Namen 

Alexander Popzow. Der Passierschein war trocken und  unzerknüllt; ich 
hatte den Eindruck, er sei gerade erst verloren oder weggeworfen worden. Da 

es an dem betreffenden Tag bis zum Abend geregnet hatte, erweckte gerade 

dieser Umstand (daß der Schein trocken war) meine Aufmerksamkeit. Ich 

hob das Papier auf, sah es mir an und legte es in meine Mappe; in der 

Milizabteilung steckte ich es in ein Kuvert, das ich versiegelte… Fernerhin 
fanden wir am Tatort: einen Kassenzettel vom 13. September 1980, einen 

Anstecker mit dem ›Olympia-Mischka‹ und das Einwickelpapier eines 

Pfefferminz-Kaugummis. Das alles nahmen wir an uns. Außerdem nahmen 

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wir Blutproben. Nach der Untersuchung des Tatorts begannen wir mit der 

Vernehmung der Bewohner der nähe gelegenen Häuser. 

Während dieser Vernehmung erreichte uns die Nachricht, daß es um die 

Verletzte sehr schlecht stünde. Gemeinsam mit Kriminalinspektor 
Gawrilow B. N. begab ich mich sofort ins Krankenhaus, doch als wir 

ankamen, war sie bereits verstorben. Mit der Kleidung des Opfers kehrten 

wir zurück zur Milizabteilung…« 
 
 
15. September, Montag
 
Es war Morgen. Warum klingelte das Telefon nicht? 

Auf dem Tisch lag ein Stapel Fotos. Aufgenommen von 

verschiedenen Punkten, um den gesamten »Raum« zu erfassen. 

Garussow legte die Bilder in mehrere Reihen. Vier von ihnen 

vermittelten eine allgemeine Vorstellung vom Tatort. Man hatte 

sie so aufgenommen, daß auch die gegenüberliegende 

Straßenseite mit den ungeraden Hausnummern zu erkennen war. 

Dort stand das dreistöckige steinerne Eckhaus. Gleich daneben 
hob sich schwarz die Wasserzapfsäule ab. Hinter dem Haus die 

glattgewalzte Durchfahrt zum Hof. Einige hohe Bäume. Ein 

zweistöckiges Holzhaus. Hier, aus diesem Fenster, war gerufen 

worden: »Was ist mit dir, Olja?« Dann etwa zwanzig Meter 

offenes Gelände mit den letzten, von der Rodung verschont 
gebliebenen alten Apfelbäumen. Wieder ein zweistöckiges 

Holzhaus. Und im Vordergrund ein Zaun, der jene Stelle verbarg. 

Auf einer anderen Fotografie in Großaufnahme der Tatort: 

der Bürgersteig vor dem Grundstück Nr. 164, Zaun und Pforte 

zu Nr. 166. Auf dem nächsten Bild die Kreuzung. Die 

Wolodarskistraße zog sich bis zum Horizont. Ob der Täter nach 

allem, was er angerichtet hatte, nicht zur Wasserzapfsäule 

gelaufen war? Freilich, keiner hatte ihn gesehen… Aber das 
Blut… Garussow schauderte, als er sich ausmalte, wie der kalte 

Strahl jeden Beweis vom Messer und von den Händen dieses 

Mannes wusch… 

Die nächste Fotoreihe bot den Blick von der anderen 

entfernten Kreuzung. Auf diesen drei Aufnahmen hätte man mit 

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-15- 

dem Kugelschreiber Irinas letzten Weg einzeichnen können. 

Und hier ihr Porträt in Schuluniform. Die Rüschchen der weißen 
Schürze. Das Komsomolabzeichen. Dichtes schwarzes Haar. 

Und leicht schielende Augen. Sehr dunkle… Blickten sie 

vorwurfsvoll? Die ganze Klasse. Vierundzwanzig Augenpaare. 

Sie schienen zu warten. Garussow wandte die Augen ab und 

nahm sich das Foto von Irinas Eltern vor. Die Mutter sah ihn 
offen an, der Vater jedoch blickte irgendwie zur Seite. Oder trog 

auch hier der Schein? 

Der Untersuchungsführer holte die Akte und schlug die 

Aussage von Irinas Vater auf. 
 
 
Borowalow W. M. Elektromechaniker
 
 
»…  schloß ich die Ehe mit Raissa Petrowna…  Wir heirateten, obwohl 

meine Mutter mich gewarnt hatte. Na gut… Dann wurde unsere Tochter 

geboren. Wann? Irgendwann im März. Wir nannten sie Irina. Anfangs 
lebten wir normal miteinander, doch später begannen wir uns zu streiten; sie 

griff mich an, hauptsächlich aus Eifersucht. Sie trieb es so weit, daß wir uns 

scheiden ließen. Ich war zu jener Zeit in der Montagekolonne und bekam 

einen Platz im Wohnheim…  Einige Male versuchte ich, normale 

Beziehungen zu meiner Frau zu knüpfen, aber woher! Zwei, drei Monate – 
dann warf sie mich wieder raus, zeigte sie ihren wahren Charakter… Vor 

drei Jahren kehrte ich schließlich doch zu ihnen zurück. Aber sie hat so ein 

aufbrausendes Wesen, machte wegen jeder Kleinigkeit Geschrei, kam bei 

dem geringsten Anlaß in Gang wie ein Grammophon. Wobei sie mit mir 

anfing und jedesmal bei unserer Tochter aufhörte. Sie beschimpfte Irina, sie 
brächte schlechte Leistungen, dabei waren ihre Zensuren normal… Daß 

meine Tochter mich liebte, läßt sich auch daraus schließen, daß sie, als ich 

auf Montage war, mir einmal einen Brief schrieb, wo es hieß: ›Wenn du dich 

in der Welt herumtreiben solltest, bist du nicht mehr mein Vater.‹ Sie hat 

mich geliebt. Na, gut… Im Januar dieses Jahres sah ich mich gezwungen, 

wegen der ständigen Schwierigkeiten, also der Streitereien, die meine Frau 
vom Zaun brach, zu einer anderen Frau zu ziehen. Ich bin ja auch nicht 

aus Eisen… Am 13. September war ich nicht in Kirow. Habe ein Alibi. 

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Diesen Tag, einen Sonnabend, verbrachte ich mit meiner neuen Frau in 

Sidorowka, bei ihrer Schwester. Morgens fuhren wir los, und erst am 
Sonntag kehrten wir zurück, nach neunzehn Uhr. Was Iri
nas Tod angeht, 

kann ich nichts sagen. Ich persönlich habe niemals Auseinandersetzungen 

mit ihr gehabt, bin ihr gegenüber nicht mal laut geworden. In letzter Zeit 

haben wir uns kaum gesehen. Einmal schaute ich bei ihnen vorbei, aber 

daran erinnere ich mich schlecht – ich war ein bißchen angetrunken. Ich 

glaube, meine Tochter sagte irgendwas zu mir… Ich entsinne mich nicht.« 
 
Ja, dieser Vater…. dachte Sergej Garussow. Irgendwas stimmt 

nicht mit ihm. Er war also in Sidorowka? Und das Telefon 

schweigt immer noch. Warum ruft Boris Gawrilow nicht an? 
Krimmalinspektor Gawrilow leitete die Gruppe von 

Milizionären, die dem Untersuchungsführer zur Unterstützung 

zugeteilt worden war. Sie hatten fast den ganzen Rayon 

vernommen, den Fahrer des O-Busses gefunden und danach 

auch die wenigen Fahrgäste, die mit Irina unterwegs gewesen 

waren. Hatten überprüft, ob vielleicht schon im Bus jemand dem 

Mädchen gefolgt war. 

Nachdem Garussow nochmals aufmerksam die Unterlagen 

durchgesehen hatte, die am Morgen eingegangen waren, las er 

ein weiteres Mal die Aussage eines Arbeiters des Reifenwerks, 

der am Vorabend von selbst bei seinem 

Abschnittsbevollmächtigten erschienen war. 
 
 
Kusnezow W. W. Maschinenarbeiter
 
 
»… Am 13. September, abends, war ich mit meiner Familie im Südbad. 

Die Frau und die Kinder kehrten früher nach Hause zurück, während ich 

mit meinem Freund – Grebenkin, Wolodja – an der Haltestelle des 

Neuner-Busses noch einen trank. Mit uns zusammen waren zwei 

Männer… Wir hatten sie in der Sauna kennengelernt. Sie hießen, glaube 

ich, Viktor und Gennadi. Der etwas größere war Gennadi. Oder 
umgekehrt. Hätte ich gewußt, daß es eine Rolle spielt, hätte ich sie nach 

ihrem Familiennamen gefragt. Aber so habe ich mit keiner Silbe daran 

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-17- 

gedacht. Zu viert tranken wir eine Flasche Klaren und eine einfachen 

Portwein. Dann stiegen die beiden in den Bus. Grebenkin und ich 
spazierten von der Haltestelle bis zur Ecke, unterhielten uns dort noch etwa 

drei Minuten, und danach ging jeder seiner Wege, er in seine Richtung und 

ich in meine – an den geraden Hausnummern der Wolodarskistraße entlang 

zur Straße der Roten Armee. Wie spät es war, kann ich nicht genau sagen, 

weil ich nie meine Uhr in die Sauna mitnehme, aber ich schätze, so kurz 
nach neun. Unterwegs ist mir niemand begegnet, ich habe keinen gesehen, 

nichts Verdächtiges bemerkt. Gerade als ich an einem zweistöckigen 

Holzhaus vorbeigehen wollte, fiel mir auf, daß Leute um ein Mädchen 

herum standen, das dort auf dem Asphalt lag. Auf meine Frage, wer sie 

überfallen habe, antwortete sie: ›Ein Mann.‹ Wenn ich nicht irre, sagte sie 
auch noch: ›Mit einem Messer.
‹ Etwa fünf Minuten später kam die Schnelle 

Medizinische Hilfe. Als der Krankenwagen fort war, gingen wir, doch 

nachdem gestern die Nachricht durchs Fernsehen gekommen war, erzählte 

ich dem ABV, daß ich die Verletzte mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich 

trug am Sonnabend eine dunkelblaue Hose, ein hellblaues Jackett und ein 

helles Hemd. Habe ein Bärtchen. Ich möchte noch ergänzen, daß ich sie 

fragte, ob sie Feinde hätte. Das Mädchen erwiderte: ›Wo denken Sie hin!‹« 
 
Endlich klingelte das Telefon. »Ja! Garussow.« 

»Hier ist Gawrilow von der Kriminalmiliz…« 
»Grüß dich, Boris. Hast du was Neues?« 
»Alles sogenannte Neue liegt auf deinem Tisch. Unsere Leute 

geben sich Mühe. Aber du weißt ja selbst… Binnen fünf, sechs, 

höchstens acht Minuten war dieser Lump verschwunden. 

Popzow ist noch nicht bei dir?« 

»Ich habe ihn für zehn Uhr vorgeladen.« 
»Wahrscheinlich hat er ein Alibi. Aber da ergab sich ein 

anderer Verdacht. Popzow versichert hartnäckig, den 

Passierschein mit dem Frachtbrief Ingenieur Bokow übergeben 
zu haben. Popzows Frau bestätigt, daß tags zuvor sein Bruder, 

Wladimir Popzow, zu ihnen gekommen sei und sich Alexanders 

Windjacke ausgeliehen habe. In der Nacht vom dreizehnten zum 

vierzehnten ist dieser Wladimir Popzow angeblich angeln 

gewesen. Seine Adresse habe ich notiert.« 

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»Und das Abzeichen? Das Kaugummipapier? Der 

Kassenbon?« 

»Der Bon ist von einer ›Oka 9164‹, die in der Gemüse- und 

Obsthalle Nummer elf steht. Sie liegt eine Viertelstunde Fußweg 
vom Tatort entfernt. Nun zum Abzeichen: Wir haben zwanzig 

bis fünfundzwanzig Sammler ermittelt, in der Hauptsache 

Kinder und Jugendliche. Den Besitzer dieses ›Mischka‹ werden 

wir morgen oder übermorgen wissen. Über das 

Kaugummipapier können wir noch nichts sagen. Solche 

Kaugummis gibt es in jedem Lebensmittelladen, an jedem 

Kiosk…« 

»Verstehe… Und wo ist Bokow?« 
»Ingenieur Bokow ist vor sechs Tagen auf Dienstreise 

gefahren. Nach Absprache mit der Betriebsleitung haben wir 

seinen Aufenthaltsort angerufen; unsere Kollegen müßten ihn 
noch heute in den erstmöglichen Zug setzen. Ohne 

Gegenüberstellung wird’s nicht gehen! In der Kaderabteilung 

haben wir Bokows Foto bekommen. Ziemlich unscharf, aber 

erkennen kann man ihn. Wir werden ihn abholen.« 

»Gut. Nach dem Gespräch mit Alexander Popzow fahre ich in 

die Schule, danach zur Klimowa. das ist Irinas Großmutter. 

