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Das Turnier von Xanten 

von Ekkehart Reinke 

scanned by : horseman 

kleser: Larentia 

Version 1.0 

Das große Turnier von Xanten hat begonnen! Die edelsten 
Ritter des Landes erproben ihre Kräfte in spannenden 
Zweikämpfen. Begeistertes Volk jubelt ihnen zu. 
Anerkennend nicken hohe Würdenträger, und schöne 
Damen lächeln verheißungsvoll. 

Zu dieser Zeit ist Roland noch ein bartloser Jüngling. 

Ein unbekannter Anfänger, ein Niemand. 

Wer sollte auch ahnen, daß die Geschichte ihn einmal 

als den hervorragendsten Helden seines Zeitalters feiern 
und ihm den ehrenvollen Beinamen »Der Ritter mit dem 
Löwenherzen« verleihen wird? 

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Noch ist Roland nur einer der  drei Schildknappen des 

Ritters Sigurd. Dieser erfahrene Mann ist zu seinen Leuten 
milde wie ein Vater, doch wild wie ein Tiger im Kampf und 
feurig wie ein Vulkan in der Liebe! Roland verehrt ihn 
glühend. Doch vom Kampf versteht er noch wenig und 
von der Liebe gar nichts. 

Das wird sich bald ändern ... Als Sigurds Stern in 

schwindelnde Höhen steigt, um jählings zu erlöschen ... In 
diesem Augenblick setzt Rolands erstes Abenteuer ein. 

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Der Tag, an dem Reginhar den Tod fand, begann mit einer freudigen 
Überraschung. 

Als er in der Frühe eine aufgewärmte Rindersuppe löffelte, trat der 

Wirt der Herberge an ihn heran und räusperte sich mehrmals. 
Reginhar sah auf. Der Wirt verbeugte sich ungelenk. 

»Hoher Herr, Euer Pferd ist völlig erschöpft. Es braucht mehrere 

Tage Erholung. Sonst wird es nach wenigen Meilen lahmen!« 

»Aber ich muß spätestens morgen in Xanten sein.« 
Der Wirt lächelte und zeigte auf das schmale Fenster. »Wenn Ihr 

einmal nach draußen schauen wollt...« 

Draußen führte der Stallbursche einen schwarzen Araberhengst am 

Zügel. Reginhar beobachtete das Spiel der Muskeln unter der 
seidigen Haut, sah die schmalen Fesseln, die hohe Kruppe, die klug 
aufgestellten Ohren, die langen Beine. Der Hengst war ein geborener 
Renner! 

»Mit den besten Empfehlungen von...«,  sagte der Wirt und nannte 

den Namen eines Ritters aus der Umgebung. »Wenn Ihr ihn 
gelegentlich beim König erwähntet...« 

»Natürlich, das werde ich tun«, sagte Reginhar laut. Oder auch 

nicht, dachte er. König Artus haßte jede Günstlingswirtschaft. Wozu 
ihm mit solchen Lappalien kommen? 

Der Araber hörte auf den Namen »Rih«. Jeder Kreuzritter kannte 

das Wort. Es hieß  - der Wind. Rih war gleichbedeutend mit 
Schnelligkeit. 

Den ganzen Tag über  - seinem letzten auf dieser Erde  - war 

Reginhar in Hochstimmung. Nach kurzer Zeit der Eingewöhnung 
erwies sich Rih als Traumpferd. Es trug ihn im fließenden Galopp 
durch das frühlingsschöne Land, doppelt so schnell wie die Klepper, 
die er in den ersten zwei Wochen seiner Reise geritten hatte. 

Gegen Abend stürmten sie, die untergehende Sonne im Rücken, 

einen lichten, sanft abfallenden Waldpfad entlang, der allmählich 
zum Hohlweg wurde. Jeden Augenblick mußte die Stadt Xanten vor 
ihnen auftauchen. 

Der Hohlweg wurde schmaler und tiefer. Laub vom vergangenen 

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Jahr raschelte unter den Hufen. Rih schnaubte und ging nur im 
Schritt. Seine Flanken zitterten. Lange Schatten verdüsterten das 
Bild. Doch Reginhar spürte keine Bedrohung. Er schwelgte in 
Vorfreude. Der Turnierfürst würde ihn begeistert empfangen. Er 
dachte an ein herrliches Festmahl, und das Wasser lief ihm im 
Munde zusammen. 

Da schob sich von der Seite ein Reiter in den Weg, und eine Lanze 

stoppte Rihs Schritt. 

»Gebt den Weg frei, wer Ihr auch seid!« rief Reginhar zornig. »Ich 

bin ein Herold des Königs!« 

»Das sehe ich«, entgegnete der düstere Ritter mit der Lanze. »Ihr 

tragt ja das Heroldshemd und keinerlei ritterliche Waffen. Sagt an: 
Was für Kunde bringt Ihr von Artus?« 

»Das werde ich morgen beim Turnier in Xanten bekanntgeben.« 
»Ach, wirklich?« Blitzschnell vergewisserte sich der fremde Ritter, 

der einen dunklen Schild ohne Wappen in der Linken hielt, daß der 
Herold wirklich waffenlos war. »Ich rate Euch gut. Sagt mir Eure 
Kunde, wenn Euch Euer Leben lieb ist!« 

Da wußte Reginhar, daß es Ernst wurde, und er spürte die Nähe 

des Todes. Die Drohung war ungeheuerlich, denn niemand durfte 
einen Herold antasten. Aber von diesem düsteren Mann ging eine 
seltsame Spannung aus. Reginhar war wie gelähmt. All sein Mut 
verließ ihn. Seine sonst so metallische, weithin tragende 
Heroldsstimme klang brüchig, als er dem Fremden seine Botschaft 
enthüllte. Sie war kurz, streng gefaßt, bedeutungsvoll für die 
Ritterschaft und voll Weisheit. Der düstere Mann hob die Lanze und 
stieß einen Ruf der Überraschung aus. 

Dann gab er den Weg frei. »Reitet weiter, Herold«, befahl er. 

»Gebt Eurem Araber die Sporen! Diese Botschaft duldet kein 
Verweilen. Lebt wohl!« 

Reginhar seufzte erleichtert und klopfte dem Araber den Hals. Mit 

einem Schenkeldruck forderte er das edle Tier zum Angaloppieren 
auf. Rih  gehorchte unverzüglich. Als Reginhar an dem düsteren 
Ritter vorbei war, stieß der ihm die Lanze von hinten in die linke 

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Brustseite. 

Der Herold tat keinen Atemzug mehr. 

Es war ein neuer Tag, eine neue, frische Sonne auf taufeuchter 
Wiese, und die Trompeten riefen zur Fortsetzung des Turniers. 
Tausende von Bürgern lagerten auf den natürlichen Erdwällen rings 
um das grasbedeckte ebene Turnierfeld, auf dem schnaubende Pferde 
mit gepanzerten Reitern gegeneinander jagten, Lanzen splitterten, 
Körper durch die Luft flogen, Wunden aufsprangen, Farben glühten 
und Manneskräfte Bewunderung forderten. 

Eine fahnengeschmückte hölzerne Tribüne diente dem Adel und 

seinen Damen als Beobachtungsplatz. An den Schmalseiten waren 
die weißen Zelte der teilnehmenden Ritter aufgeschlagen. Dort 
wurden Pferde gesattelt, Wunden behandelt, Speisen ausgegeben und 
Kampftaktiken beraten. 

Roland ging umher wie in einem Traum. Es war sein erstes 

Turnier, und das Geschehen überwältigte ihn. Er trug die Farben des 
Ritters Sigurd, dessen jüngster Schildknappe er war: rot und gelb. 

Wenn Sigurd aufs Turnierfeld ritt, um mit einem Gegner die Kräfte 

zu messen, schlug Roland das Herz bis in den Hals hinauf. So 
intensiv war er in Gedanken dabei, daß er sogar Schmerz empfand, 
wenn Sigurd im Kampf getroffen wurde. 

Roland empfand körperlich den wuchtigen Lanzenstoß des Ritters 

vom grünen Helmbusch, den Sigurd mit dem Schild auffing. Wie 
gelähmt war sein linker Arm, bis sein Herr den Gegner ungestüm aus 
dem Sattel schleuderte. 

Der nächste Herausforderer trug einen dreiköpfigen Falken im 

Wappen. Seine Lanze traf Sigurd hoch an der Schulter. Roland fühlte 
den Schlag bis in die Rippen. Doch der Krampf löste sich, als er sah, 
wie der mit dem Falken das Gleichgewicht verlor und seitlich an 
seinem Pferd in den Rasen sank. 

Da schrie Roland laut vor Begeisterung. Sein Jubel steckte die 

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Umgebung an. Wie er mit seinem Herrn litt, so triumphierte er auch 
mit ihm. Sigurd war für ihn wie ein Vater. Er bewunderte ihn über 
alle Maßen. Der Ritter aus dem Westerwald war sein Vorbild. Und 
doch hätte er es nie für möglich gehalten, daß Sigurd sich unter all 
diesen stolzen, ruhmbedeckten, glänzenden Rittern behaupten 
konnte. 

Denn Sigurd war fast einen Kopf kleiner als die meisten anderen 

Turnierteilnehmer. Wohl war er untersetzt, stämmig und muskulös. 
Niemand schätzte ihn anfangs hoch ein. Nicht einmal seine Knappen 
glaubten an Erfolge. Schon sein Aufzug sprach von Armut. Der 
Schild war zerhackt, der Helmbusch zerfleddert, die Rüstung von 
vielen empfangenen Streichen zerbeult. 