Wenn was ist, gib Bescheid.« 

»Einverstanden.« 

 
 
Popzow A. M. Kraftfahrer
 
 
»Am 13. September, ab sieben Uhr, war ich im Betrieb. Von der Arbeit 
kam ich gegen fünfzehn Uhr. Vor unserem Haus begegnete mir mein 

Nachbar, Alexej Kokowichin, aus der Wohnung null eins. Weil 

Sonnabend war, beschlossen wir, zu zweit einen halben Liter Wodka zu 

kaufen. Ich lief ins ›Iskra‹ und holte eine Flasche ›Starorusskaja‹. Damit 

ging ich gleich zu Kokowichin, ohne unser Zimmer zu betreten. Etwa um 

siebzehn Uhr erschien meine Frau und trieb mich nach Hause. Danach 
habe ich die Wohnung nicht mehr verlassen, das kann meine Frau 

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-19- 

bestätigen. Wir heizten den Badeofen, und ich stieg in die Wanne. Um 

zwanzig Uhr kam der Nachbar mit seinem künftigen Schwiegervater. Wir 

saßen zusammen, tranken Tee und sahen fern. 

An meinen Passierschein vom achtundzwanzigsten August erinnere ich 

mich gut, ich hatte ihn nicht beim Pförtner abgegeben. Der Mann war gar 

nicht aus seiner Bude herausgekommen. Das Tor dort funktioniert 

automatisch, er drückte auf den Knopf, und es sprang auf. Der 

Passierschein blieb am Frachtbrief. Als ich zur Abteilung Beschaffung 

kam, händigte ich beides zusammen Ingenieur Bokow aus. Ich entsinne 

mich genau, daß ich sowohl den Passierschein als auch den Frachtbrief dort 

ließ. 

In den letzten Monaten, seit es warm ist, trage ich gewöhnlich meine 

Windjacke, eine wasserdichte Jacke aus  Segeltuch mit Kapuze. Die 

Windjacke und meine hohen Gummistiefel hatte sich mein älterer Bruder 

zum Angeln geborgt. Mit wem er angeln war, weiß ich nicht. Sonntagabend 

brachte er die Sachen zurück. Legte sie in den Flur und verschwand. Ohne 

etwas zu sagen. Er hatte es eilig. Ein größeres Messer habe ich bei ihm noch 

nie gesehen. Wenn wir manchmal Pilze suchten, hatte er stets ein einfaches 

Küchenmesser.« 
 
Nachdem Garussow Alexander Popzow die Vorladung für den 

nächsten Tag ausgestellt hatte, beeilte er sich hinauszukommen, 

er rannte fast zu dem roten Moskwitsch. Er riß die Tür auf und 

setzte sich neben den Fahrer. 

»Tag, Viktor. Fährst du mich?« 
»Wie angeordnet.« Der Fahrer startete, trat die Kupplung und 

blickte durch das Rückfenster auf die Straße. »Wohin?« 

»Zur sechsundvierzigsten Oberschule.« 
»Sind wir knapp dran?« 
»Eine Lehrerin dieser Schule hat jetzt eine Freistunde. Wir 

haben fünfundvierzig Minuten plus die Pause.« 

Zehn Minuten später hastete der Untersuchungsführer einige 

Stufen hinauf und stieß die schwere Schultür auf. Dann begab er 

sich, wieder im Laufschritt, in den zweiten Stock. Die Stille in 

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den Gängen erschien ihm wie ein Vorwurf. Als er das 

Lehrerzimmer betrat, hoben alle Anwesenden die Köpfe. 

»Guten Tag. Ich möchte zu Galina Petrowna.« 
Aber da streckte ihm schon eine etwas verdutzt 

dreinblickende Frau die Hand hin. 

»Sergej Olegowitsch? Ich hatte Sie mir älter vorgestellt.« 
»Tja, nun bin ich so einer… Vielleicht unterhalten wir uns im 

Flur?« 

»Wie Sie wünschen.« 
Sie verließen das Lehrerzimmer und gingen langsam an den 

einheitlich braunen Türen entlang, von denen sich weiße 

Schildchen mit schwarzer Schrift abhoben. 

»Wer hätte das gedacht? Mein Gott, wofür dieser Schlag… 

Alle in unserer Schule sind erschüttert, Lehrer wie Schüler. 

Unsere Verzweiflung ist nicht in Worte zu fassen. Was war das 

für ein Halunke…« 

»Sind Sie schon lange an der Sechsundvierzigsten?« 
»Das vierzehnte Jahr. Irina unterrichte ich seit der achten 

Klasse, in diesem Schuljahr bin ich ihr Klassenleiter.« 

»War sie ein nettes Mädchen?« 
»War… Wie unheimlich das klingt… Sie war bescheiden und 

höflich, in ihren Leistungen konstant, keine Dreien. War 

verantwortlich für die Kulturarbeit; nahm am Laienspiel teil, 

besuchte den Ballettzirkel, gestaltete die Klassenwandzeitung…« 

»Hatte sie eine Freundin, mit der sie vielleicht ihre 

Geheimnisse teilte? Immerhin, das Mädchen war fünfzehn. In 

diesem Alter erwachen neue Gefühle…« 

»Ich habe Sie verstanden. Irina war zu allen Mitschülern 

freundlich, von ausgeglichenem, ruhigem Wesen. Jemand 

hervorzuheben, fällt mir schwer. Möglicherweise Lena 

Woloskowa und Sweta Artjomowa. Aber was das Private 
betrifft… Da war bei ihr sicher noch nichts. Von den Jungen der 

Klasse hat sie keinen bevorzugt.« 

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-21- 

»Hatte sie vielleicht Verehrer unter den Schülern der zehnten 

Klasse? Oder unter den Absolventen des vergangenen Jahres?« 

»Nein, davon habe ich nichts bemerkt.« 
»Und wie waren ihre häuslichen Verhältnisse?« 
»Soweit ich das beurteilen kann, war bei ihr zu Hause alles 

schwieriger. Sie hing an ihrer Mutter, die beiden kamen gut 

miteinander aus. Nur wurde Irina allzu streng gehalten. Abends 

durfte sie nirgendwohin. Obwohl sie alles andere als eine 

Herumtreiberin war. Ihr Vater… Ihr Vater hat die Familie 

verlassen, im vergangenen Winter, glaube ich. Auch vorher hatte 
er sich allerlei geleistet. Irina wollte ihn zuerst nach Hause 

zurückholen, sie litt unter der Trennung, aber dann wurde ihr 

klar, daß er die Mühe nicht wert war. Von Irinas Mutter weiß 

ich, daß der Mann oft trank und herumkrakeelte, daß er ein 

schlechtes Verhältnis zu Irina hatte, sie als Parasit und 
Schmarotzer beschimpfte. Einmal ist er mit dem Messer auf sie 

losgegangen…« 

»Sogar das?« 
»Vielleicht hat sie es vor Zorn gesagt. Womöglich ist der 

Mann gar nicht tätlich geworden, sondern hat einfach wüst 
herumgeschrien. Ich kann nichts behaupten, gebe nur die Worte 

der Mutter wieder. Außerdem hat mir eine Nachbarin der 

Borowalows, die Motschanowa, erzählt, daß erst vor kurzem, 

schon im September – das Schuljahr hatte gerade begonnen – 

Borowalow einen Streit inszenierte und seine Tochter ihm 

vorschlug, nun nicht mehr zu kommen… Doch das alles habe 

ich nur gehört, selbst kann ich nichts bezeugen.« 

»Sie sahen Irina zuletzt am…« 
»Am Sonnabend. Wir waren in unserem Patensowchos, die 

ganze Klasse, und haben Rüben geerntet.« 

»Ist Ihnen an Irinas Verhalten etwas aufgefallen?« 
»Nein. Nichts. Sie war vergnügt wie immer, putzmunter. 

Gearbeitet haben wir bis Mittag. Gegen eins fing es an zu 

regnen, ungefähr um drei sind wir mit dem Bus in die Stadt 

zurückgekehrt.« 

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-22- 

»Hat sich im Sowchos jemand von den Klassenkameraden, 

wie soll ich sagen, um Irina bemüht?« 

»Nein. Und ich wiederhole: Auch sie ihrerseits zeigte kein 

besonderes Interesse für irgendeinen Jungen.« 

»Nun, ich danke Ihnen sehr.« 
»Bitte. Darf ich auch eine Frage stellen?« 
»Soviel Sie wollen.« 
»Werden Sie ihn finden?« 
»Ganz bestimmt. Das ist ja unsere Arbeit.« 

 
Ganz bestimmt… Wie konnte ich das nur versichern, ohne 

vorher zu überlegen? dachte Sergej Garussow. Es klang sogar 
überzeugend… Langsam trat er aus der Stille des Schulgebäudes 

hinaus. Jeden Moment mußte es zur Pause läuten. 

»Gawrilow hat Sie über Funk gerufen…« Viktor griff nach 

dem Startschlüssel. »Wohin jetzt?« 

»Das entscheiden wir gleich.« Der Untersuchungsführer 

öffnete das Fach vor sich, holte den Telefonhörer hervor und 
hörte eine Minute später die ihm bekannte Stimme: »Erstens: Ich 

diktiere die Abfahrtzeiten vom Busbahnhof nach Sidorowka: 

sechs Uhr fünfzehn, neun Uhr dreißig, dreizehn Uhr fünfzehn, 

siebzehn Uhr fünf. Ankunft in Sidorowka und Abfahrt ab dort: 

sieben Uhr vierzig und sieben Uhr fünfundfünfzig, zehn Uhr 
fünfundfünfzig und elf Uhr fünf, vierzehn Uhr vierzig und 

vierzehn Uhr fünfzig. Der letzte Bus kommt achtzehn Uhr 

dreißig an und fährt achtzehn Uhr fünfunddreißig zurück. Was 

ordnest du an?« 

»Der Bus benötigt für diese Strecke eine Stunde 

fünfundzwanzig Minuten. Mit dem Auto brauchen wir weniger, 

hin und zurück rund zwei Stunden. Dort, hoffe ich, werden uns 

zwei, drei Stunden genügen… Du meinst also, der Vater konnte 
mit dem letzten Bus am dreizehnten aus Sidorowka 

verschwunden und am Sonntag früh zurückgekehrt sein? Ich 

überprüfe das selbst… Und zweitens?« 

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-23- 

»Zweitens verlese ich dir die Aussage von Lidija Afanassjewa 

Titljanowa. Eine Rentnerin, sie wohnt in der Wolodarskistraße 

einhundertvierundsechzig, Wohnung zwei. Hör zu! 
 
›Am 13. September, Punkt 20 Uhr – ich hatte auf die Uhr gesehen –, 

ging ich zum Backwarenladen. Wie lange ich einkaufen war, weiß ich nicht, 

aber ich denke, daß ich gegen 21 Uhr nach Hause zurückkam, vielleicht 
zehn, fünfzehn Minuten früher. Meine Nachbarin Owsjannikowa strich 

gerade den Fußboden. Auf die Uhr sah ich bei meiner Rückkehr nicht. Die 

Burtschews, das sind die anderen Nachbarn, waren nicht da. Vom Laden 

ging ich zuerst die Proletarierstraße entlang und bog dann in unsere Straße 

ein, dabei blieb ich auf der Fahrbahn. Dicht vor dem Müllcontainer 
bemerkte ich, daß mir auf dem Bürgersteig langsam ein Mann entgegenkam. 

Ich erschrak und wich zur anderen Straßenseite aus. Die Straße war nicht 

beleuchtet, deshalb konnte ich den Mann nicht erkennen. Er war dunkel 

gekleidet, trug wahrscheinlich einen Anzug, jedenfalls keinen Anorak und 

keinen Mantel. Auf dem Kopf hatte er nichts. Er war nicht größer als ich. 

Schlank. Er schlenderte dahin, als ginge er spazieren. Mehr kann ich über 
ihn nicht sagen, es war ja dunkel. Ein Stöhnen oder andere Geräusche hörte 

ich nicht. Nachdem ich nach Hause zurückgekehrt war, verließ ich die 

Wohnung nicht mehr. Am nächsten Morgen, halb acht, fuhr ich zu meinem 

Sohn und den Enkelkindern, dort übernachtete ich auch, kam erst heute 

zurück, gegen zwölf Uhr, als ich meinem Sohn das Essen gekocht hatte. 
Den Mann habe ich aus einer Entfernung von etwa sieben Metern gesehen, 

aber da es dunkel war, nur undeutlich; sollte ich ihn noch einmal treffen, 

würde ich mich nicht an ihn erinnern. 

Seine Haare waren kurz, ihre Farbe weiß ich nicht. Das Gesicht habe 

ich nicht erkannt. In den Händen trug er nichts. Ich habe mich dann nicht 

mehr umgedreht; wohin er verschwunden ist, kann ich nicht sagen, nur, daß 

er bis zur Ecke gegangen ist. Ich überquerte die Fahrbahn, öffnete die 

Gartentür und ging zu mir nach Hause.‹ 
 
So, das war’s vorläufig.« 

»Danke. Ruf in Sidorowka an, im Dorfsowjet. Sag Bescheid, 

daß wir gegen achtzehn Uhr da sind, wenn die Leute von der 

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-24- 

Arbeit kommen. Sie sollen auf uns warten. Wir fahren 

inzwischen zu Irinas Großmutter.« 
 
 
Klimowa L. N. Irinas Großmutter
 
 
»Meine Enkelin ähnelte ihrem, Vater. Ein hübsches Mädchen. 

Rabenschwarzes Haar. Valentin ist ja ein schmucker Mann. Deshalb hat 

er sich auch rumgetrieben. Ich hatte von Anfang an so ein Gefühl, daß 

Raiska, meiner Tochter, kein ruhiges Familienleben beschieden sein würde. 
Sie hatte studiert, er war ungebildet Sie ging gern mal ins Kino oder 

Konzert, mein Schwiegersohn aber schielte nach anderen. Die Frauen warfen 

sich ihm ja an den Hals. Er sieht nett aus, wie ein Zigeuner. Auch Raiska 

hatte sich an ihn geklammert, trotz ihrer Bildung. Er trank gern, 

besonders, wenn er es umsonst bekam. 

Nein, geschlagen hat er Irina nicht. Vielleicht hat er sie gefürchtet: Sie 

hatte so einen Blick… Aber seit Januar, seit die andere ihn an der Kandare 

hält, krakeelte er herum, es sei ihm um das Geld leid, das er als Unterhalt 
zu zahlen habe. Bestimmt hatte ihn diese Frau aufgestachelt, und so tobte er 

eben, weil er sechzig Rubel pro Monat für Irina hergeben sollte. Ganz wirr 

im Kopf war er davon. In seiner Wut sagte er, Irina könnte doch selbst 

arbeiten und abends lernen. Aber Raissa ist tüchtig, sie wollte ihrer Tochter 

eine abgeschlossene Ausbildung ermöglichen. Nur hielt sie Irina allzu streng. 
Hatte Sorge, daß das väterliche Erbteil in ihr aufbrechen könnte. Dabei 

dachte meine Enkeltochter gar nicht daran, sich herumzutreiben. Nein, 

nein… In der Schule oder in der Nachbarschaft hatte sie niemand. Das hat 

sie nicht mehr erlebt… 

Allerdings habe ich hier einmal bemerkt, daß ein Freund meines Enkels 

Jura sich nach ihr erkundigt hat. Jura ist der Sohn von meinem Wassili. Ich 

habe zwei Kinder, Raissa und Wassili. In Wasskas Familie ist wohl alles 

in Ordnung – toi, toi, toi, man soll’s nicht beschreien! Seine Tochter, meine 
ältere Enkelin, ist schon verheiratet. Eine Liebesheirat. Jura arbeitet als 

Busfahrer. Die Arbeit macht ihm Freude. So daß bei Wassili alles, Gott 

sei Dank… Dagegen Raissa… Sie ist doch noch jung, erst vierzig. Eine 

andere hätte sich längst jemand neues gesucht, sie aber kommt nicht los von 

diesem Zigeuner. Ruiniert ihre eigenen Nerven und ist auch ihm gegenüber 

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-25- 

hysterisch geworden. Sie hätte ihm längst einen Tritt geben sollen. Vielleicht 

wäre dann alles anders… Mein Enkelchen hat nun Gott zu sich geholt… 
Kein Glück ist Raissa beschieden, kein Glück! Um Irina tut es mir sehr 

leid. Sie war ein gutes Mädchen… 

Am dreizehnten haben meine Tochter und ich Kartoffeln gerodet, auf 

unserer Parzelle. Danach war Raja mit ihrer Freundin zusammen. Ich bin 

um sechs Uhr abends nach Hause gefahren. Meine Tochter kam nach elf. 

Was das für ein Freund von Jura ist, kann ich nicht sagen. Er heißt 

Kolja. Wo er arbeitet? Ich weiß es nicht.« 
 
Die Kassiererin, eine etwa dreiundzwanzigjährige junge Frau mit 

neuem, glückverheißend funkelndem Ehering, arbeitete schnell 
und sicher. Ihre linke Hand glitt über die Waren in den 

Metallkörben, mit der rechten tippte sie die Preise ein. Sie nahm 

das Geld entgegen, gab heraus… Professionell macht sie das, 

dachte Garussow und sah sich um. Kartoffeln, Mohren, rote 

Rüben, Äpfel, Tomaten – alles frisch und prall, sicher gerade erst 

vom Feld geliefert. In den Regalen Gläser und 
Konservenbüchsen mit verschiedenen Aufklebern. Ein 

gewöhnlicher Laden. Nichts Bemerkenswertes. 

Der Untersuchungsführer begab sich zur 

Verkaufsstellenleiterin. Sie empfing ihn freundlich – man hatte 

sie zuvor aus der Milizabteilung angerufen –, doch den 

Umschlag mit dem Kassenzettel nahm sie nur zögernd entgegen. 

»Ist das Ihr Bon? Verzeihung… wie ist Ihr Name?« 
»Jelena Semjonowna. Ja, er ist von uns.« 
»Sagt er Ihnen etwas, Jelena Semjonowna?« 
Sie musterte das Stückchen Papier. 
»Ich sehe nichts Kriminelles daran. Alles ist richtig eingetippt.« 
»Gerade dieser Bon wurde am Ort eines Verbrechens 

gefunden. Und es ist gut möglich, daß der Kunde, dem er 

gehörte, der Täter ist. Verstehen Sie?« 

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-26- 

»Nicht ganz.« Die Leiterin mühte sich sichtlich, den Sinn 

seiner Worte zu erfassen und zu begreifen, von welcher Seite ihr 

Gefahr drohte. 

»Jelena Semjonowna, ich weiß ja, daß es fast unmöglich ist, 

aber trotzdem: Ließe sich eventuell feststellen, wer diesen 

Kassenbon bekommen hat?« 

»Wo denken Sie hin! So viele Leute! Der dreizehnte… 

Sonnabend… An den Wochenenden haben wir den meisten 

Andrang. Außerdem hatten wir Melonen bekommen. Eine volle 

Ladung, zweieinhalb Tonnen. Gestern haben wir die letzten 

verkauft. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht helfen.« 

»Waren Sie im Verkaufsraum?« 
»Ja. Ich war den ganzen Tag hier.« 
»Und wer saß an der Kasse?« 
»Am dreizehnten? An den ungeraden Tagen arbeitet Toma 

Rusajewa, das heißt… wie ist doch ihr neuer Name… Ach ja, 

Saryschewa… An den geraden Walja Siwzowa. Außer den 

beiden sind in jeder Schicht noch zwei Frauen da, sie packen die 
Ware ab, füllen die Regale auf, achten auf Ordnung im 

Verkaufsraum. Auch eine Putzfrau haben wir.« 

»Heute ist der fünfzehnte. Toma ist also hier?« 
»Ja.« 
»Darf ich sie sprechen?« 
»Natürlich.« 
Sie traten in den Verkaufsraum. Die Leiterin flüsterte der 

Kassiererin etwas ins Ohr, diese warf dem jungen 
Untersuchungsführer, der sich nun ein Netz Tomaten aussuchte, 

einen neugierigen Blick zu, stand auf und kam zu ihm. Indessen 

setzte sich Jelena Semjonowna an die Kasse. 

»Ich gratuliere Ihnen, Toma«, begann Garussow. 
»Wozu?« Die junge Frau wunderte sich. 
»Zur Hochzeit.« 
»Danke. Hat Ihnen die Chefin das gesagt?« 

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-27- 

»Ihren Mann haben Sie sich wohl im Geschäft ausgeguckt?« 
»Von wegen… Beim Tanz! Im Chalturiner Park.« 
»Und hier? Gibt es hier keine jungen Männer?« 
»Doch, schon…« 
»Ach ja, Sie sind sicher erst kurze Zeit in dieser 

Verkaufsstelle.« 

»Wieso? Seit ich mit der Ausbildung fertig bin. Fünf Jahre.« 
»Dann kennen Sie bestimmt auch viele Kunden?« 
»Nein. In der Menge sind alle gleich.« 
»Haben Sie am Sonnabend gearbeitet? Ist dieser Kassenzettel 

von Ihnen?« 

»Ja, von mir. Das waren Melonen. Ich tippe zuerst immer den 

Preis für die vollen Kilo ein: also zwei Rubel, zehn Kopeken, 

danach den für die Gramm: achtzehn Kopeken. Insgesamt: zwei 

achtundzwanzig. Der Bon ist vom Nachmittag. Für zwei 
Melonen. Sieben Kilo, sechshundert Gramm. Die großen 

Melonen sind alle vormittags rausgegangen, den ganzen Berg 

haben die Leute umgeschichtet. Die drei und vier Kilo schweren 

haben wir am Nachmittag verkauft.« 

»Wunderbar, Toma. Womöglich erinnern Sie sich gar an den 

Käufer?« 

Sie musterte den Kassenzettel mit zusammengekniffenen 

Augen so gründlich, daß der Untersuchungsführer richtig 

aufgeregt wurde. 

»Nein… Ich entsinne mich nicht…« Die junge Frau war nicht 

weniger bekümmert als Garussow. »Es waren sehr viele Leute. 

Eine lange Schlange. Männer und Frauen. Mittieren Alters, 

Ältere und auch Jugendliche. Nach Melonen stellen sich alle an.« 

»Toma, da Sie seit fünf Jahren hier arbeiten, müssen Sie doch 

viele Kunden kennen?« 

»Ich sagte schon: Ich kenne niemand. Ich lege keinem etwas 

zurück.« 

»Aber einige Gesichter haben sich Ihnen eingeprägt?« 

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-28- 

»Wenn Sie das so meinen… Natürlich haben wir 

Stammkundschaft. Vor allem Rentner. Ob sie was brauchen 

oder nicht – sie tippeln durch die Geschäfte.« 

»Toma, verbleiben wir doch so: In einer oder eineinhalb 

Stunden kommt ein Milizionär in die Verkaufsstelle, in Zivil 

natürlich. Und Sie strengen Ihr Gedächtnis an. Bitte! Ich bitte 

Sie sehr. Er wird versuchen, die Käuferschlange vom Sonnabend 

zu rekonstruieren. Sollten Sie einen der betreffenden Kunden 

sehen – zeigen Sie ihn ihm!« 

»Das finde ich nicht gut. Wenn nun dieser Mensch völlig 

unschuldig ist?« 

»Ich sagte doch: Es geht erst einmal darum, die Schlange der 

Melonenkäufer zu rekonstruieren. Wenn jemand lange ansteht, 

prägen sich ihm viele von denen ein, die vor oder hinter ihm 

sind. Unwillkürlich. Und gerade die Rentner kennen ihren Kiez 
meist recht genau… Geben Sie sich Mühe, Tomotschka, geben 

Sie sich viel Mühe. Könnten Sie auch morgen zur Arbeit 

kommen? Sie würden uns sehr helfen…« 

»Aber dieser Milizionär darf nicht in meiner Nähe stehen. 

Sonst sieht ihn womöglich mein Mann… Er schaut in jeder 

Schicht vorbei.« 
 
Den Bus 17-45 fanden Garussow und sein Chauffeur schnell auf 
dem Autohof; er stand in der ersten Reihe der einsatzbereiten 

Fahrzeuge. Doch ringsum war es menschenleer, so daß der 

Untersuchungsführer Irinas Cousin erst suchen mußte. Im 

nächstgelegenen Gebäude, einem zweistöckigen Parkhaus, wies 

man ihm eine der rotgestrichenen Türen: »Bei Ljocha in der 
Schlosserei.« Juri Klimow wunderte sich nicht, daß jemand von 

der Staatsanwaltschaft zu ihm kam. 
 