Wie zum Trotz eilte er an diesem Tag der strahlenden Sonne von 

Sieg zu Sieg, und die Zuschauer begannen, auf »den armen Ritter« 
aufmerksam zu werden. 

Den Kuno von der Trutzburg fegte er beim ersten Aufeinanderprall 

meterweit vom Pferd. 

Dessen Freund Axel wollte die Niederlage rächen und brachte 

Sigurd auch ins Wanken. Aber beim zweiten Gang verlor er die 
Steigbügel und plumpste wie ein Sack zu Boden. Seine Knappen 
schleiften ihn, da er reglos liegenblieb, zum Wundarzt. Der verband 
ihn. 

Der nächste Gegner kam aus Burgund, und sein Helmbusch wallte 

prächtig tief in den Nacken hinunter. Er ritt in verwegenem Tempo 
an, zersplitterte seine Lanze an Sigurds zerhacktem Schild und 
wurde, da er waffenlos blieb, vom Marschall zum Verlierer erklärt. 

»Es lebe der arme Ritter!« schrien die Zuschauer. 
Und eine Woge des Stolzes überkam Roland. Er war unentwegt in 

Bewegung, verfolgte jede Bewegung seines Herrn und versorgte ihn 
zwischen den Kämpfen. 

Er hob ihn vom Pferd, wenn er zum Zelt zurückgeritten kam, 

beglückwünschte ihn und fügte oft eine Kritik hinzu, die sein 
scharfes Auge für ritterliche Kunst bewies: »Ihr hieltet die Lanze 
eine Kleinigkeit zu tief, Ritter, sonst wäre auch der Burgunder 

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gepurzelt!« 

»Gib mir zu trinken«, befahl Sigurd. Er hatte den Helm 

abgenommen. Sein braungebranntes Gesicht mit den schroffen 
männlichen Zügen troff von Schweiß. 

Roland rannte, füllte Wein in ein Horn, setzte eiskaltes 

Quellwasser dazu und reichte es seinem Herrn. Er holte feuchte 
Lappen zur Kühlung,  bot ein gebratenes Huhn an und rieb das Pferd 
trocken. Er tat dreimal soviel wie die beiden anderen Knappen 
zusammen, die doch schon an mehreren Turnieren teilgenommen 
hatten. 

Und traf die nächste Herausforderung ein, so konnte Roland 

seinem Herrn einiges  über die Kampfstärke und die besondere Taktik 
des Gegners ins Ohr flüstern. Denn bei aller Geschäftigkeit behielt er 
doch immer im Auge, was sich auf dem Turnierfeld tat. 

Als sich der Tag neigte, hatte Sigurd neun Kämpfe siegreich 

bestanden und keinen verloren. Er atmete schwer. Schweiß tränkte 
ihn ganz und gar. Die Glieder schmerzten ihn von den Stößen, die er 
erhalten hatte. Sein Leib war von blauen Flecken und Prellungen 
übersät. Aber sein Ruhm hatte sich sichtbar gemehrt. 

Die Leute merkten auf, wenn er  einritt. Sie bejubelten seine 

Attacken. Sein Name sprach sich herum. Bald wußten es bis zum 
letzten Lehrjungen alle aus der Stadt, daß der »arme Ritter« Sigurd 
hieß und von der Schauburg kam. Sie schwenkten die Arme und 
riefen seinen Namen, wenn er wieder einen Gegner überwältigte. 

Plötzlich ein lautes Trompetensignal, sechsmal wiederholt. Stille 

senkte sich über den weiten Platz. Auf den Tribünen erstarb der 
Klatsch, nur die Fächer der Damen blieben in zitternder Bewegung. 

Der Turniermarschall erhob seine Stimme. 
»Achtung, Achtung! Für den Endkampf des Turniers bitte ich jetzt 

die beiden einzigen unbesiegten Ritter dieses Tages in die 
Schranken.« Und wieder die Pause, während der Wald die letzten 
Worte als Echo zurückbranden ließ. 

»Ritter Sigurd!« Gemessen setzte sich das Pferd des 

Westerwaldmanns in Bewegung. Im Sattel saß Sigurd wie aus 

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Bronze gegossen, das Haupt hoch erhoben, noch mit offenem Visier 
der Helm, den er seit vielen Jahren getragen. 

»Sir Galahad!« Da wurde der Jubel zum Wirbelsturm. Sir Galahad 

war ein hochberühmter Ritter, der Abgott der Massen und Liebling 
der Damen. Ein Gesicht wie ein Adler, der Körper eines Athleten, 
ein prachtvolles Roß zwischen den Schenkeln  - so ritt der Held der 
Normannen in die Ebene bei Xanten. Nicht weniger Gegner als 
Sigurds hatte seine Lanze heute das Stürzen gelehrt. Nun verlangte 
ihn es nach der Krone des Tages. 

Er gab seinem Schimmel die Sporen. Das Pferd stieg vorn in die 

Luft, als begrüße es die Menge. Und da war klar, wem die Tausende 
auf den Wällen, die  Höflinge und die schönen Damen auf der Galerie 
den Triumph gönnten.  Sir Galahad war aller Favorit.  Und ein junger 
Bursche in verwegenem Lederanzug, den langer Gebrauch abgewetzt 
hatte, schwang einen Beutel und rief: »Fünf Dukaten auf Sir 
Galahad! Ich wette fünf Dukaten auf Sir Galahad! Wer hält 
dagegen?« 

Die Umstehenden lachten. Gar zu komisch erschien ihnen der 

Gedanke, irgend jemand könnte Galahad in den Staub zwingen. 
Einer rief scherzend: »Keinen Pflaumenkern verwette ich auf den 
armen Ritter! Er führt seine Lanze ganz nett, aber Galahad wird ihn 
Stück für Stück auseinandernehmen. Hier ist weit und breit keiner, 
der Sir Galahad die Stirn bieten kann.« 

Indessen näherten sich die beiden unbesiegten Ritter der Tribüne 

des Fürsten und hielten ihre Pferde unter seiner Loge an. Wieder 
wurde ein Signal geblasen. Erwartungsvolle Stille senkte sich über 
die Menge. Tief stand die Sonne. Der Fürst hob die Hand. Sigurd 
grüßte, indem er die Lanze ganz ausstreckte. Galahad reckte sich in 
den Steigbügeln. Riesenhaft wirkte er neben dem untersetzten 
Gegner. Mit der freien Hand warf der Liebling der Menge einer 
braunhaarigen Dame vom Hof ein Blumengebinde zu. 

Tiefe Röte überzog das Gesicht der hübschen Dame. Der berühmte 

Ritter hatte sie vor aller Augen geehrt. Für sie würde er kämpfen, ihr 
würde er den Sieg weihen  - ihr, dem Burgfräulein Gerhild! Wie man 

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sie ringsum beneidete! Gar manche Dame hatte im stillen gehofft, Sir 
Galahad werde sie erwählen. Wenn Galahad den armen Ritter warf  -, 
und daran bestand wohl kein Zweifel  - würde Gerhild die ungekrönte 
Königin des Turniers sein! 

Erneutes Trompetengeschmetter! Die beiden Helden drehten ihre 

Rösser und begaben sich zu den Schmalseiten des Feldes. Sigurd ritt 
im Schritt. Zögernd sah es aus, als nähme er nur widerwillig  das 
Duell auf. Galahads Schimmel aber wurde übermütig. Wieder und 
wieder stieg er mit den Vorderhufen in die Luft. Oh, er und sein 
Reiter boten ein Bild der Schönheit und Kraft, das den Zuschauern 
viele anerkennende Zurufe entlockte. 

Schwer wie ein Feldstein lag Roland bei diesem Anblick das Herz 

in der Brust. Wie allein, wie einsam, wie unrettbar verloren wirkte 
jetzt Sigurd von der Schauburg! Und doch mußte er seinen 
ermüdeten, zerschundenen Körper noch einmal zu letzter, zu 
äußerster Kraftanstrengung zwingen. 

Wie gern hätte ihm Roland geholfen. Wie verlangte es ihn danach, 

an seiner Seite zu reiten, ihn mit dem Schild zu decken und 
vernichtende Schläge für ihn auszuteilen. 

Der Gedanke, daß Sigurd jetzt unweigerlich unterliegen würde, 

schien ihm unerträglich. Eine Niederlage in diesem höchsten 
Augenblick, nur eine Elle vom Triumph entfernt, war bitter wie Gift. 
Heute morgen noch hatte Roland höchstens auf ein, zwei schnelle 
Siege gehofft und ein frühes Ausscheiden seines Herrn erwartet. Und 
jetzt streckte Sigurd die Hand nach dem Lorbeer aus! 

Roland wußte, daß dies der größte Augenblick seines Lebens war, 

daß sich hier seine ganze Zukunft entschied ... 

Aber was konnte er tun? 
Da begegnete er dem spöttischen Lächeln im Gesicht des jungen 

Mannes im abgewetzten Leder. Und er hörte wieder den 
herausfordernden Ruf: »Ich setze fünf Dukaten auf Sir Galahad! Wer 
hält dagegen?« 

»Ich!« hörte sich Roland zu seiner eigenen Verwunderung 

schreien. 

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Viele Köpfe wandten sich nach ihm um. Gelächter drang an seine 

Ohren. Halb mitleidig, halb verächtlich sah der junge Mann ihn an. 
»Bist du nicht der Knappe des armen Ritters? Woher willst du wohl 
fünf Dukaten nehmen?« 

»Aber ich habe sie!« rief Roland und griff mit der Hand unter sein 

Wams. Er fühlte den ledernen Brustbeutel auf der nackten Haut. 
Schnell fischte er fünf Goldstücke heraus. Es war sein ganzer Besitz 
auf Erden. 

Drei hatte er vom Vater  - sein Erbe. Einen von dem Einsiedler 

Klaus, der ihn in Sprache und Naturkunde unterrichtet hatte  - ein 
Geschenk. Und der fünfte  - das war sein Lohn für ein Jahr Dienst bei 
seinem Ritter. 

Und jetzt wollte er sie aufs Spiel setzen. Nur so, kam es ihm vor, 

könnte er Unheil von Sigurds Haupt wenden und das Schicksal 
übertölpeln. Alles gewagt und alles gewonnen  - flüsterte ihm eine 
innere Stimme ins Ohr. 

Wenn er die Wette gewann  - das Glück war nicht auszudenken. 

Mit zehn Dukaten, die ihm dann gehörten, konnte er sich ein Pferd 
kaufen, wovon er seit langem schon träumte. Denn der arme Ritter 
hatte ihm bisher nur einen Maulesel zur Verfügung stellen können  - 
und kein Schildknappe, der hochfliegende Zukunftsträume von 
Heldentaten hegte, ritt gern auf einem häßlichen Maulesel durch die 
Lande und duldete den Spott der anderen. 

Erstaunen malte sich in den gebräunten Zügen des fremden 

Jünglings. Doch rasch griff er nach den Münzen, musterte jede 
argwöhnisch von beiden Seiten, biß kritisch darauf und ließ sie in 
hohler Hand gegeneinanderklingen. Nun schien er beruhigt. Die 
Münzen waren echt. »Die Wette gilt!« rief er und fügte hinzu: »Wer 
hütet für uns den Einsatz?« Ein kleiner Kerl mit Wieselkopf meldete 
sich und nahm mit übertriebener Feierlichkeit das Geld entgegen. 
»Ich will es getreulich für den Sieger aufbewahren«, versprach er mit 
treuherzigem Blick aus den blauen Augen, in denen kein Falsch zu 
wohnen schien. 

Doch da ein Schrei aus vielen tausend Kehlen! Die beiden Ritter 

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galoppierten aufeinander los, erst langsam, dann immer schneller. 
Unausweichlich kamen sie einander näher, und die Menge schaute 
sich die Augen aus und hielt den Atem an. Der Kampf hatte 
begonnen. 

Die meisten rechneten damit, daß der riesenhafte Schimmelreiter 

seinen Gegner in den Boden rammen werde. Auf der Tribüne drückte 
das Burgfräulein beide Daumen für ihren Ritter, bis die 
Fingerknöchel weiß wurden.  Gib's ihm, Sir Galahad, dachte sie mit 
entflammter Leidenschaft  - gib's dem Barbaren! Und sie sah sich 
schon am Arm des Siegers in den Bankettsaal des Fürsten schreiten 
und hörte ringsum im Geist flüsternde Stimmen: Was für ein 
wunderbares Paar... Wie schön sie ist und wie stattlich ihr Kavalier ... 

Indessen schöpfte Roland Hoffnung. Denn je ungleicher die 

Gegner erschienen, um so mehr stiegen Sigurds Chancen. Der Mann 
aus dem Westerwald kannte natürlich den berühmten Galahad genau, 
vom Sehen wie vom Hören. Verbreiteten nicht sogar die Sänger in 
den Burghallen und Wirtsstuben die Kunde über Galahads Taten und 
seine Lieblingstechniken im Turnier? 

Dagegen wußte Galahad nur sehr wenig oder fast gar nichts über 

seinen Widersacher. Bestimmt würde der ihn unterschätzen, dachte 
Roland. Und darin mochte der Keim eines sensationellen 
Kampfausgangs liegen. 

Wie stets ging der Draufgänger Galahad von vornherein aufs 

Ganze. Er wollte das Turnier im ersten Ansturm beenden. Er stieß 
dem Schimmel die Sporen in die Weichen, daß er sich willig 
streckte. Nur wenige Galoppsprünge noch  - und die Kämpfer würden 
sich in der Feldmitte treffen. Wenn Stahl auf Stahl prasselte, würde  - 
so glaubten die meisten  - Galahads überlegene Kraft, verstärkt durch 
den Schwung des schnelleren Pferdes, den Widerstand des armen 
Ritters sogleich brechen. Galahad drückte den Lanzenschaft in die 
Armbeuge, nahm Maß ... und stutzte. 

Kaum wollte er seinen Augen trauen. Und doch ... Er irrte sich 

nicht. Sigurds Kopf war ungedeckt. Er hatte vergessen, sein 
Helmvisier zu schließen! Noch nie hatte Galahad einen so 

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grundlegenden Fehler bei einem Turnier erlebt. 

Nur die Angst konnte Sigurd so verwirrt haben. 
Mit blitzschnellem Entschluß riß Galahad die Lanzenspitze nach 

oben. Diese Chance durfte er sich nicht entgehen lassen. Da spürte er 
auch schon Sigurds Lanze in der Hüfte  - ein reißender Schmerz, den 
er gewohnt war und der so schnell verging, wie er kam. Die eigene 
Lanze aber glitt ins Leere. Im letzten Augenblick hatte Sigurd den 
Oberkörper zur Seite gelegt und so den Kopf aus der Gefahrenzone 
gebracht. 

Reingefallen! dachte Galahad, wütend über sich selbst. Muß ich als 

erfahrener Turnierritter auf den Visiertrick eines Hinterwäldlers 
hereinfallen?! 

Er lenkte den Schimmel in weitem Bogen herum und jagte erneut 

auf Sigurd zu, der inzwischen das Visier heruntergeklappt hatte. Jetzt 
zielte Galahad auf Sigurds Körpermitte. Doch der parierte mit 
Umsicht. Geschickt hielt er den Schild schräg, so daß die 
Lanzenspitze gefahrlos abglitt. 

Im selben Moment erschütterte ein gewaltiger Schlag Sir Galahad 

bis in die Zehenspitzen. Vor seinen Augen tanzten Sterne in allen 
Farben des Regenbogens einen irren Reigen. Er hatte das Gefühl, 
ihm werde der Kopf vom Körper gerissen. Reaktionsschnell straffte 
er die Nackenmuskeln und fühlte schon, wie er langsam hintenüber 
sank. Durch die Sehschlitze schaute er jetzt in den rötlichen 
Abendhimmel. Seine Hand verlor den Zügel. 

Unglaubliches geschah vor erstaunten Augen! Sir Galahad wurde 

aus dem Sattel geworfen! 

Ein Raunen ging durch die Menge. Auf der Tribüne schlug Gerhild 

die Hände vors Gesicht. An den Schranken riß Roland übermütig die 
Arme in die Höhe. 

Sigurd parierte sein Pferd durch und riß es auf der Hinterhand 

herum. Er hatte getroffen! Seine Spannung löste sich. Schon drängte 
sich der Triumphschrei auf seine Lippen. Doch da ... 

Da strauchelte seine braune Stute. Die Wende war zu eng. Zwei 

verzweifelte Sprünge, dann brachen ihr die Vorderbeine ein, und 

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auch Sigurd konnte sich nicht mehr im Sattel halten. 

Fast gleichzeitig rappelten sich die Gegner auf. 
Quer übers Feld spurtete Roland auf seinen Herrn zu, um ihm sein 

Schwert zu bringen. Nicht eine Sekunde hatte er versäumt, als er 
Sigurds Sturz sah. 

Nun kamen auch von mehreren Seiten Galahads Knappen 

angerannt. Keiner war so schnellfüßig wie Roland. Doch sie hatten 
den kürzeren Weg. 

Gleich darauf standen sich die Ritter mit blanken Schwertern 

gegenüber. Im nächsten Augenblick würden sie übereinander 
herfallen. 

Doch ein mahnendes Trompetensignal zwang sie zum Einhalten. 

Der Turniermarschall ritt heran und rief befehlend: »Die Schwerter 
herunter, edle Herren! Die Regeln des Tages verbieten, wie 
jedermann weiß, den Kampf zu Fuß. Drum laßt es für heute genug 
sein. Morgen soll der Kampf mit  frischen Kräften fortgesetzt werden 
- bis zur Entscheidung. Wir erwarten Euch und alles Volk auf diesem 
Platz um zehn Uhr früh!« 

Nur widerwillig schienen die Ritter sich dem Machtwort zu fügen. 

Für die Menge sah es so aus, als beschimpften sie sich einander, 
bevor sie sich trennten und jeder seinem Zelt entgegenschritt. 

Eine halbe Stunde später stieg Sigurd hinter der weißen Leinwand 

in einen Zuber mit heißem Wasser. Auf die Fragen seiner Getreuen 
erklärte er: »Was ich Sir Galahad ins Gesicht geschleudert  habe? 
Daß der Marschall ihn vor der sicheren Niederlage bewahrt hat. 
Denn eigentlich war er schon besiegt. Er saß mindestens drei 
Sekunden eher auf der Erde als ich. Doch was soll's? Es war mein 
eigener Fehler. Merkt's euch, Knappen: Triumphiert nie zu früh. Nur 
wer warten kann, erringt die Palme.« 

Just in diesem Augenblick wurde Besuch gemeldet. Vor dem 

Eingang drängten sich die Knappen der neun Ritter, die von Sigurd 
im Laufe des Tages besiegt worden waren. Sie brachten das von der 
Turnierleitung festgesetzte Lösegeld. Es betrug zwanzig Dukaten für 
jeden. Der arme Ritter konnte sie wahrlich gut gebrauchen. 