 
 
 
 

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-29- 

Klimow J. W. Busfahrer 
 
»Ich wohne bei meinen Eltern. Meine ältere Schwester ist verheiratet, sie lebt 

in der Familie ihres Mannes. Irina ist meine Cousine. Unsere Beziehungen 

waren gut, wir stritten uns nie. In meiner Kindheit, als Schüler, war ich oft 

bei ihnen zu Besuch, aber noch häufiger spielten wir bei unserer Großmutter. 

Nach meinem Armeedienst ging ich seltener zu ihnen. Nur wenn ich einen 
Grund hatte und meistens allein. Drei-, viermal begleitete mich auch mein 

Freund, Nikolai Jerlaschow. Er wohnt im Wohnheim Ecke Derendejewa-, 

Milizstraße, arbeitet im ›Uralchimmontash‹. Er ist einundzwanzig Jahre 

alt. Am Sonnabend, dem 13. hatte ich zweite Schicht und fuhr zunächst 

den Einhundertneunzehner. Nach der Pause sollte ich die Linie 
Busbahnhof – Flughafen übernehmen. Ich war etwa 20.10 Uhr beim 

Dispatcher am Zentralmarkt, ließ die Fahrgäste aussteigen und tankte. 

Essen gehen konnte ich schon nicht mehr, weil ich 20.55 Uhr vom 

Busbahnhof in Richtung Flughafen abfahren mußte. Am Busbahnhof war 

ich ungefähr 20.40 Uhr. Nach Hause zurück kehrte ich ein Uhr nachts. 

Am 14. September, sieben Uhr morgens, kam Irinas Mutter zu uns. 

Von ihr erfuhr ich, daß meine Cousine tot ist. Wer sie ermordet haben 

kann, weiß ich nicht, aber meine Freunde schließe ich aus. 

Nikolai Jerlaschow besuchte mich am Sonntag, dem 7. September, und 

wir beschlossen, ein bißchen zu feiern. Meine Eltern waren nicht zu Hause, 

also sah ich bei Borowalows vorbei, um von ihnen Geld zu borgen. Ich traf 
nur Irina an, lieh mir von ihr siebzehn Rubel, und dann gingen Nikolai 

und ich ins ›Jubilejny‹. Wir hielten uns in diesem Restaurant auf, bis es 

zumachte, hatten dort aber wenig getrunken, deshalb schlug ich vor, noch 

einmal zu Borowalows zu fahren. Ich wußte, daß sie Wein haben. Bei ihnen 

tranken Nikolai und ich weiter, wir blieben auch zur Nacht. Seitdem hat 
Nikolai, soviel ich weiß, Irina nicht mehr gesehen. Wir saßen in der Küche. 

Irka störte uns nicht, sie war in ihrem Zimmer. Die Schlafcouch richtete uns 

ihre Mutter her. Meine Schulden beglich ich am Freitag. Nikolai wollte am 

13. nach Hause fahren, in die Siedlung Wachruschi im Slobodsker Rayon, 

weil sein Bruder aus Saratow auf Urlaub kam. 

Irinas Eltern lebten normal, so wie alle, denke ich. Mal wohnten sie 

zusammen, mal getrennt, mitunter stritten sie sich – eben wie alle.« 
 

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-30- 

Boris Gawrilow meldete sich gegen neun Uhr abends, als 

Garussows Moskwitsch die Chaussee entlangrollte und vor ihm, 
schon nahe, hell und gleichmäßig das Feld der Stadtlichter 

funkelte. Noch zehn Kilometer, noch acht Minuten – und die 

ersten Wohngebiete würden auftauchen. 

»Na, wie war die Fahrt? Wie läuft’s in der Petrowka 

achtunddreißig? Ich meine, in Sidorowka«, fragte Boris. 

»Gut läuft’s. Sie ernten Kartoffeln.« 
»Immer noch?« Boris lachte. »Sie haben wohl zu wenig 

Helfer?« 

»Viele sind es nicht. Aber unser Helfer war da. Obwohl er 

kein großer Freund von Feldarbeiten ist.« 

»Er war wirklich dort?« 
»Ja. Am Sonnabend sind sie angekommen, nicht mit dem Bus, 

sondern über Nowojatsk, mit dem Schiff. Zurückgefahren am 

Sonntag, mit dem letzten Bus, achtzehn Uhr fünfunddreißig. Sie 

waren in Kusnezy, das ist ein Dorf, drei Kilometer von 

Sidorowka entfernt. In der Nachbarschaft hat eine gewisse 
Margarita Nossowa ihren Garten, sie hat alles genau beobachtet 

und geredet wie bei der Beichte. Da sind auch noch andere 

Zeugen. Diese Dame hat ihren neuen Mann überall 

herumgezeigt.« 

»Das bringt uns also nicht weiter… Und wieviel Säcke habt 

ihr vollgelesen? Braucht ihr vielleicht Helfer? Zum Ausladen?« 

»Du und deine Späße… Was gibt’s denn bei dir Neues?« 
»Erstens: Wladimir Popzow bestätigt, daß er am elften 

September, zwanzig Uhr zehn, bei seinem Bruder Alexander 

war. Die Zeit weiß er so genau, weil er direkt vom Fußballspiel 

im Dynamo-Stadion kam. Das Spiel endete um acht Uhr. Auf 

dem Nachhauseweg ging er bei Alexander vorbei und lieh sich 

von ihm Windjacke und Rucksack. Die Jacke hing er sich über 
den Arm, den Rucksack über die Schulter. Für den 

Tascheninhalt dieser beiden Sachen interessierte er sich nicht, 

ebensowenig weiß er, ob überhaupt etwas darin war. Er ging 

zunächst an den ungeraden Hausnummern der Proletarierstraße 

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-31- 

entlang, und zwar von der Straße der Bolschewiki bis zur Straße 

der Freiheit, überquerte am Restaurant ›Sewerjanka‹ die 
Fahrbahn und spazierte an den geraden Hausnummern weiter, 

bis zu seinem Haus. Am Freitag holte er sich von seinem Bruder 

noch die Stiefel. Am dreizehnten September stand er früh auf, 

weil er ja zum Angeln wollte. Etwa fünf nach sechs stieg er am 

Dispatcherpunkt auf der Proletarierstraße in den Dreier-Bus, 
fuhr bis zur Brücke und ging dann zu Fuß zum Bootsverleih. 

Dort warteten schon sein Kollege Alexander Scharapow und 

dessen Sohn Alexej auf ihn. Zu dritt fuhren sie mit einem 

Motorboot zur Sagorsker Brücke, wo sie angelten. Sie 

übernachteten am Ufer, in einem Zelt. Sonntagnachmittag 

kehrten sie zurück. 

Der ältere Popzow gibt an, in den vergangenen zwei, drei 

Monaten weder vor dem Haus Nummer 
einhundertsechsundsechzig noch in der Wolodarskistraße 

überhaupt gewesen zu sein. So sieht’s aus! 

Zweitens: Die ersten Käufer aus der Melonenschlange sind 

gefunden. Bisher wurden keine Mitarbeiter des Reparaturwerks 

oder deren Angehörige ermittelt. Zwei werden morgen Toma 

helfen. 

Und als letztes: Ingenieur Bokow kommt mit dem Zug 

›Moskau – Solikamsk‹ zwanzig Uhr dreißig Moskauer Zeit hier 

an, also halb zehn nach unserer Zeit. In dreißig Minuten betritt 

er den heimatlichen Bahnsteig…« 

»Ich habe den Wink verstanden. Gut, ich nehme ihn in 

Empfang. Sein Foto liegt, hoffe ich, bei der Bahnmiliz?« 

»Natürlich. Was ordnest du an?« 

 
 
Bokow A. S. Ingenieur
 
 
»Leiter des Bereichs Materialwirtschaft im Reparaturwerk ist Michail 

Grigorjewitsch Rytschkow. Dieser Bereich setzt sich aus drei Abteilungen 
zusammen. Ich arbeite in der Abteilung Kooperation und Beschaffung, mein 

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-32- 

Vorgesetzter ist Leonid Arkadjewitsch Gorbuschin, Speziell gehöre ich zur 

Gruppe Buchhaltung kooperativer Lieferungen, seit zehn Jahren. Seit rund 
vier Jahren ist die Kirowo-Tschepezker Filiale unser Zulieferer für 

Pappkartons. Um die Kartons von der Filiale zu übernehmen, geben wir 

am Vortag eine Wagenanforderung an den Fuhrpark. Dessen 

Verantwortlicher teilt uns Wagen und Fahrer zu. Von uns erhält der 

Fahrer nur den mündlichen Auftrag, nach Kirowo-Tschepezk zu fahren 
und die Kartons abzuholen. Normalerweise geschieht das zweimal 

wöchentlich. Die Vollmachten zum Empfang der Kartons stellen wir in der 

Buchhaltung für zwei Wochen im voraus aus und schicken sie an die 

Abteilung Absatz der Filiale. Der Fahrer bekommt von uns keine 

Unterlagen in die Hände. In Tschepezk füllt er dann selbst – entsprechend 
unserer telefonischen Anforderung – seinen Passierschein aus, fährt auf das 

Betriebsgelände und bekommt dort, gemäß dem sogenannten Begleitschein, 

die Kartons aufgeladen. Diese Frachtscheine werden nach der 

Auftragserledigung bei uns abgegeben, wir registrieren sie und reichen sie 

weiter ans Magazin. Der Passierschein verbleibt beim Pförtner der Filiale. 

Den Kraftfahrer Popzow kenne ich. Er hat schon mehrmals Kartons 

abgeholt. Aber ich erinnere mich nicht, ob gerade er es war, der am 28. 

August gefahren ist. Ich erinnere mich nicht. Am Monatsende haben wir 
viel zu tun, viele Kollegen sind auf Dienstreise, und wir arbeiten bis in die 

Nacht hinein. Falls ich abwesend war, kann der Fahrer den Frachtschein 

auf den Tisch gelegt haben; der Eintragung in unserem Buch ist nicht zu 

entnehmen, ob jemand den Schein entgegennahm. Aber ich versichere, daß 

Popzow seinen Passierschein nicht bei mir gelassen hat. Ich bin sicher, weil 

mir noch nie ein Fahrer einen Passierschein übergeben hat. 

Durch die Wolodarskistraße gehe ich nicht. Wie der Passierschein 

dorthin gelangte, kann ich nicht erklären.« 
 
Vom Montag blieb noch eine halbe Stunde. Sergej Garussow, 

der eine Minute an jener  Stelle verharrt hatte, ging langsam auf 

die Kreuzung zu. Anscheinend hatte Irina recht gehabt: Sie war 

»wegen nichts« getötet worden. Der Mörder war jäh und zufällig 

in ihr kurzes Leben getreten. Genau diesen Weg bis zur 
Kreuzung hatte er genommen und war dann umgekehrt. Die 

letzte Passantin, die Titljanowa, hatte inzwischen die Straße 

verlassen. Noch ein, zwei Minuten, und Irina würde erscheinen. 

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-33- 

Unerbittlich führt das Schicksal sie zum Haus Nr. 166 – nicht 

später, nicht früher, sondern genau in der Sekunde, die sie mit 
ihm  zusammenbringt. Das Mädchen kürzt sogar den Weg ab, 

über die Höfe… Sie ist nicht aufzuhalten… Und später läuft der 

Täter noch einmal zur Kreuzung… »Werden Sie ihn finden?« – 

»Ganz bestimmt.« Doch der Montag ist fast zu Ende. Dieser 

Lump, der irgendwo in der Nähe wohnen muß, schläft 
wahrscheinlich. Ob ihm wirklich nichts seine Ruhe raubt? 

Vermutlich beschäftigt ihn nur eins: die Angst um die eigene 

Person. 
 
 
16. September, Dienstag
 
Pünktlich neun Uhr kam der zur Zeugenaussage vorgeladene 

Alexander Scharapow. Er klopfte leise und blickte, nachdem er 

die Tür einen Spalt geöffnet hatte, zaghaft ins Zimmer. Der 

Angler, registrierte Sergej automatisch, und er lächelte. 