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Als Roland etwas von Dukaten hörte, schlug er sich mit der 

flachen Hand vor die Stirn. Im Trubel der Ereignisse hatte er ganz 
seine Wette mit dem fremden Jüngling vergessen. Blitzschnell ver-
schwand er aus dem Zelt und eilte auf die Wiese. Er suchte zwischen 
Erdwällen, Zeltgassen, auf Wegen und im nahen Wald nach dem 
Fremden. 

Hunderte von Zuschauern waren noch unterwegs oder standen 

diskutierend in Gruppen herum. Den Fremden, den er suchte, fand er 
nicht. 

Doch so schnell gab Roland nicht auf. 

Noch bevor die Kampfhandlungen begonnen hatten, verließ der 
kleine, wieselflinke Mann mit dem treuherzigen Blick seinen Platz 
an den Schranken. Während alle anderen wie gebannt dem Duell auf 
der Wiese folgten, verdrückte er sich rasch in der Menge. Schnellen 
Schrittes entfernte er sich vom Turnierplatz und tauchte in dem 
riesigen Wald westlich von Xanten unter. Bei einer großen Eiche am 
Rande der ersten Lichtung blieb er stehen und wartete. 

Seine Geduld wurde auf keine harte Probe gestellt. Nach wenigen 

Minuten gesellte sich der Jüngling im abgewetzten Wildleder zu ihm. 
Hastig fragte der Neuankömmling: »Du hast doch das Geld bei dir?« 

»Natürlich, Louis«, erwiderte der Kleine. 
»Dann gib es her!« 
Zögernd folgte der andere der barschen Aufforderung. Er druckste 

ein wenig herum, bis er mit der Frage herausplatzte: »Wollen wir 
nicht gleich teilen, Louis?« 

»Teilen? Selbstverständlich. Wie immer  - sobald die ganze Bande 

versammelt ist!« 

Das Wiesel zwinkerte nervös. »So meinte ich es eigentlich nicht, 

Louis. Warum könnten wir beide nicht gleich ... ? Meinetwegen 
behalte du acht Dukaten, und gib mir vier. Die anderen wissen doch 
nichts von diesen Moneten!« 

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»So steht es also mit dir, Alfons?« Louis schüttelte mit finsterer 

Miene den Kopf. »Willst du die eigenen Kumpane betrügen und 
ausgerechnet deinen Hauptmann zum Mitschuldigen machen? 
Heiliger Donner, wie kann ein Räuber nur so unehrlich sein?!« Und 
gleichsam zur Strafe versetzte er dem Wiesel eine klatschende 
Ohrfeige. 

Es dauerte nicht lange, und die übrigen Kumpane stellten sich an 

der Eiche ein. Es waren meist junge Männer, aber das wilde, 
gesetzlose Leben, das sie führten, hatte den Gesichtern schon seinen 
Stempel aufgedrückt. Louis sah in verschlagene Mienen, begegnete 
stechenden Augenpaaren und erkannte gierige Gelüste. Sie waren 
eine bunt zusammengewürfelte Horde, zerlumpt, abgerissen und 
ohne Hemmungen. Nichts war ihnen heilig. 

Höchstens das Wort ihres Hauptmanns. Vor ihm zitterten sie alle. 
Während sie miteinander schwatzten, kletterte einer auf den Wink 

des Hauptmanns katzengleich zum Wipfel der Eiche empor. 

Louis hatte seine speckige Mütze auf den Waldboden gelegt, und 

da hinein warfen sie die Münzen, die sie während des Turniers 
ehrenwerten Bürgern und Handwerkern aus der Tasche gezogen 
hatten. Es kamen etwa vier Dukaten zusammen. Louis nahm die 
ganze Summe an sich, ohne daß einer murrte. Nur Alfons berechnete 
in Gedanken, wieviel Geld der Anführer bereits bei sich trug. 

»Hört zu, Kumpane!« begann Louis mit seiner ausdruckslosen 

Stimme, die dennoch jeden immer wieder in Bann schlug. »Die 
Leute befinden sich jetzt alle auf dem Heimweg. Manch einer ist 
mutig und dumm genug, einen Abkürzungsweg durch den Wald 
einzuschlagen. Wir bilden zwei oder drei Gruppen und legen uns auf 
die Lauer. Keiner soll ungerupft von dannen ziehen, der durch unser 
Revier kommt. Aber laßt die Messer stecken! Wir sind ehrliche 
Räuber und vergießen kein Blut! Sobald wir Gewalttaten begehen, 
wird man uns für vogelfrei erklären. Und dann kann uns jeder 
erschlagen wie einen tollen Hund und bekommt noch obendrein ein 
paar Dukaten dafür!« 

Er hatte eben geendet, da prasselten Äste auf ihn hernieder. Der 

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Späher kehrte von seinem luftigen Ausguck in der Eiche auf die Erde 
zurück. 

»Was gibt's?« fragte Louis. 
»Von Sonnenuntergang her kommt ein vornehmer Herr geritten«, 

meldete der Späher aufgeregt. »Er steuert genau auf uns zu und wird 
in wenigen Minuten hier sein.« 

»Ist er bewaffnet?« 
»Ja. Doch trägt er die Lanze nicht im Arm, sondern hat sein 

Packpferd mit ihr beladen. Über dem Kettenhemd trägt er einen 
kurzen Dolch.« 

Diese Worte stachelten die Bande zu hektischer Tätigkeit an. Dies 

versprach bessere Beute als die heimkehrenden  Stadtbewohner. Vier 
Männer kletterten in die Bäume und verbargen sich im Blattwerk der 
unteren Äste. Vier andere, darunter das Wiesel, schlugen sich in 
seitlich wachsende Büsche und waren ebenfalls bald »unsichtbar«. 

Louis blieb allein auf der Lichtung. Gespannt blickte er in die 

Richtung des Sonnenuntergangs. Dämmerung fiel zwischen die 
Stämme. Unter den Bäumen war es fast schon Nacht. Nur auf der 
Lichtung verharrte noch zögernd der Tag. 

Gedämpfter Hufschlag klang auf. Der angekündigte Reiter 

erschien. Von seiner Vornehmheit kündete schon der wertvolle 
Araberrappe, auf dem er saß. Nie zuvor hatte Louis ein so edles 
Pferd gesehen. Kein Turnierritter besaß ein wertvolleres Pferd. 
Unheimlich düster wirkte der Reiter vor dem Hintergrund des 
nächtlichen Waldes auf den Räuberhauptmann. Als er Louis 
erblickte, zügelte er den Rappen, legte sich über dessen Kruppe und 
sprach: »Sag an, guter Mann, wo entlang geht es zum Turnierplatz 
von Xanten?« 

»Erlaubt mir die Ehre, Euch dorthin zu geleiten«, entgegnete Louis 

gewandt. 

»Dann spute dich«, sagte der Reiter und setzte Reittier und 

Packpferd wieder in Bewegung. »Mir knurrt der Magen, und ich 
möchte mich so schnell wie möglich am süßen Wein gütlich tun. 
Mach deinem Hintern Beine!« 

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Louis wandte  sich um und trabte los. Er wirkte erschrocken. Der 

Reiter folgte ihm. Louis führte ihn unter die Bäume, auf denen die 
vier Kumpane hockten. 

»Auf ihn!« brüllte Louis. 
Unverzüglich raschelte es rings in den Büschen, und vier verwegen 

aussehende Kerle standen, wie aus dem Boden gewachsen, vor dem 
Reiter. Einer fiel dem Rappen in die Zügel, einer packte das 
Zaumzeug des Packpferdes, und die beiden anderen schwangen 
drohend ihre dicken Knüppel. 

»Aus dem Weg ihr Schurken!« schrie der Reiter. »Und 

verschwindet mir aus den Augen, sonst bringe ich euch alle an den 
Galgen!« 

Louis war stehengeblieben. Er faßte den Reiter scharf ins Auge 

und sprach: »An den Galgen? Uns arme Kinder des Waldes? So 
gemein könnt Ihr doch nicht sein!« 

»Du steckst also mit dem Gesindel unter einer Decke, du Lump? 

Sag ihnen, daß sie sofort die Pferde loslassen!« 

»Sagt es ihnen doch selber, edler Herr!« 
Doch dazu kam es nicht mehr. Denn in diesem Augenblick 

sprangen die Burschen von den Bäumen auf den Reiter herunter und 
rissen den völlig Überrumpelten vom Pferd. Er stürzte in den 
weichen Waldboden. Die Räuber packten seine Arme und Beine und 
preßten sie ins Moos. 

»Was wollt ihr Strolche von mir?« entrüstete sich der Wehrlose. 
»Nur Euer Geld, edler Herr«, erklärte Louis in höflichem Ton. 

»Denn seht, auch uns knurrt der Magen. Doch niemand harrt mit 
gedeckter Tafel auf uns, damit wir uns gütlich tun.« 

»Laßt mich los, ihr Teufel! Sofort! Danach können wir immer noch 

über Geld reden. Wenn du mich sicher zum Zelt des Sir Galahad 
führst, will ich Gnade vor Recht ergehen lassen. Dann schenke ich 
dir einen Viertelgulden und lasse dich laufen  - obwohl du es gewiß 
nicht verdient hast!« 

Die Banditen brachen in lautes Gelächter aus. Indessen nahm der 

vornehme Herr all seine Kraft zusammen und versuchte, sich 

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loszureißen. Aber da ließen die beiden, die noch untätig 
dabeigestanden hatten, ihre Knüppel fallen, knieten neben dem 
tobenden Mann nieder und forschten in seinen Taschen nach den 
begehrten Goldmünzen. 

Und bald ertönte auch ein Jubelschrei: »Ich habe die Geldkatze!« 
»Her damit!« befahl Louis. 
Der Räuber beeilte sich, aufzuspringen und das Beutestück seinem 

Hauptmann zu bringen. Der öffnete den Lederbeutel und fuhr mit der 
Hand hinein. Es war jetzt so dunkel geworden, daß er den Wert der 
Münzen nicht mehr erkennen konnte. Er versuchte, ihn durch 
Befühlen zu erraten. 

Da traf ein heftiger Schlag mit der verkehrten Seite eines 

Schwertes seinen Unterarm, und er ließ vor Schreck und Schmerz die 
Tasche fallen. 

Roland  - denn niemand anderes als er war es  - sprang zurück, hob 

sie auf und schwenkte das Schwert Sigurds, das er beim Verlassen 
des Zelts mit sich genommen hatte. Er vollführte einige 
furchteinflößende Hiebe und rief dann in das Dunkel zwischen den 
Stämmen hinter sich: »Kommt, wackere  Kameraden! Ich habe sie 
gefunden! Vorwärts, hackt sie in Stücke!« 

Der Schreck fuhr unter die Banditen wie ein Blitzstrahl. Einige 

glaubten, Büttel aus der Stadt seien gekommen, um sie zu fangen und 
dem peinlichen Gericht zuzuführen. Andere wähnten sich in 
abergläubischer Furcht von bösen Geistern verfolgt. Sie ließen von 
dem überfallenen Reiter ab und jagten Hals über Kopf durchs 
Unterholz davon. Der eine oder andere zögerte noch und fragte sich, 
ob hier nicht tapferer Widerstand besser angebracht sei. Aber die 
allgemeine Panik riß schließlich auch die Beherzteren mit sich. In der 
Dunkelheit sahen sie in jedem schwarzen Schatten einen neuen Feind 
und fühlten sich hoffnungslos in der Minderzahl. 

Nur Louis behauptete seinen Platz. Allerdings hing ihm der rechte 

Arm wie gelähmt herab. Doch schnell hatte er den kühnen Angreifer 
erkannt und seinen Bluff durchschaut. 

»Ah, der Knappe«, sagte er gefaßt. »Tut mir leid, junger Freund, 

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ich hatte eine Verabredung und konnte nach Schluß der Vorstellung 
nicht auf dich warten. Deine fünf Dukaten sind bei uns in guter Hut. 
Du willst doch die Wette bis morgen aufrechterhalten, nicht wahr?« 

»Ich denke nicht daran. Du bist ein ehrloser Lümmel. Hätte ich 

nicht den Lärm hier gehört, wärst du schon mit meinem Geld über 
alle Berge.« 

»Du wirst beleidigend, Knappe. Aber ich halte es deiner Wut 

zugute. Hier, nimm deine elenden fünf Kröten. Wie kann man nur so 
am schäbigen Metall hängen! Leb wohl, junger Freund! Wir sehen 
uns wieder! Kann leicht sein, daß dann die Karten besser für mich 
gemischt sind!« 

Und damit verschwand er lautlos wie ein Spuk im nächtlichen 

Wald, als wäre er nie dagewesen. Kopfschüttelnd stand Roland da 
und pries sein Glück. Ein Geräusch zog seine Aufmerksamkeit auf 
sich. 

Einige Schritte entfernt erhob sich ächzend der Reiter vom Boden. 

Er fluchte mordsmäßig und beruhigte sich erst, als Roland ihm seine 
Geldtasche überreichte. 

»Du hast doch nicht etwa hineingegriffen?« fragte der düstere 

Reiter mißtrauisch. »Es ist viel zu dunkel, als daß ich jetzt 
nachzählen könnte.« 

»So tut es bei Tageslicht«, entgegnete Roland kühl, »und Ihr 

werdet feststellen, daß nichts fehlt!« 

»Ich will es hoffen«, brummte der andere. »Wenn ich jetzt nur 

wüßte, wie ich zum Turnierplatz komme.« 

Roland wies ihm die Richtung und fügte hinzu,  daß er nach 

wenigen hundert Schritten die ersten Zelte erblicken werde. 

Der Reiter schwang sich auf den Araber und nahm das Packpferd 

am Zügel. 

Da fiel ihm noch etwas ein. »Eh ich's vergesse, junger 

Springinsfeld, ich danke dir auch für deine Hilfe. Es war aber gar 
nicht nötig, daß du dich einmischtest. Ich war eben im Begriff, das 
lästige Kroppzeug abzuschütteln!« 

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Sir Galahads Zelt bot im Innern einen angenehmen Aufenthalt. 
Orientalische Teppiche bedeckten Boden und Wände. Eine lange 
Tafel bog sich schier unter der Last köstlicher warmer und kalter 
Gerichte. Große Humpen voll Wein und Met luden zum Zechen ein. 
Die Freunde des wohlhabenden Ritters hatten sich vollzählig 
versammelt und ließen sich nicht lange nötigen. Sie langten kräftig 
zu. 

Er selber hatte gebadet und sich lange massieren lassen. 

Allmählich wich die Müdigkeit, die ihn nach dem Kampf 
überkommen hatte, von ihm. Doch er aß und trank nur wenig. 
Zerstreut hörte er auf die prahlenden Gespräche der Freunde. Alles 
drehte sich um Galahads morgigen Endkampf gegen Sigurd. Für die 
meisten Zecher war der arme Ritter bereits ein geschlagener Mann. 

Plötzlich wurden draußen am Eingang Stimmen laut, und wenige 

Augenblicke später wurde die Leinwand zurückgeschlagen. Ein 
Knappe ließ einen hochgewachsenen, hageren Mann mit pech-
schwarzem Haar und düsterem Blick ein. Alle wandten sich dem 
Neuankömmling zu. 

»Lester!« rief es von allen Seiten. 
Auch Galahad erhob sich, um Lester zu begrüßen. »Kommst du 

von Camelot?« fragte er. 

»Einen Liter Wein für meine ausgedörrte Kehle und einen 

Hirschschenkel für meinen leeren Magen!« rief der Mann, der Lester 
hieß. Von allen Seiten wurden ihm Becher gereicht. Er ergriff einen 
und leerte ihn auf einen Zug. Schon griff er zum nächsten. 

»Ja, ich komme vom Hof des Königs Artus«, bestätigte er, den 

Wein in der linken, den Fleischbrocken in der rechten Hand. Er 
schlug die Zähne hinein und fuhr kauend fort: »Ich war dabei, als der 
alte Leonardus, ein Ritter der Tafelrunde, starb. Und ich hörte mit 
eigenen Ohren, wie Artus einen Herold ausschickte, um den 
Nachfolger des Toten an seinen Hof zu holen.« 

Ungeheure Erregung bemächtigte sich aller Anwesenden. Ein 

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neuer Ritter der Tafelrunde! Das war eine Nachricht, die zu jener 
Zeit jeden Ritter der Welt gespannt aufhorchen ließ. 

Denn König Artus war schon zu Lebzeiten eine Legende 

geworden. Das Volk liebte und verehrte ihn. Die Ritterschaft sah in 
ihm ihr Haupt. Tausende von Anekdoten kreisten um ihn. Fahrende 
Sänger erzählten von seiner Kraft, schwärmten von seinem 
unbestechlichen Gerechtigkeitssinn und seiner Großmut. 

Vor vielen Jahren hatte König Artus die Tafelrunde gegründet. Sie 

vereinte die zwölf edelsten, kühnsten und würdigsten Ritter  - eine 
wahre Ruhmeshalle der Männlichkeit. 

Sie trafen sich regelmäßig auf des Königs berühmtem Schloß 

Camelot, wo sie bei unzähligen Humpen Met wichtige Beratungen 
abhielten. Hier planten sie Ritterfahrten in ferne Länder und setzten 
fest, mit welchen Summen die abreisenden Helden ausgestattet 
wurden. Sie entsandten Expeditionen zu unbekannten  Küsten und 
stellten manchmal kleine Ritterheere zusammen, die gefährliche 
Aufträge zu erfüllen hatten, um Recht und Gesetz im Lande zu 
wahren. 

Jeden der zwölf hatte Artus selber erwählt. Manchmal ließ er einen 

Zweikampf entscheiden. Und jeder reisige Mann, vom jüngsten 
Pagen bis zum ergrauten Ritter, träumte ewig davon, in diese 
erlauchte Runde berufen zu werden. Es war das höchste Ziel, das 
man auf Erden erreichen konnte. 

Natürlich bildete Sir Galahad keine Ausnahme. Und tatsächlich 

berechtigten ihn viele kühn bestandenen Abenteuer zu der Hoffnung, 
erwählt zu werden. 

»Wen hat Artus gekürt?« fragte er atemlos. 
Alle verstummten. Wie gebannt blickten alle auf Lester. 
Galahads Augen flackerten fiebrig. Sein Blick senkte sich. Wen hat 

Artus gekürt? wiederholte er stumm. Sag, daß ich der Glückliche 
bin! 

Aber noch verriet Lester nicht die große Nachricht. Er machte 

Galahad ein Zeichen. Die beiden begaben sich in eine abgelegene 
Ecke des Zeltes. Hier flüsterten sie miteinander, während die anderen 

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sich in Geduld faßten und mit dem Schmausen fortfuhren. 