»Ja, ja. Kommen Sie herein. Guten Tag. Nehmen Sie Platz.« 
»Guten Tag. Ich bin nicht allein. Mein Sohn wartet im Flur. Er 

war mit mir… mit uns… angeln. Soll ich ihn rufen?« 

»Vorläufig ist das nicht nötig. Aber setzen Sie sich doch, 

warum stehen Sie! Sie wissen, weshalb wir Sie hergebeten 

haben?« 

»Ich errate es.« 
»Sie haben von dem Mord gehört?« 
»Selbstverständlich.« 
»Ich muß Sie darauf hinweisen, daß sie gemäß Artikel 

einhunderteinundachtzig des Strafgesetzbuchs der RSFSR bei 

bewußt falscher Aussage und gemäß Artikel 

einhundertzweiundachtzig für die Verweigerung von Aussagen 

zur Verantwortung gezogen werden können. Sie sind 

verpflichtet, die reine Wahrheit zu sagen.« 

»Das ist mir klar. Ich verstehe… Ich werde nur die Wahrheit 

sagen. Habe nichts zu verbergen.« 

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-34- 

»Kennen Sie Wladimir Popzow schon lange?« 
»Wolodja? Wie viele Jahre, weiß ich nicht genau. Zehn? Oder 

mehr? Wohl an die fünfzehn. Vielleicht nicht ganz so lange. 

Aber nicht weniger als zehn Jahre. Wir arbeiten zusammen im 
›Elektrobytpribor‹, in derselben Abteilung. Als Dreher. Und wir 

verbringen manchmal unsere Freizeit gemeinsam, ich meine, wir 

gehen angeln.« 

»Erzählen Sie von Ihrem letzten Ausflug.« 
»Das war so.« Scharapow zog gequält die Stirn in Falten. 

»Wolodja und ich hatten uns bereits am Mittwoch verabredet, 
auf die Wjatka zu fahren. Mit meinem Boot, einer ›Kasanka‹. Am 

Freitag, also dem zwölften September. Aber am zwölften ging es 

nicht, wir konnten kein Benzin auftreiben. Erst am Sonnabend 

kamen wir los, gegen sieben Uhr morgens. Vom Bootsverleih. 

Mein ältester Sohn Alexej war auch dabei. Wir fuhren zur 
Sagorsker Brücke. Und fingen eben Fische… Ich sage die 

Wahrheit.« 

»Wo genau haben Sie geangelt?« 
»Da, wo die Pishanka in die Wjatka mündet. Die Nacht vom 

Sonnabend zum Sonntag verbrachten wir auf dem linken Ufer, 

im Zelt. Ich sage die Wahrheit.« 

»War es nicht kalt?« 
»Ach wo… Nur gegen morgen ein bißchen kühl.« 
»Hat Wladimir Popzow sich am Abend von Ihnen entfernt? 

Sie verstehen meine Frage?« 

»Ja. Ich verstehe. Er war die ganze Zeit mit uns zusammen, 

hat sich nirgendwohin entfernt. Nicht mal für dreißig Minuten.« 

»Wann sind Sie zurückgekehrt?« 
»Am Sonntag, nach drei Uhr nachmittags. Die Abfahrt und 

die Ankunft sind beim Bootsverleih vermerkt. Der 

Diensthabende hat sie notiert. Nein, Wolodja war immer mit uns 
zusammen. Ich sage die Wahrheit… Fragen Sie meinen Sohn, er 

wird es bestätigen. Auch der Bootsverleiher muß sich erinnern, 

er bettelte uns, wie jedesmal, zwei Brassen ab.« 

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-35- 

 
Beide, Alexander Popzow und Alexander Bokow, kamen fast 

gleichzeitig, kurz vor zehn Uhr. Sie nahmen vor dem Tisch des 

Untersuchungsführers Platz, wobei jeder von ihnen vermied, den 

anderen anzusehen. 

Sergej Garussow erklärte ihnen ausführlich ihre Rechte und 

Pflichten und schloß, nachdem er ein Protokollformular für die 
Gegenüberstellung bereitgelegt hatte, mit den Worten: »Sie 

dürfen sich auch gegenseitig Fragen stellen, haben das Recht, 

Einsicht in das Protokoll zu nehmen und Ergänzungen oder 

Korrekturen zu verlangen. Jeder von Ihnen unterschreibt seine 

Aussage, auf jeder Seite neu. Haben Sie verstanden?« 

»Verstanden«, murmelte Bokow. Popzow nickte. 

 
Gefragt, ob sie miteinander bekannt wären und in welcher Beziehung sie 

zueinander stünden, antworteten die Vernommenen: 

Popzow: »Meine Beziehungen zu Bokow sind rein dienstlich und völlig 

normal.« 

Bokow:  »Popzow kenne ich nur durch die Arbeit; es gibt keine 

Feindseligkeiten zwischen uns.« 

Frage an Popzow: »Waren Sie am achtundzwanzigsten August in 

der Kirowo-Tschepezker Filiale? Was für Unterlagen haben Sie nach der 

Fahrt wem übergeben?« 

Antwort:  »Ja, ich war am fraglichen Tag in Kirowo-Tschepezk. Im 

Passierscheinbüro erhielt ich die Genehmigung zum Befahren des Geländes. 

Außerdem gab mir ein Lagerarbeiter, als der Wagen beladen war, den 
Frachtschein. Beim Verlassen des Betriebsgeländes wurde weder der 

Passierschein verlangt, noch die Anzahl der Kartons überprüft. Ohne sein 

Häuschen zu verlassen, drückte der Pförtner auf den Knopf – er öffnete also 

das Tor, und ich rollte hinaus. Den Frachtschein und den Passierschein 

übergab ich, wie ich mich erinnere, Ingenieur Bokow. Beide Zettel waren mit 

einer Büroklammer aneinandergeheftet.« 

Frage an Bokow: »Haben Sie von Popzow mit dem Frachtschein 

auch den Passierschein bekommen?« 

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-36- 

Antwort:  »Ich  habe überhaupt weder den einen noch den anderen 

gesehen.« 

Frage an Popzow: »Bleiben Sie dabei, die Unterlagen Bokow 

ausgehändigt zu haben?« 

Antwort  (nach längerem Überlegen): »Ich kann genau sagen, daß ich 

die Papiere abgegeben habe. Aber wem? Konkret entsinne ich mich nicht, 

kann also nicht versichern, daß es wirklich Bokow war. Gewöhnlich nimmt 
die Unterlagen entweder Bokow oder Lokunjew oder Gorbuschin entgegen. 

Einer dieser drei. Bokow bestreitet die Sache. Und ich will nichts behaupten 

und ihn damit in Verdacht bringen.« 

Frage Bokows an Popzow: »Wann  waren Sie aus Tschepezk 

zurück? Sind Sie gleich zu uns gefahren oder erst zur Garage?« 

Antwort: »Ich bin sofort in die Buchhaltung gegangen, es war siebzehn 

Uhr. In der Garage bin ich vorher nicht gewesen.« 

Frage Bokows an Popzow: »Wer aus der Abteilung hat in der 

Halle angerufen, wegen des Entladens?« 

Antwort:  »Ich erinnere mich nicht. Mir scheint, daß ich  Ihnen den 

Passierschein gegeben habe; in diesem Fall  müßten Sie es gewesen sein.« 
Weitere Fragen haben wir nicht aneinander. Wir haben das Protokoll zur 

Kenntnis genommen, es ist sachlich richtig. 
 
Garussow reichte Popzow die beschriebenen Blätter. 

»Lesen und unterschreiben Sie. Danach Sie.« Er wandte sich 

an den Ingenieur. »Und wissen Sie was? Wir fahren jetzt zum 

Betrieb, versuchen an Ort und Stelle Klarheit zu schaffen. 

Einverstanden?« 

Eins steht fest, dachte er. Popzow hat diese unglückseligen 

Scheine in der Abteilung abgegeben. Aber wem? Gorbuschin ist 
der Leiter. Mit so einer Lappalie, wie diesem Frachtschein für 

Pappkartons, würde er sich nur befassen, wenn kein anderer da 

wäre. Aber da wurde noch ein Name genannt… Lokunjew… 

Lokunjew, grübelte der Untersuchungsführer, während er das 

Protokoll noch einmal überflog. Dieser Familienname ist mir 

schon begegnet… Gestern… 

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-37- 

Er öffnete den Safe, holte den Vorgang heraus und blätterte 

eilig, gleich neben dem Stahlschrank, die abgehefteten Aussagen 
der Anwohner durch. Da! Nur eine halbe Seite Text. Aber die 

Anschrift! Proletarierstraße 23 a, Wohnung 01. Das war fast 

gegenüber. Das dreistöckige Eckhaus. 
 
 
Lokunjewa N. P. Schleiferin
 
»Ich wohne hier seit 1953, zusammen mit meiner Mutter, Anna 

Alexejewna Schaburowa, und mit meinem Sohn, Lokunjew, Nikolai 

Jurjewitsch. Meine Mutter ist Rentnerin, mein Sohn Ingenieur. Am 13. 

September, abends, waren wir alle zu Hause. Gegen 18 Uhr kam mein 
Sohn aus der Sauna, und wir aßen zusammen Abendbrot, sahen fern, 

erholten uns. Wir hörten weder Schreie noch sonst etwas. Vom Mord an 

dem Mädchen erfuhren wir am nächsten Tag, im Hof, als die Milizionäre 

in den Wohnungen nachforschten. Das Mädchen war uns unbekannt. Mehr 

kann ich dazu nicht sagen.« 
 
Der Moskwitsch raste durch die Proletarierstraße, auf den 

Rücksitzen schwiegen Popzow und Bokow, so als grollten sie 

einander. Manchmal schnaufte der Ingenieur entrüstet, dann 

wieder seufzte er tief. Der Bruder des »Anglers« starrte stur 

geradeaus, auf die Straße; nur bisweilen blinzelte er. Hundert 
Meter vor der Kreuzung Wolodarskistraße bremste Viktor scharf 

ab, jetzt fuhr der Wagen sehr, sehr langsam, fast Schrittempo. 

Sie rollten über die Kreuzung und hielten vor dem Eckhaus. 

Garussow stieg als erster aus und öffnete die hintere Autotür. 

Eine Minute später standen sie zu dritt auf dem Bürgersteig. 
»Dort neben dem Mädchen lag der Passierschein.« Sergej wies 

auf die gegenüberliegende Straßenseite. »Höchstwahrscheinlich 

hatte ihn der Täter verloren.« 

»Wer weiß…«, murmelte der Ingenieur kaum hörbar, und 

Popzow zückte die Schultern. 

Ob ich nach Lokunjew frage? dachte Garussow. Wissen sie, 

daß er in diesem Haus wohnt? Wenn ich nach ihm frage, reimen 

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-38- 

sie sich natürlich gleich allerlei zusammen, und auf den Sohn der 

Schleiferin fällt ein Verdacht. Dabei kann er ja auch unbeteiligt 
sein… Schließlich sagte er: »Ich lasse Sie kurz allein. Sie haben 

doch nichts dagegen? Ja… Was meinen Sie, wie alt ist dieses 

Haus?« 

»Das hier?« Der Ingenieur warf dem Untersuchungsführer 

einen ironischen Blick zu. »Jedenfalls älter als Sie. Heutzutage 

baut man so nicht mehr. Tadellose Arbeit, aus der 

Nachkriegszeit; das steht noch ein paar hundert Jahre. Sieht 

freilich schwer und unmodern aus. Wurde L-förmig konstruiert, 

weil es ein Eckhaus ist. Mit zwei Fassaden…« 

Dann ging Garussow die Wolodarskistraße entlang. Zum 

Ende des Gebäudes. Die glattgewalzte Tordurchfahrt auf dem 

Foto fiel ihm ein. Im Laufschritt brauchte man bis hierher 

weniger als eine Minute. Er bog um die Hausecke. In den Hof 

führten vier Aufgänge. Der entfernteste, Aufgang 1, ließ sich in 

dreißig Sekunden erreichen. 

Der Untersuchungsführer überquerte schräg den Hof und 

kam auf der Proletarierstraße heraus. Im Moskwitsch wartete 

Viktor auf seine Fahrgäste, die Hände, wie immer, auf dem 
Lenkrad. Bokow und Popzow standen geduldig an der Ecke, 

neben der Wasserzapfsäule. Garussow ging auf sie zu. 