Und Lester raunte Galahad ins Ohr: »In Anbetracht des hohen 

Ranges, den das Turnier von Xanten seit Jahren einnimmt, hat König 
Artus beschlossen, den Sieger des Turniers als zwölften Ritter der 
Tafelrunde zu empfangen!« 

Ein tiefer Seufzer entrang sich der Brust des Gastgebers. »Ich stehe 

morgen im Endkampf mit Ritter Sigurd ...« 

»Das höre ich, seitdem ich mich den Zelten näherte. Du wirst ihn 

doch werfen?« 

»Ich weiß es nicht. Wir trafen schon heute aufeinander, und ich 

mußte erkennen, daß er übermenschlich stark ist. Und wenn er nun 
noch vom Herold des Königs erfährt, welch hoher Preis dem Sieger 
winkt, so wird das seine Kräfte verdoppeln.« 

»Mut gefaßt, Galahad«, mahnte Lester in beschwörendem Ton. 

»Sigurd wird es nicht erfahren. Denn ...«, und nun näherte er den 
Mund noch mehr dem Ohr des bleichen Zuhörers, »ich habe heute 
morgen in einem einsamen Hohlweg dem Herold des Königs, der die 
Nachricht in Xanten verkünden sollte, aufgelauert und ihn mit der 
Lanze durchbohrt. Erst von ihm, nicht vom König, erfuhr ich die 
Nachricht. Er liegt verscharrt im Walde.« 

Galahad packte den Sprecher an beiden Schultern. »Das hast du 

getan?« 

»Mit vollem Vorbedacht. Für dich, Galahad. Du siehst, es war eine 

kluge Tat.« 

»Ich bin dir zu tiefem Dank verpflichtet, Lester. Was rätst du mir 

jetzt?« 

»Schicke alle weg  - bis auf ein paar Getreue. Dann laß uns im 

geheimen beraten, wie du es fertigbringen kannst, Ritter Sigurd in 
den Staub zu werfen!« 

Als Roland das Schwert Sigurds in die abgeteilte Rüstkammer des 
Zeltes zurückbrachte, winkte ihm eine Hand. Er ging hinaus und traf 

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einen Kameraden, den Schildknappen Frank. 

»Eine herrliche Nacht, wie?« schwärmte Frank. »Viel zu schön, 

um sie zu verschlafen. Der Ritter natürlich  -  der ist schon lange im 
Bett. Muß er ja auch. Braucht doch morgen jedes Gran Kraft. Aber 
du und ich, wir beide - hast du Lust?« 

Wie sich herausstellte, hatte Frank in Erfahrung gebracht, daß auf 

der nahegelegenen Burg Wolkenstein ein Fest gefeiert werde.  Mit 
allem, was ein junges Herz begehrte: mit Musik, Met und Mädchen! 

Der Gedanke an Mädchen weckte in Roland eine unbestimmte, 

süße Erregung. Da brauchte er nicht lange zu überlegen. Er war 
sofort dabei. Frank bestieg sein Pony, Roland seinen Maulesel, dem 
er den zärtlichen Namen »Alter Ziegenbock« verliehen hatte. Frank 
kannte den Weg. 

Nebeneinander trabten sie im schwachen Licht der Sterne über den 

vielfach gewundenen Fahrweg, als sie an einer scharfen Biegung auf 
eine unerwartete Szene stießen, die von fackeltragenden Pagen 
erhellt wurde. 

Mitten auf der Straße lag eine Kutsche halb auf der Seite. Sie war 

mit den Rädern der rechten Seite in ein tiefes Regenloch geraten. 
Offenbar waren die Achsen gebrochen. Der Kutscher hatte die Pferde 
ausgeschirrt und bemühte sich fluchend um sein Fahrzeug. 

Am Rand der Straße stand die vornehme Dame, die mit der 

Kutsche gefahren war. Sie war in eine heftige Meinungs-
verschiedenheit mit einem kräftig gebauten Ritter verwickelt, der 
eine gewaltige Hakennase hatte. Die  beiden Knappen hielten an und 
beobachteten die Vorgänge. 

»Wer ist dieser Ritter?« fragte Frank leise. 
»Kennst du ihn etwa nicht?« wunderte sich Roland. »Er hat doch 

heute zweimal siegreich gekämpft, ist aber dann nicht mehr 
angetreten. Man nennt ihn Ritter Iwein.« 

Frank staunte. »Du bist zum erstenmal bei einem Turnier und 

kennst schon alle Teilnehmer?« 

Roland gab keine Antwort. Seine Kenntnisse zu vermehren, wo 

immer die Möglichkeit sich dafür bot, war für den Jungen 

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selbstverständlich. Er legte mahnend den Finger auf die Lippen und 
hörte gespannt dem Streit zwischen der Dame und dem Ritter zu. 

Offenbar war Iwein ein glühender Verehrer des Fräuleins und 

wollte es unbedingt dazu bewegen, ihn zu einem Rittermahl bei 
einem Freund zu begleiten. Er hatte sich in Hitze geredet und 
versuchte, es zu umarmen und auf sein Roß zu heben. Sein 
Widerstreben stachelte ihn immer mehr an, und er vergaß alle 
Zurückhaltung. 

»Spart Euren Atem, Ritter!« hörte man sie ärgerlich rufen. »Ich 

reite heim. Wenn Ihr mich wirklich so verehrt, wie Ihr ständig 
behauptet, so laßt mich von hinnen!« 

»Rosalynn, ich lasse Euch nicht!« war seine erregte Antwort. 

Dabei packte er sie an beiden Ellbogen. Sie sträubte sich vergeblich. 
Roland stieß einen empörten Ruf aus und trieb seinen Maulesel an. 
Vergebens rief Frank ihm nach, er solle sich um Himmels willen aus 
dem Streit heraushalten. 

»Heraushalten?« wiederholte Roland verächtlich. »Hat man uns 

nicht als höchste Pflicht gelehrt, jederzeit Schwache und Frauen vor 
Gewalt zu schützen?« Und schon tauchte er neben dem streitenden 
Paar auf. Überrascht blickten zwei Augenpaare ihn an. 

»Laßt das Fräulein los, edler Iwein!« forderte Roland mit fester 

Stimme. Im Schatten des Weges kratzte sich Frank erschrocken an 
der Nase. Seiner Ansicht nach  konnte diese Sache kein gutes Ende 
nehmen. Und sie wollten doch zum fröhlichen Fest auf Wolkenstein! 

Während der Ritter Rosalynn mit der Linken weiterhin festhielt, 

ballte er die Rechte zur Faust, holte mächtig aus und schlug auf 
Roland ein. 

Doch zu seinem Erstaunen fand die Faust nie ihr Ziel. Roland fing 

sie mitten im Schlag auf. Er packte sie hart, preßte sie zusammen wie 
der Schraubstock das Eisen und ließ nicht los, so sehr der 
wutentbrannte Ritter auch zerrte und zog. Zuletzt mußte Iwein sogar 
den Griff um die Dame lösen. Als Roland sah, daß sie frei war, 
versetzte er Iwein einen Stoß vor die Brust, der den fast vom Pferde 
beförderte, und wandte sich ab. 

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Iwein massierte sich stumm den Arm. Nach einigen giftigen 

Blicken auf den Störenfried ritt er wutschnaubend davon. »Es gibt 
noch andere Dämchen«, rief er halblaut. 

Jetzt fiel voller Fackelschein auf Rosalynns Gesicht, und bei 

diesem Anblick fuhr Roland ein Stich ins Herz, von dem er sich nie 
mehr erholen sollte. 

Sie war das Schönste, was er je erblickt hatte. Rosalynns Haut war 

rein wie frischgefallener Tau und hatte einen ganz leichten Goldton. 
Ihr volles dunkelbraunes Haar umrahmte ein so liebliches Antlitz, 
daß Roland den Blick nicht von ihr abwenden konnte. 

Ein Glücksgefühl durchströmte ihn, als  sie artig das Haupt neigte 

und mit klarer, anmutiger Stimme zu ihm sprach: »Wer Ihr auch seid, 
Ihr habt mir einen äußerst lästigen Kavalier vom Halse geschafft, und 
dafür seid bedankt! Wollt Ihr mich zu meinem Quartier auf 
Wolkenstein begleiten?« 

Roland bekam kein Wort heraus. Die Erregung schnürte ihm die 

Kehle zu. Er konnte nur eifrig nicken, während ihm eine Blutwelle in 
die Wangen schoß. 

Verwirrt beobachtete Frank, wie sich alsbald sein Freund auf dem 

»Alten Ziegenbock« neben der Dame, die inzwischen 

ein 

Kutschpferd bestiegen hatte, in Bewegung setzte. Langsam folgte er 
den beiden. Dieser Roland! Wer hätte dem bescheidenen Jungen, der 
als Knappe Nr. 3 bei Sigurd diente, so etwas zugetraut! 

Die schöne Rosalynn, die Rolands Herz im Sturm gewonnen hatte, 

zählte erst sechzehn Lenze, war also noch zwei Jahre jünger als er. 
Aber ihre höfische Erziehung hatte sie zu einem selbstsicheren 
Gesellschaftsmenschen gemacht. Roland, der Sohn einer bitterarmen 
Köhlersfamilie, fühlte sich in ihrer Gegenwart als ungehobelter, 
grober Bauernlümmel. Daß er nur auf einem Maulesel saß, erhöhte 
nicht gerade sein Wohlbefinden. 

So kam es auf dem kurzen Ritt auch kaum zu einem Gespräch 

zwischen den beiden. Roland war viel zu befangen, um einen 
vernünftigen Satz zustande zu bringen. Und Rosalynn bedauerte 
schon ihre Aufforderung. Wenn die anderen Fräuleins sie in 

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Begleitung eines Mauleselreiters erblickten, würden sie 
wahrscheinlich noch wochenlang daran ihre scharfen Zungen 
wetzen. Kaum also tauchten die ersten Zinnen vor ihnen auf, als 
Rosalynn sich mit herablassendem Kopfnicken von Roland 
verabschiedete und ihrem Pferd die Sporen gab. 

Wenige Minuten später erreichte auch Frank die Burg und gesellte 

sich zu Roland. Er platzte vor Neugier und wollte alles über die 
schöne Dame hören. Aber Roland blieb wortkarg. Fast verstört 
wirkte er. So wandte sich Frank mit einem Achselzucken den 
Räumen der Dienerschaft zu, wo lauter Lärm anzeigte, daß das Fest 
bereits in vollem Gange war. 

Plötzlich wurde es hinter einem der dunklen Fenster in den höher 

gelegenen Räumen hell. War das Rosalynns Kemenate? fragte sich 
Roland. Das matte Licht übte unwiderstehlichen Reiz auf den 
Jüngling aus. Was hätte er darum gegeben, bei dem Fräulein zu sein! 
Nicht einmal berühren wollte er es. Ihm hätte es genügt, es zu sehen, 
mit den Augen sein Liebreiz zu trinken. 

Plötzlich bemerkte er, daß ein Lindenbaum im Burghof mit seiner 

Krone bis in die Nähe des erleuchteten Fensters reichte. Roland 
überlegte keine Sekunde. Mit drei Schritten war er bei der Linde und 
kletterte katzengewandt den Stamm empor. Für den Köhlerssohn, der 
seine ganze Kindheit im Schatten unermeßlicher Wälder verbracht 
hatte, war das eine Kleinigkeit. Nach kurzer Zeit hockte er hoch oben 
in den Ästen, teilte vorsichtig das Blätterwerk und sah Rosalynn! 

Sie saß vor dem Spiegel und kämmte ihr seidig schimmerndes 

Haar. Hingerissen schaute Roland ihr zu, und die Zeit verging, ohne 
daß es ihm bewußt wurde. Er betrachtete die liebliche Linie ihres 
Nackens und bewunderte die feinen Gesichtszüge, die ihm aus dem 
blanken Spiegel entgegensahen. 

Nun erhob sich Rosalynn und schritt im Zimmer auf und ab. 

Anscheinend wollte sie sich zur Ruhe begeben, denn sie streifte das 
Obergewand ab. Roland starrte unbeweglich durchs Fenster. Gleich 
darauf fiel der Reitrock zu Boden. 

Da überkam etwas wie Scham den heimlichen Späher. Er wendete 

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das Gesicht ab, verließ den luftigen Sitz und hangelte nach unten. Als 
seine Füße im Sprung den Boden berührten, schrie eine 
Frauenstimme leise auf. Denn er war fast auf den Schultern eines 
Mädchens gelandet, das gerade am Baum vorbeiging. 

»Wachsen jetzt leibhaftige Kerle auf unseren Bäumen?« fragte sie 

schnell gefaßt. »Was treibst du dich eigentlich hier draußen herum, 
statt dich auf dem Fest zu vergnügen? Komm, begleite mich! Ich 
heiße Kathi und bin eine Zofe der alten Dame von Wolkenstein. Wer 
bist denn du?« 

Erleichtert stellte Roland sich vor, und bald fand er sich in dem 

langgestreckten, niedrigen Gesindesaal wieder, wo bereits ein 
fröhliches Treiben herrschte. Drei Spielleute fiedelten zum Tanz. Da 
schwenkte auch schon Frank mit hochrotem Gesicht und glänzenden 
Augen an ihm vorüber, im Arm eine dralle Viehmagd. Er schien hier 
wie zu Hause zu sein. Erst jetzt fiel Roland auf, daß er sich in 
Bauerntracht geworfen hatte. Frank bemerkte ihn gar nicht. 

Dagegen erregte Rolands Eintritt bei einigen jungen Burschen 

sofort Aufsehen. Mit nicht eben freundlichen Blicken schoben sie 
sich näher an ihn heran. 

»Was für einen fremden Vogel hast du uns denn da ins Haus 

geschleppt?« wurde Kathi von einem stiernackigen Kraftkerl mit 
semmelblondem Stoppelhaar gefragt. 

Kathi wollte antworten. Doch Roland kam ihr zuvor. Er nannte 

seinen Namen und fügte hinzu: »Wie du siehst, trage ich die 
rotgelben Farben des Ritters Sigurd!« 

»Ah, ein Ritterknecht!« versetzte der Stiernacken verächtlich. 

»Und so etwas Vornehmes wie du mischt sich freiwillig unter das 
niedere Volk? Das macht mich stutzig. Bist du etwa gar ein Spitzel?« 

»Ich bin weder Spitzel noch Knecht«, entgegnete Roland trocken. 
Die Burschen reagierten mit ärgerlichen Ausrufen. Einige schlugen 

vor, ihn sofort an die frische Luft zu setzen. Aber Stiernacken sagte 
mit hinterhältigem Lächeln und falscher Freundlichkeit: »Wir wollen 
keinen Gast vergraulen, auch wenn er uns fremd ist. Doch wenn er 
bleiben will, so soll er sich der üblichen Prüfung unterziehen. Daran 

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können wir ermessen, ob er ein echter Kerl oder ein Arschkriecher 
ist!« 

»Ja, die Prüfung! Er soll die Prüfung machen!« riefen die anderen 

in freudiger Erregung. 

Die Kunde, daß sich ein Neuling der Prüfung unterziehen werde, 

lief wie ein Lauffeuer durch den Raum. Nun wurde auch Frank auf 
Roland aufmerksam. Er gab ihm aufgeregt Zeichen, die Roland 
jedoch nicht zu deuten wußte. Kathi aber trat mutig vor die Burschen 
und sprach: »Laßt Roland in Ruhe, und bleibt ihm mit der Prüfung 
vom Leibe! Heute ist Tanz, und er ist mein Tänzer!« 

»Nichts da!« rief der Stiernacken. »Wir wollen doch mal sehen, 

was seine ritterliche Ausbildung taugt.« Dann wandte er sich an 
Roland: »Du kannst doch mit Pfeil und Bogen umgehen, nicht 
wahr?« 

»Für den Hausgebrauch langt's«, sagte der kurz. Er erkannte sofort 

die Arglist. Denn im Bogenschießen war das einfache Volk den 
Rittern weit überlegen, weil diese Jagdart an keinem Hofe gepflegt 
wurde. Die Ritter zogen die Falkenbeiz oder die Hatz mit Hunden 
und Lanze vor. Dennoch war Roland guten Mutes. Als Kind hatte er 
mit selbstgefertigtem Bogen manchen Vogel erlegt. 

»Platz da!« riefen die Burschen. Sofort traten die Tänzer an die 

Längsseiten des Raums. So entstand eine breite Gasse. An der 
gegenüberliegenden Wand wurde das Bild eines gemalten Keilers 
sichtbar. Ein sehniger Bursche tauchte neben Stiernacken auf. Er trug 
den Köcher über der Schulter und legte unverzüglich einen 
gefiederten Pfeil auf die Bogensehne. Man sah ihm die langjährige 
Übung an der kleinsten Bewegung an. 

Er spannte die Sehne und zielte sorgfältig. Erwartungsvolles 

Schweigen trat ein. 

Der Schütze ließ die Sehne vorschnellen, und ein vielstimmiger 

Jubelruf klang durch die Halle. Mit strahlendem Lächeln ließ sich der 
sehnige Bursche feiern. Sein Pfeil hatte den gemalten Keiler ins 
Hinterteil getroffen. Roland wartete, bis der Jubel nachließ. Dann 
bemerkte er trocken: »Scheint mir nicht gerade ein tödlicher Schuß 

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zu sein.« 

»Hoho, mach's erst mal besser, du Prahlhans!« 
»Ich will's versuchen«, sprach Roland, ließ sich den Bogen reichen 

und verlangte zwei Pfeile dazu. Wie lange hatte er solch ein Gerät 
nicht in der Hand gehabt? Er kämpfte seine innere Unruhe nieder, 
legte den ersten Pfeil auf, hielt den Atem an  - und ehe sich einer 
versah, bohrte sich schon die Spitze ins Blatt des Keilers. Kathi 
machte vor Freude einen Luftsprung und sah sich dann 
triumphierend um. 

Der junge Bursche, der den ersten Schuß getan hatte, rief: 

»Zufall!« Da hatte Roland schon den zweiten Pfeil auf die Reise 
geschickt. 

Und dem Widersacher blieb das Wort gleichsam im Halse stecken. 

Die Verblüffung der Anwesenden war grenzenlos. Roland hatte mit 
dem zweiten seinen ersten Pfeil genau in den Schaft getroffen und 
haarscharf in zwei Hälften zerlegt! 

Kathi fand als erste die Sprache wieder. »Wenn das kein 

Meisterschuß ist...«, sagte sie stolz. Und niemand widersprach ihr. 

Nur Roland selber wandte ein: »Einen Meisterschützen würde ich 

den nennen, dem meine kleinen Kunststückchen in freier Natur bei 
einem leibhaftigen fliehenden Keiler gelingen.« 

Mit ganz anderen Augen wurde Roland nun betrachtet. Aus dem 

unerwünschten Eindringling war im Handumdrehen ein begehrter 
und bewunderter Gesellschafter geworden. »Hoch Roland«, rief eine 
helle Mädchenstimme »Du hast die Prüfung mit Glanz bestanden!« 

Fast alle gaben ihr recht. Met wurde ihm gereicht. Mädchen 

drängten heran. Rasch nahm Kathi seinen Arm. Sie mußte 
befürchten, daß manch hübsches Ding ihr den »Prüfling« streitig 
machte. 