Fünf tiefe Wunden… Die Hände voll Blut… So darf er  sich 

zu Hause auf keinen Fall zeigen. Denn dort sind die Mutter und 

die Großmutter. Also läuft er hierher, zur Zapfsäule… Um sich 

die Hände zu waschen, den Anzug zu kontrollieren und 

abzuklopfen… Das Messer… Es ist auch blutig… Es muß 

gesäubert werden… Kaltes Wasser wäscht Blut sehr gut ab… 
Und danach? Nach Hause. Durch die Proletarierstraße. Denn in 

der anderen stöhnt das Mädchen… Stimmen nähern sich… 

Gleich über die Straße und in den Hof darf er nicht… Man 

könnte ihn bemerken… Nur durch die Proletarierstraße… Aber 

wohin mit dem Messer? Es mitnehmen oder wegwerfen? In die 

Wohnung mitnehmen geht nicht! Wenn aber wegwerfen, dann 

wohin? 

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-39- 

Aufgang 1. Erster Stock, Wohnung 01. Die Tür mit 

Kunstleder bezogen. Über Kreuz Plastleisten. Kupferniete. Ein 

gelber Klingelknopf. 

Garussow läutet. Schritte, und die Tür wird geöffnet. 
»Anna Alexejewna? Guten Tag.« Sergej lächelt die alte Frau 

breit an. »Ich bin von der Staatsanwaltschaft…« 

»Kommen Sie nur herein.« 
Der Untersuchungsführer tritt ein. Ein kleiner Flur. 

Geradeaus ein Zimmer. Die Tür steht halb offen. Aus diesem 

Zimmer ist die Frau gekommen. Zwei Betten. Ihres und das der 

Tochter. Links ein zweiter Raum. Lokunjews? Rechts die Küche. 

»Da war doch erst einer hier. Sagte, er käme von der Miliz. 

Keine halbe Stunde ist das her. Wohl dein Kollege? Hat mich 

nach den Melonen gefragt. Was lauft ihr denn hintereinander 

her?« 

»Es hat sich so ergeben… Wir haben uns verfehlt. Ich suche 

ihn. Bin ganz erschöpft. Hätten Sie vielleicht einen Schluck zu 

trinken?« 

»Warum nicht?« Sie gingen in die Küche. »Wie siehst du bloß 

aus? Deine Augen sind so rot… Hast du einen Kater? Oder 

schläfst du schlecht?« 

»Ihre Tochter arbeitet wohl noch?« 
»Ja, ja. Zwei Jährchen noch bis zur Rente.« 
»Und der Enkel ist auch auf Arbeit?« 
»Wo sonst? Im Werk ist er…« 
»Waren die Melonen reif?« 
»Ja, ich hatte eine schöne, süße.« 
»Am Sonnabend?« 
»Ja.« 
»Nur eine Melone?« 
»Ja.« 
»Wirklich nur eine?« 

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-40- 

»Ja. Ich kann nicht so schwer tragen…« 
»Und wann waren Sie einkaufen?« 
»Das habe ich alles schon deinem Kollegen erzählt. Die 

Filippowa hatte ihn zu mir geschickt, wir hatten uns in der 

Schlange getroffen. Er hat mich über alle ausgefragt, die mit uns 

angestanden haben. Besonders über die Leute hinter uns…« 

»Wann also waren Sie dort? Nach der Mittagspause?« 
»Ja, so ungefähr. Halb vier war ich wieder zu Hause.« 
»Was hat Ihr Enkel zu dieser Zeit getan?« 
»Kolja? Er ist gerade aus dem Kino gekommen. Danach hat er 

mit seiner Mutter zu Mittag gegessen. Anschließend haben wir 

die Melone verputzt, und dann ist Kolja in die Sauna gegangen.« 

»Und am Abend? So gegen acht, neun Uhr? Ist Kolja da fort 

gewesen? Immerhin war Sonnabend…« 

»Er hat zu Hause gesessen. Falls er rausgegangen ist, dann nur 

ganz kurz. Meine Tochter und ich, wir haben ausgeruht. Nicht 

auf ihn geachtet. Aber er hat zu Hause gesessen.« 

»Hat in Ihrer Familie jeder eigene Schlüssel?« 
»Ja.« 
»Hätte Kolja die Wohnung verlassen können, ohne daß Sie es 

bemerkten?« 

»Um acht Uhr haben wir uns zurückgezogen. In unser 

Zimmer. Kolja saß in seinem Raum. Sollte er fort gewesen sein, 
dann nicht für lange. Im Fernsehen lief ein Film, Kolja sah zu 

uns herein, wollte uns holen. Seine Mutter schlummerte schon, 

ich aber setzte mich ein bißchen zu ihm, wurde jedoch schnell 

müde. Bin eben schon alt. Sie zeigten irgendwelchen Unsinn, 

und ich ging.« 

»Wann lud Ihr Enkel Sie zum Fernsehen ein?« 
»Halb zehn. Was ist eigentlich los? Der fragt mich nach den 

Melonen, Sie fragen nach dem Fernseher… Was ist denn 

passiert?« 

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-41- 

»Ach, nichts. Ich werde jetzt weitersuchen… nach ihm. Danke 

für das Wasser.« 
 
Popzow und Bokow standen neben dem Moskwitsch und 

rauchten. Sie tauschten nur verwunderte Blicke, als der 

Untersuchungsführer auf die Straße gelaufen kam. 

»Entschuldigen Sie. Noch drei Minuten. Entschuldigung.« 

Garussow rannte zur Telefonzelle, derselben, von der die 

Schnelle Medizinische Hilfe für Irina gerufen worden war. 

»Boris? Gott sei Dank. Borja, er muß das Messer im Umkreis 

von höchstens zweihundert Metern irgendwo weggeworfen 

haben. Schicke möglichst viele von den Jungs. Durchsucht das 
Haus Nummer dreiundzwanzig a. Das Eckhaus. In jedem 

Aufgang ist unten, am Ende der Treppe, eine Kellertür. Dahinter 

sind Verschlage, wo die Hausbewohner Kartoffeln und alten 

Plunder aufbewahren. Dann den Dachboden. Obwohl, dort 

werdet ihr kaum etwas finden… Aber überprüfen müßt ihr ihn. 

Auch den Abflußgraben am Straßenrand. Den Müllcontainer. 
Den Hof. Etwas weiter entfernt den Zaun, hinter ihm die 

Baustelle. Und diese Blechgarage.« 

»Wer ist es?« 
»Lokunjew, Nikolai Jurjewitsch. Dreißig Jahre alt. Arbeitet im 

Reparaturwerk. Ich fahre jetzt hin.« 

»Alles klar.« 
Popzow und Bokow saßen bereits im Wagen. Sie unterhielten 

sich leise und… lächelten. Also haben sie sich versöhnt, 

vermerkte Garussow im stillen, während er einstieg. 

»Ich brauche Ihre Hilfe. Wären Sie dazu bereit?« fragte er. 
»Selbstverständlich.« Der Ingenieur sagte es gedehnt und 

friedfertig. Popzow nickte. 
 
Nikolai Lokunjews Alter war auf Anhieb schwer zu schätzen. 

Eine farblose Gestalt. Man konnte auf fünfundzwanzig tippen 

oder auf nahe vierzig. Schütteres Haar, das die Glatze kaum 

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-42- 

verdeckte. Ein dunkler Anzug. Import, abgetragen. Klein von 

Wuchs, etwa ein Meter zweiundsechzig. 

Er saß in sich zusammengekauert wie ein Spatz bei starkem 

Frost, ganz in Gedanken versunken. Die Beschäftigung mit den 
vor ihm ausgebreiteten Papieren täuschte er wohl nur vor. Als 

der Untersuchungsführer ins Zimmer trat, hob er nervös den 

Kopf, doch gleich darauf erlosch sein Blick, und er beugte sich 

beruhigt wieder über den Tisch. 

Bokow setzte Sergej Garussow auf einen leeren Platz – eine 

der Mitarbeiterinnen war im Schwangerschaftsurlaub –, mit dem 

Gesicht zu Lokunjew. Kaum einer der acht Anwesenden im 

Büro beachtete den Untersuchungsführer, lediglich der am 
Fenster sitzende Gorbuschin musterte ihn über die Brille 

hinweg. Zuvor hatte Garussow etwa eine Stunde in der 

Kaderabteilung und bei Rytschkow, dem Leiter des Bereichs 

Materialwirtschaft, zugebracht. Jetzt beobachtete er Lokunjew 

unauffällig. 

Nach der Schule hatte sich dieser am Kirower Pädagogischen 

Institut immatrikulieren lassen, an der physikalischen Fakultät. 

Nur, um irgendwo unterzuschlüpfen. Seine Leistungen waren 
mittelmäßig gewesen, gerade so, daß er keinen Ärger bekommen 

hatte. Er hatte als verschlossen und bescheiden gegolten. Nach 

dem Studium war er in ein Dorf gekommen, im Kilmeser Kreis. 

Ein Jahr hatte er durchgehalten. Da er in dieser Zeit nicht als 

sonderlich eifrig aufgefallen war, hatte man ihn leichten Herzens 

ziehen lassen. Und er war in den Chalturiner Kreis übergesiedelt. 
Für einen Monat. Bereits am 30. September hatte man ihn als 

Physiklehrer der Solowezker Schule entlassen. Er war nach 

Kirow zurückgekehrt, hatte viereinhalb Monate zu Hause 

gehockt. 

Danach hatte er als Hilfsschlosser in der Gerätebaufabrik zu 

arbeiten begonnen, unter Verheimlichung seines 

Hochschuldiploms. Einen Monat und dreizehn Tage später hatte 

er gekündigt, weil er zur Armee eingezogen worden war. Nach 
dem Wehrdienst dann ein geglückter Start: Oberingenieur im 

Zentrum für Standardisierung und Meßwesen. Auch hier ein 

Jahr. Die Qualitäten, die man von einem Ingenieur erwartet, 

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-43- 

hatte er nicht zu bieten gehabt. Ständig hatte man ihn 

kontrollieren müssen. Übertragene Arbeiten hatte er nicht immer 
zu Ende gebracht. War nie prämiert, aber auch nicht bestraft 

worden. Am 3. Mai hatte man, auf seinen eigenen Wunsch, das 

Arbeitsverhältnis gelöst. Vor zwei Jahren schließlich war er, 

wieder ohne sein Diplom zu erwähnen, in der Kaderabteilung 

des Reparaturwerks vorstellig geworden. Man hatte ihn als 
Schlosser eingestellt und nach einem Jahr, weil Kader fehlten, 

auf die Planstelle eines Ingenieurs gesetzt, in der Gruppe für 

Kooperative Lieferungen. Seine Aufgaben hatte er seither ohne 

die nötige Initiative oder Lust erledigt, sich als schlechter 

Ingenieur erwiesen sowie Analysen und Perspektivarbeiten 
abgelehnt. Ökonomische und rechtliche Fragen der Beschaffung 

begriff und verwirklichte er nur schwer, leistete keine 

gesellschaftliche Arbeit, war kontaktscheu. Am 1. August hatte 

man ihn zurückgestuft, zum Techniker. 

»Vielleicht hat er einfach einen merkwürdigen Charakter? 

Oder ist untalentiert?« hatte Garussow den Bereichsleiter gefragt. 

»Das ist keine Sache des Charakters, sondern kalte 

Berechnung. Sein einziges Ziel ist: nicht arbeiten! Was heißt 

›untalentiert‹. Man kann alles lernen. Übung macht den Meister!« 

»Warum werfen Sie ihn nicht raus? Auf eigenen Wunsch?« 
»Keine Leute! Männer sind bei uns Gold wert. Wir haben oft 

Dienstreisen. Und die Frauen… Sie wissen ja selbst: Die Frauen 

wollen zu ihrer Familie, wollen Regelmäßigkeit. Außerdem sind 

sie in unserem Betrieb, scheint’s, besonders gebärfreudig. Wir 

haben einfach keine Leute. Also behalten wir ihn.« 

»Tja… In Ihrem Werk arbeiten viele Frauen. Lokunjew ist 

dreißig, aber noch immer unverheiratet…« 

»Wer würde ihn denn nehmen? Sogar die Geschiedenen 

lehnen ihn ab, kommen schnell dahinter, daß er auch zu Hause 

nichts tun würde. Er will nur essen, schlafen und ins Kino 

gehen. Wie eine Schnecke schleimt er über die Erde. Wirklich, 

dieser Vergleich ist mir oft gekommen.« 

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-44- 

Ständig klappte die Tür. Immer wieder klingelte das Telefon. 

Einmal rief die Frau an der Rechenmaschine, die gleichzeitig den 

Fernsprecher bediente: »Gibt’s hier einen Garussow?« 

Es war Gawrilow. 
»Ein Klappmesser, selbstgefertigt. Gesamtlänge 

einhundertsiebenundsiebzig Millimeter. Länge der Klinge 

siebenundsiebzig Millimeter, Breite vierzehn Millimeter. 
Entdeckt haben wir es nicht im Keller, sondern dreieinhalb 

Meter hinter der Wasserzapfsäule, im Abflußgraben unter einem 

Laubhaufen. Ich habe es mir angeschaut, aber keine Blutspuren 

gefunden. Habe es ins Labor geschickt. Sie angefleht, es 

möglichst schnell zu untersuchen, bis zum Abend.« 

Lokunjew hatte nicht auf das Telefon reagiert, hob jedoch 

nach wie vor bei jedem, der eintrat, den Kopf. Nach wem hält er 

Ausschau? dachte der Untersuchungsführer. Worauf wartet er? 

Oder hat er einfach Angst? Ahnt er etwas? Er muß es ahnen… 

Endlich erschien, wie abgesprochen, Alexander Popzow. Er 

war offensichtlich zuvor in die Garage gelaufen, zu seinem 
Wagen, und trug jetzt seine Windjacke. Ohne Umschweife ging 

er auf Lokunjew zu. 

»Habe ich nicht dir vor zwei Wochen meinen Passierschein 

aus Kirowo-Tschepezk gegeben? Zusammen mit dem 

Begleitschein für die Kartons?« 

»Den Passierschein? Er lag hier irgendwo… Wie kommst du 

plötzlich darauf?« 

»Er wird verlangt.« 
»Er war irgendwo… Bei den Papieren. Ich wußte nicht, was 

ich mit ihm machen sollte. Zuletzt habe ich ihn… am Freitag 
gesehen. Als ich meinen Schreibtisch aufräumte…« Lokunjew 

griff in die Brusttasche seines Jacketts, holte sein Notizbuch 

hervor. »Hier hinein habe ich ihn gelegt. Wollte mich 

erkundigen, wo ich ihn abgeben soll… Wer verlangt ihn denn?« 

»Er.« Popzow wies auf den herantretenden 

Untersuchungsführer. »Er ist von der Miliz.« 

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-45- 

»Von der Staatsanwaltschaft«, berichtigte Garussow. »Wo ist 

der Passierschein?« 

Lokunjews Augen schienen zu vereisen. Er wurde bleich, 

seine Hände umkrampften das Notizbuch. 

»Ich weiß es nicht.« 
»Aber Sie erinnern sich, ihn am Freitag eingesteckt zu haben?« 
»Ja, gegen fünf… Zum Dienstschluß… Als ich meinen 

Schreibtisch aufräumte.« 

»Sie haben den Passierschein am Freitag eingesteckt und am 

Sonnabend verloren. Erinnern Sie sich? Dort!« 

»Wo… dort?« 
»Gegenüber von Ihrem Haus. Gegen neun Uhr abends. Zwei, 

drei Minuten vor neun. Entsinnen Sie sich? Also, fahren wir!« 

»Ich muß doch arbeiten.« 
»Das ist bereits abgesprochen.« 
Außer Bokow, der sie mit aufgerissenen Augen anstarrte, 

interessierte keinen der Anwesenden ihr Gespräch. Viele 

erinnerten sich später nicht einmal, wann die drei verschwunden 
waren: Popzow vom Fuhrpark, Nikolai Lokunjew und dieser 

dritte. Ja, waren sie überhaupt da gewesen? 

 
 

N. J. Lokunjew 
An den Staatsanwalt des Rayons »1. Mai« 

Geständnis 

Am 13. September besuchte ich die Sauna. Ich hielt mich 

lange darin auf, wonach bei mir eine psychische Krise und 

starke Kopfschmerzen auftraten, denn ich hatte früher 
infolge einer Prellung des Kopfes mit Gehirnerschütterung 

im Krankenhaus gelegen. Der Anfall begann an diesem 

Abend. Als ich die Wäsche nach Hause gebracht hatte, ging 

ich spazieren. Vor unserem Haus begegnete mir ein 

Mädchen, und ich stieß zu. Wahrscheinlich verlor ich dabei 

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-46- 

den Passierschein. Das Messer hatte ich aus der Tischlade in 

unserer Wohnung genommen. Niemand hatte das gesehen. 
Ich bitte darum, mich einer gerichtspsychologischen 

Untersuchung zuzuführen. Und mir die Artikel 104 und 38 

des Strafgesetzbuchs zuzubilligen. Weil ich dieses 

Geständnis geschrieben habe. 

 
Der Dienstag neigt sich seinem Ende zu. Sergej Garussow ist 

wieder in der Wolodarskistraße. Langsam nähert er sich der 

Stelle, an der drei Tage zuvor das Mädchen niedersank. Deutlich 

sieht er vor sich, wie es war, wie Lokunjew, sich nach allen 

Seiten umschauend, zum Wasserhahn lief. Das Messer unter den 
kalten Strahl hielt. Es sorgsam abwusch… Das nüchterne 

Ergebnis der zytologischen Untersuchung kommt ihm in den 

Sinn: An dem zur Expertise vorgelegten Messer wurde kein Blut 

festgestellt. 

Kein Blut festgestellt, dachte Garussow. Er hat es also 

tatsächlich abgewaschen. Von allen Seiten gründlich gesäubert. 

Dieser Lokunjew ist sehr, sehr kompliziert. Ein Gemisch aus 

Feigheit und kalter Berechnung. Mit bloßen Händen faßt man 
den nicht – er glitscht einem zwischen den Fingern hindurch, 

wie eine Schnecke… Nun. simuliert er den Geisteskranken! Will 

er um jeden Preis Zeit gewinnen, damit er sich eine Taktik 

zurechtlegen kann? Er ist sich sicher, daß wir das Messer noch 

nicht gefunden haben. Und dann diese verblüffende Kenntnis 

des Strafgesetzbuchs… Doch vor allem möchte er Zeit 
gewinnen. Denn die stationäre Untersuchung in der 

Bezirksnervenklinik wird mindestens zwanzig Tage dauern. Der 

Ertrinkende klammert sich an einen Strohhalm. Das ist sein 

Recht. 

Trotzdem wird dieser Schachzug sein einziger und letzter 

bleiben. Denn wir werden ihm den Boden unter den Füßen 

wegziehen. 
 
 
 

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-47- 

12. Oktober, Sonntag 
»Guten Tag.« Die Stimme klang fest, verriet nicht den Schatten 

von Unsicherheit. Oder schien es nur so? 

Lokunjew setzte sich auf den Stuhl, mit dem Gesicht zur Tür. 

Zwischen ihm und dem Untersuchungsführer stand der Tisch. 

Schweigen. 
Garussow las noch einmal die beiden eng mit Maschine 

beschriebenen Seiten, die er am Vortag erhalten hatte und die 

ihm deshalb schon gut vertraut waren. Lokunjews Blick tastete 

über die drei angeschwollenen Akten. Sehr wach. (Was mag 

darin stehen?) Langsam hob er die Augen und sah den 

Untersuchungsführer an. (Warum fragt er nichts?) Wie zufällig 
regte er die Schultern, bemüht, die ihn allmählich drückende 

Stille abzuschütteln. 

Also ist er doch nervös, stellte Garussow für sich fest. Laut 

sagte er: »Nehmen Sie Kenntnis vom Protokoll der stationären 

gerichtspsychiatrischen Untersuchung.« 

Lokunjews Hände zitterten. Der Untersuchungsführer wandte 

sich zum Fenster. Heute hatte er schon vor sieben Uhr an 

diesem Tisch gesessen. Hinter den Scheiben war Spätherbst. 

Und ein verhangener Himmel. Bald, bald würde Schnee fallen. 

Die Bäumen standen längst ohne Laub… 

»Ich hab’s gelesen.« 
»Unterschreiben Sie im Protokoll die Einsichtnahme in das 

Gutachten.« 

Lokunjew malte langsam seinen Namen, wie um Zeit zu 

gewinnen. 

»Ich lese das Ergebnis noch einmal vor. Zur größeren 

Klarheit: ›Auf Grund obiger Darlegungen gelangt die 

Kommission zu dem Schluß, daß Lokunjew zur Zeit an keiner 

psychischen Erkrankung leidet, sondern in der Lage ist, seine 

Handlungen einzuschätzen und zu steuern. Ebenso war er am 

13. September weder von einem chronischen noch von einem 

akuten psychischen Leiden beeinträchtigt. Hinsichtlich der ihm 

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-48- 

zur Last gelegten Tat ist der Patient als zurechnungsfähig 

einzuschätzen.‹ Was sagen Sie dazu? Hm?« 

»Ich weigere mich, den Untersuchungsorganen gegenüber 

Aussagen zu machen. Ich habe den Mord nicht begangen und 
will nicht mehr darüber sprechen. Niemand hat mich gesehen, 

keiner kann etwas behaupten.« Lokunjew richtete sich 

kerzengerade auf und blickte an Garussow vorbei. 

»Warum sind Sie so überzeugt, daß niemand Sie gesehen hat?« 
»Ich war zu Hause.« 
»Dann werfen Sie einen Blick auf die Aussage von Lidija 

Titljanowa.« 

Lokunjew griff hastig nach dem Blatt. Gerade erst hat das 

Gespräch begonnen, und er ist schon am Ende, dachte der 

Untersuchungsführer. Verliert die Ruhe! Wie hektisch er 

zulangt… 

»Sie schreibt, daß sie das Gesicht nicht erkannt hat. Sie konnte 

jeden meinen.« 

»Sie hat Sie  gesehen! Obwohl sie Sie natürlich nicht erkannt 

hat. Es war ja dunkel. Sie sind bis zum Ende des Wohngebiets 

gegangen und dort umgekehrt.« 

»Nein. Niemand könnte das bezeugen. Mich hat keiner 

gesehen. Kein Gericht der Welt erkennt ohne Zeugen für 

schuldig.« 

»Sie meinen sicher: ohne Beweise?« 
»Das ist dasselbe. Es gibt jedenfalls keine Zeugen.« 
»Und wie kam der Passierschein an den Tatort? Und warum 

behaupten Sie, es sei niemand auf der Straße gewesen, wenn Sie 

doch zu Hause saßen?« 

»Ich sage doch: Weil ich zu Hause gesessen habe, hat mich 

keiner gesehen. Und der Passierschein? Keine Ahnung. Ich hatte 

ihn in den Papierkorb geworfen… oder sonstwohin, als ich von 

der Arbeit nach Hause ging… Ja, sicher, ich habe ihn am Freitag 

verloren. Habe irgendwas aus der Tasche geholt und ihn dabei 

mit herausgezogen. Er lag zufällig dort. So war das! Soll man 

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-49- 

mich wegen so eines winzigen Papierchens erschießen, wegen 

nichts?« 

»Wegen  nichts?  Der Passierschein fiel zu Boden, als Sie Ihr 

Notizbuch hervorholten. Und aus dem Notizbuch wollten Sie 
ein paar Blätter reißen, um das Messer abzuwischen. Der 

Passierschein war völlig trocken, als wir ihn fanden, dabei hatte 

es am Sonnabend geregnet, das Gras war naß… Wegen nichts?« 

»Ich entsinne mich nicht. Es hat nicht geregnet.« 
»Lesen Sie das hier.« Garussow hielt ihm einen Bogen Papier 

hin. 

»Was ist das?« Lokunjew schrak zurück. 
»Sie wollen nicht? Dann lese ich es vor. ›Auf Ihre Anfrage teilt 

der Kirower Regionale hydrometeorologische Dienst Ihnen mit, 

daß am 13. September dieses Jahres 0,15 mm Niederschlag 

gefallen sind. Der Regen wurde in der Zeit von 13 Uhr bis 18 

Uhr 50 Minuten beobachtet.‹« 

»Den Passierschein hat jemand hingeworfen, um mich in 

Verdacht zu bringen. Ich war erst in der Sauna und habe dann 

ferngesehen.« 

»Und was haben Sie gesehen?« 
»Im ersten Programm lief der Film ›Ein Glas Wasser‹, im 

anderen die Sendung ›Augenscheinlich – Unwahrscheinlich‹.« 

»Sie haben sich den Film angeschaut?« 
»Ja.« 
»Erzählen Sie, wovon er handelt. Ich habe diesen Film auch 

gesehen.« 

»Ich erinnere mich nicht. Mir tat der Kopf weh.« 
»Wann haben Sie die Sauna verlassen?« 
»Um sechs Uhr abends.« 
»Weiter?« 
»Ich bin nach Hause gegangen.« 
»So? Aber man hat Sie im Laden gesehen.« 
»In welchem?« 

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-50- 

»Das müßten Sie besser wissen. Wenn Sie es nicht sagen 

wollen, hören Sie zu: Nach dem Mittagessen aßen Sie die 
Melone, die Ihre Großmutter gekauft hatte. Danach begaben Sie 

sich in die Sauna. Anschließend gingen Sie in die Verkaufsstelle 

Nummer elf, ›Obst – Gemüse‹, wo Sie etwa eine halbe Stunde 

anstanden und zwei Melonen kauften, für zwei Rubel 

achtundzwanzig Kopeken. Mit den Melonen kehrten Sie gegen 

sieben Uhr abends in Ihre Wohnung zurück. Richtig?« 

»Ja.« 
»Sie geben also zu, in der Verkaufsstelle gewesen zu sein und 

zwei Melonen gekauft zu haben?« 

»Ja.« Lokunjew zog fröstelnd die Schultern hoch. 
»Erinnern wir uns an den Kaufvorgang: Nachdem Sie, wie 

alle, Melonen ausgesucht hatten, legten Sie sie vorschriftsmäßig 

auf die Waage vor der Kassiererin. Die junge Frau tippte den 

Preis ein. Sie nahmen eine der Melonen in die linke Hand und 

bezahlten mit der rechten. Die Kassiererin reichte Ihnen den 

Bon, Sie steckten ihn ganz mechanisch in die Jackettasche, 
ergriffen schnell die zweite Melone und traten zur Seite, an den 

Tisch, wo Sie beide Melonen in Ihr Netz mit der Wäsche legten. 

War es so?« 

»Ja.« 
»Und Sie verloren Ihren Bon an derselben Stelle wie den 

Passierschein, als Sie Ihr Messer aus der Tasche holten.« 

»Ich habe kein Messer hervorgeholt. Ich bin 

spazierengegangen. Und habe ihn verloren. Den 
Kassenzettel…«, stieß Lokunjew nach einer längeren Pause 

hervor. 

»Sie geben also zu, das Haus noch einmal verlassen zu haben?« 
»Ja. Aber mir ist kein Mädchen begegnet. Die alte Titljanowa 

habe ich gesehen…« 

»Möchten Sie das lesen?« 
»Was denn noch?« 

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-51- 

»Das Untersuchungsergebnis über aufliegende Faserspuren. 

Vierzehn Seiten Text. Und ein Schluß, den ich Ihnen doch noch 
verlesen werde: ›Erstens. An der Kleidung der Borowalowa – 

Mantel und Strumpfhose – wurden zehn Fasern gefunden, die 

dieselben Eigenschaften aufweisen wie zwei Fasergruppen im 

Stoff der Hose und des Jacketts Lokunjews. Zweitens. An der 

Kleidung Lokunjews – Jackett und Hose – wurden sieben Fasern 
entdeckt, die mit Fasern aus dem Stoff des Mantels der 

Borowalowa übereinstimmen.‹« 

»Ich habe sie nicht getötet. Sie kam mir entgegen. Ich war in 

Gedanken vertieft. Es war sehr dunkel. Wir sind 

aufeinandergeprallt, und ich habe sie versehentlich gestoßen. Sie 

hat mich ja fast umgerannt.« 

»Sie sind also zusammengestoßen? Und was weiter?« 
»Ich bin sofort heimgelaufen. Ich war erschrocken, hatte den 

Eindruck, jemand verfolgte sie.« 

»Verfolgte sie und stieß fünfmal mit dem Messer zu. Mit 

Ihrem Messer!« 

»Niemand hat mich gesehen.« 
Der Untersuchungsführer holte das aufgeklappte Messer 

hervor. Legte es auf ein sauberes Blatt. Lokunjew starrte es an 

wie von Sinnen. Schließlich flüsterte er kaum hörbar: »Das ist 

nicht mein Messer. Ich sehe es zum erstenmal.« 

»Vor einem Jahr, als Sie noch Schlosser waren, haben Sie es 

selbst im Werk hergestellt.« 

»Nein… Das hat niemand gesehen… Nein.« 
»Wir haben uns an Ihren Betrieb gewandt, an das zentrale 

Chemielabor. Ich lese Ihnen nur einige Passagen vor: ›Die 

Klinge… Mangan 0,2 bis 0,4 %, Kohlenstoff 1,03 %… Dieses 

Material vom Typ SchCh-15 in Form von kaltgezogenen, 

warmgewalzten Bändern und Stäben… ist im Katalog des Werks 
vorhanden. Der Griff des Messers. Kupfergehalt 94 %. Nickel… 

Beryllium… Bronze… Bekommt der Betrieb als Stangen und 

Bänder… Die schwarzen aufgelegten Plättchen… der 

Klebstoff… der Niet, der die Klinge mit dem Griff verbindet… 

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-52- 

Der Schnappstift… seine Zusammensetzung… Der verwendete 

Stahl wird uns in Form von Blättern, Bändern und Draht 

geliefert… Das Lötmaterial…‹ Aber lesen Sie selbst.« 

Mit zitternden Händen nahm Lokunjew die Textseiten, las 

aber nicht, sondern ließ nur seine Blicke gedankenverloren 

darüber hin wandern. Er suchte fieberhaft nach Rettung. Blickte 

sehnsüchtig zur Tür. Und wieder sagte er: »Ich habe sie nicht 

getötet.« 

»Das Messer gehört Ihnen?« 
»Ja, mir. Aber ich habe es vor langer Zeit weggeworfen, in 

einen Laubhaien. Vor drei oder vier Monaten.« 

»Im Sommer? Als die Blätter noch gar nicht gefallen waren?« 
»Vor einem Monat. Da haben irgendwelche Burschen 

gestanden. Oder ein Bursche, ich erinnere mich nicht. Er hat 

beobachtet, wie ich mein Messer weggeworfen habe… in den 
Abflußgraben… Und dann hat er es genommen. Ich habe ein 

anderes Messer. Aus Odessa.« 

»Sowohl dieses Klappmesser als auch das in Odessa gekaufte 

und das Küchenmesser aus der Tischlade – ebenfalls ein 

selbstgefertigtes mit einem Griff aus schwarzem Plast –, sie alle 

waren zum Gutachten. Die Expertise umfaßt nicht mehr und 

nicht weniger als fünfundzwanzig Seiten, hinzu kommen 

sechzehn Fotografien… Hier diese Aufnahmen belegen den 
Charakter der Stiche und Schnitte im Stoff des Mantels, des 

Kleides, des Hemdes und der Strumpfhose… Dort sind die 

Wunden anhand von Hautpräparaten des Opfers bestimmt. Sie 

haben fünfmal zugestochen, und zwar mit diesem Messer und 

mit keinem anderen! Und dann sind Sie zum Wasserhahn 
gelaufen und haben das Messer gereinigt, weil Sie wußten, daß 

man Blut mit kaltem Wasser abwaschen kann. Anschließend 

haben Sie das Messer in den Abflußgraben geworfen… Zu 

Hause war Ihre Abwesenheit nicht bemerkt worden. Sie 

schalteten den Fernseher ein und holten Ihre Großmutter… Sie 

sind ein einzigartiger Feigling! Ein Mädchen niederzustechen… 
Gegen einen Burschen oder gar eine erwachsene Frau hätten Sie 

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-53- 

nicht gewagt, die Hand zu erheben. Ganz zu schweigen von 

einem Mann. Warum haben Sie sich an ihr vergriffen?« 

»Das war nicht ich.« 
»Sehen Sie her.« Garussow nahm das aufgeklappte Messer. 

»Hier, am Gelenk, ist ein Schmiermittel aufgetragen. Sie haben 

das Messer eingefettet, damit es sich besser öffnen und schließen 

läßt. Ist es so?« 

»Ja…« 
»An diesem Schmiermittel wurden bei der Untersuchung der 

Klinge verschiedene Textilfasern entdeckt. In drei von den fünf 

Wunden der Toten fand man ebenfalls Faserspuren. So 

beispielsweise am unteren Rand der Wunde Nummer eins eine 
rote Faser vom Unterrock. In der Tiefe von Wunde Nummer 

zwei und an ihrem Rand schwarze und weiße Fasern. Die 

schwarzen stammen von Ihrem polnischen Anzug, die weißen 

vom Slip des Mädchens. In der Wunde Nummer fünf waren 

Fasern von Ihrem Hemd. Und am Messer, genauer gesagt, in 

dem erwähnten Schmiermittel an seinem Gelenk, klebten Fasern 
vom Mantel und vom Unterrock der Borowalowa und von der 

Hose und dem Jackett Ihres modischen Anzugs, dieses 

polnischen. Nun? Hören Sie, was ich sage?« 

Lokunjew nickte schwach. 
»Kehren wir jetzt zurück zum Ausgangspunkt unseres 

Gesprächs, zum medizinischen Gutachten. Ich zitiere: ›In den 

ersten Tagen auf unserer Station war er verschlossen, ungesellig, 

vermied Kontakte. Dann änderte er sein Verhalten, plauderte 

bereitwillig mit anderen, las Bücher, hörte Radio.‹ In den ersten 

Tagen haben Sie gegrübelt und sich gequält. Zwei Wege gab es 
für Sie. Für welchen sollten Sie sich entscheiden? Sollten Sie ein 

Geständnis ablegen? Sich gegen die Brust schlagen, die Haare 

raufen, weinen, Reue zeigen, zu Kreuze kriechen – ganz gleich, 

was, nur Ihr Leben retten? Ich bin sicher, Sie wissen, daß ein 

Geständnis und Reue vor Gericht als mildernder Umstand 

berücksichtigt werden, ebenso wie die Erstmaligkeit der 
Verübung eines Verbrechens. Sollten Sie also eine Haftstrafe 

akzeptieren, wenn sie auch lang sein würde, aber wenigstens Ihr 

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-54- 

Leben retten? Nein, das genügte Ihnen nicht, sie steckten, wie 

immer, voller Selbstmitleid und wählten die andere Möglichkeit: 
Sie wollten versuchen, sich herauszuwinden, auch der Haft zu 

entgehen. Deshalb beschlossen Sie zu leugnen, alles 

abzuleugnen. Es fehlte ja an Beweisen. Zeugen gab es nicht. Das 

einzige, was Sie fürchteten, war der Passierschein. Aber auch ihn 

hofften Sie, sich vom Halse zu schaffen: hatten ihn in den 
Papierkorb geworfen, auf dem Tisch liegengelassen, verloren… 

Jetzt sind Sie an der Reihe. Erzählen Sie.« 

»Was?« 
»Wie alles geschah. Sie schweigen? Gut, dann werde ich es 

erzählen: Von der Verkaufsstelle gingen Sie nach Hause. Die 
Melonen hüllten Sie unterwegs in Ihr Handtuch, um sie vor 

Ihrer Mutter und der Großmutter zu verbergen. Vor denen, die 

dreißig Jahre für Ihren Unterhalt gesorgt hatten, die von Ihnen 

nach und nach ausgesaugt und ausgeplündert worden waren. 

Denn Ihr eigenes Geld hatten Sie nie beigesteuert, sondern es 

regelmäßig zur Sparkasse gebracht, zurückgelegt für die Zukunft. 
Sie wußten ja, Ihre Angehörigen würden nicht ewig leben… Sie 

schlichen also unbemerkt in Ihr Zimmer. Schlössen sich ein, 

holten Ihr Klappmesser hervor und schnitten sich die erste 

Melone auf… Nach dem Abendessen, um acht Uhr, zogen sich 

Ihre Mutter und die Großmutter zurück, um auszuruhen. Sie 
rollten indessen die zweite Melone unter dem Bett hervor. 

Gegen zwanzig Uhr vierzig oder zwanzig Uhr fünfundvierzig 

schlüpften Sie, nachdem Sie die Schalen und Kerne in eine 

Zeitung gewickelt hatten, unbemerkt in den Flur und von dort 

nach draußen. Sie warfen die Abfälle in den Müllcontalner, 

klappten Ihr Messer auf… Weiter schildern Sie es selbst.« 

Lokunjew erblaßte und stieß plötzlich hervor: »Warum weist 

sie denn jemand ab, ohne seine Seele zu kennen? Wie konnte sie 
mich zurückstoßen? Was die sich eingebildet hat! Vielleicht 

wollte ich mich nur mit ihr bekannt machen…« 

»Ich verstehe nicht.« 
»Was gibt’s da nicht zu verstehen? Ich weigere mich 

auszusagen!« 

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-55- 

»Das ist bereits bedeutungslos.«