Indessen packte der Stiernackige, der Uri hieß, den beschämten 

Bogenschützen am Ellbogen und raunte ihm zu: »Der würde doch in 
freier Natur vor jedem Keiler davonrennen. Komm, wir trinken  mit 
ihm!« Dabei kniff er bedeutungsvoll ein Auge zu. 

Die Spielleute griffen wieder zu den Fiedeln. Die Paare fanden 

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zueinander. Binnen kurzem war der Tanz im Gange. Kathi hielt 
Roland fest umschlungen. Sie war ein hübsches Ding mit 
ansehnlichen Formen. Ihr Kleid war vorn tief ausgeschnitten, und 
Rolands Blicke verloren sich oft in der Bewunderung ihres runden 
Busens, der wie vorwitzig herausschaute. 

Da wurde er abgelenkt. Uri und der sehnige Bursche näherten sich 

ihm. »Laßt uns Freunde sein«, sagte der Stiernackige. »Komm, 
Roland, trinken wir auf gute Kameradschaft!« Und er lachte ihn 
offen an. 

Roland versah sich keines Bösen, das war nicht seine Natur. Gern 

nahm er das ihm dargereichte Horn voll Met zur Hand, stieß mit den 
beiden Burschen an, sagte ihnen ein paar freundliche Worte und 
nahm einen tiefen Zug. Dann setzte er das Horn ab und schaute auf. 

In diesem Augenblick schüttete ihm der bullige Uri, der ihn 

aufmerksam beobachtet hatte, den ganzen Inhalt seines eigenen 
Horns ins Gesicht. Geblendet schloß Roland die Augen. 

Der Bogenschütze hatte sich blitzschnell hinter Roland auf den 

Boden gekauert. Als Uri dem Knappen, der sich mit den Händen die 
Augen auswischte, einen kräftigen Stoß vor die Brust gab, fiel der 
über den kauernden Schützen hinweg und  knallte rücklings zu 
Boden. 

Kathi schrie laut auf. 
Noch merkten die übrigen Festteilnehmer nichts. Musik und Lärm 

übertönten Kathis Schrei. Da rückten auch schon die anderen 
Freunde Uris heran und bildeten einen Kreis um den Gestürzten. Uri 
hockte ihm auf der Brust und auf den Oberarmen und versetzte ihm 
eine Ohrfeige, wobei er rief: »Dir werde ich Benehmen beibringen, 
du schändlicher Ritterknecht!« 

Die heimtückische Attacke hatte den nichtsahnenden Roland völlig 

überrascht. Aber so leicht gab er sich nicht geschlagen. Noch hatte er 
die Beine frei. Mit gewaltigem Schwung riß er sie in die Höhe, 
brachte Uri ins Wanken und aus dem Gleichgewicht und rollte mit 
dem schweren Gegner über Kopf und Schultern nach hinten ab. Uri 
mußte seinen Griff lockern, und Roland befreite sich mit einer jähen 

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Seitwärtsbewegung vollends. Elastisch sprang er auf die Beine. 

Nicht eine Sekunde zu früh! Denn jetzt stürmten Uris Freunde 

gemeinsam auf ihn los. Sie hätten ihn auch mit Leichtigkeit 
überwältigt, wenn sie sich nicht im übertriebenen Eifer gegenseitig 
mehr behindert als geholfen hätten. 

Den vordersten hob Roland mit sicherem Untergriff wie ein Ringer 

vom Erdboden hoch und warf ihn dann von sich. Den nächsten ließ 
er die geballte Faust spüren, daß dem der runde Schädel dröhnte und 
sich vor seinen Augen der ganze Tanzsaal zu drehen begann. Mit der 
Schulter räumte Roland zwei andere beiseite. Dann bückte er sich, 
packte den sehnigen Bogner, der ihn mit einem Griff an die Knie 
neuerlich zu Fall bringen wollte, um die Leibesmitte. Und er warf ihn 
in die Gruppe seiner Freunde. 

Die Burschen prallten zurück und kamen den tanzenden Paaren in 

die Quere. Es gab Rempeleien und böse Worte, Da alle schon viel 
getrunken hatten, wurden ihnen rasch die Köpfe heiß. Schon 
schwang man hier und da im Zorn die Fäuste, und alte 
Eifersüchteleien flammten auf. 

Mädchen kreischten. Einige aber stürzten sich an der Seite ihrer 

Tänzer in die Rauferei, die sich jetzt entwickelte. Ungerührt fiedelten 
die Spielleute weiter, schneller und schneller, aber nun war ein 
anderer, ein wilderer Tanz im Gange. Schon tropfte Blut aus einigen 
Nasen. Lippen platzten auf. 

»Frank!« schrie Roland. Aber der Kamerad war nirgends in dem 

Gewoge von Gliedmaßen und Köpfen zu erblicken. 

Kathi zupfte Roland am Ärmel. »Komm«,  sagte sie, »es wird 

Zeit.« Hand in Hand drängten sie zum Ausgang. Draußen unter dem 
Nachthimmel schlang Kathi die Arme um seinen Hals, drängte sich 
eng an ihn, hob den Kopf zu ihm auf und preßte ihren heißen 
geöffneten Mund auf den seinen. Minutenlang standen sie in inniger 
Umarmung, und Roland vergaß jeden Gedanken an das hochmütige 
Burgfräulein Rosalynn. 

Denn zu nah waren ihm Kathis zärtliche Lippen, ihre forschende 

Zunge und ihr schwellender Busen. Nach langer Zeit ließ sie ihn los. 

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Sie mußten beide erst einmal Atem holen. 

Verzückt betrachtete er ihr Gesicht, das im matten Schimmer der 

fernen Sterne seltsam verschwommen und wunderlich anziehend 
wirkte. Wieder stahl sich ihre Hand in die seine, und wieder sprach 
sie wie eine Zauberformel das einladende Wörtchen: »Komm ...« 

Und dann ging alles so schnell, so leicht, so einfach, als verstünde 

es sich von selbst. 

Nackt lag der junge Knappe neben dem nackten Mädchen auf der 

schmalen Lagerstatt ihres engen Gemachs und betrachtete voll 
Bewunderung ihren herrlichen Körper. Eine ungekannte Erregung 
nahm von ihm Besitz, als er die rosafarbenen Spitzen ihrer 
verführerischen Brüste mit den Lippen liebkoste. 

Kathis Hände waren überall an seinem Körper. Sie begann, leise zu 

stöhnen, und wand sich wie eine Schlange um ihn. »Nimm mich, 
Roland!« flüsterte sie ihm heiß ins Ohr. 

Als Roland mit gewaltiger Jugendkraft sie über sich warf, stieß sie 

Laute der Wonne aus. Sie schlang die langen Beine um seine Hüften 
und preßte ihn eng an sich heran. »Ich spüre dich ganz tief in mir, 
Roland«, stammelte sie hingerissen. 

Eine Art Raserei ergriff Roland. Immer schneller hob und senkte 

sich sein Unterkörper, und Kathi kam ihm mit verzehrender Wollust 
jedesmal entgegen. Die Zeit verging im Fluge, und doch war sie 
eigentlich gar nicht vorhanden. Sie vergaßen die Zeit, die Freunde 
und alles und gaben sich ganz ihrer Leidenschaft hin. 

Als der Höhepunkt kam, meinte Roland, nie Schöneres erlebt zu 

haben. Ihm war, als verströme er seine ganze Kraft über Kathi. Doch 
dies war ein Irrtum. Seine Kraft reichte noch für viele Stunden des 
Glücks. 

Lester war es schnell gelungen, Sir Galahads bedrückte Stimmung zu 
heben. Seine Argumente klangen einleuchtend. 

»Da zu befürchten ist«, begann der düstere Ritter, »daß dieser 

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Sigurd den Waffengang mit dir durch rohe Kraft allein zu seinen 
Gunsten wendet, muß man ihn durch geistige Waffen daran hindern. 
Schließlich leben wir nicht mehr im Zeitalter der Barbaren. Und 
glaub mir, mein Freund, ich habe da ein paar unfehlbare Tricks im 
Sinne ...« 

»Tricks?« unterbrach Galahad zweifelnd. »Wäre es nicht unfair, 

Zuflucht in Tricks zu suchen?« 

»Im Gegenteil. Du würdest unfair handeln, wenn du nicht jeden 

Vorteil, der sich dir bietet, ausnütztest. Es wäre unfair dir selber 
gegenüber.« 

»Was führst du im Schilde, Lester?« 
Der hagere Ritter deutete auf den Dritten der nächtlichen 

Beratungsrunde, einen mittelgroßen Mann von freundlichem 
Aussehen, zu dem seine rosigen Wangen viel beitrugen. »Morgen in 
aller Frühe wird unser Freund Henry sich ins Zelt des Gegners 
begeben und ihm in seiner gewinnenden Art auseinandersetzen, 
wieviel lohnender eine ehrenvolle Niederlage für ihn wäre als ein mit 
Hauen und Stechen schwer erkämpfter Sieg. Henry wird ihm 500 
Dukaten dafür bieten, daß sich Sigurd nach einiger Zeit auf einen 
Lanzenstich von dir aus dem Sattel fallen läßt. Wir wissen doch alle, 
wie dringend Sigurd Geld braucht. Seine Burg ist baufällig und muß 
in diesem Sommer von Grund auf renoviert werden. Nicht umsonst 
nennt ihn alle Welt den armen Ritter.« 

»Wenn er aber ablehnt?« fragte Henry lächelnd. 
»Dann liegt es um so mehr an deinem Geschick«, antwortete 

Lester. »Spiele den ganzen Charme deiner Persönlichkeit aus! Mit 
sanfter Stimme, betörendem Lächeln und freundschaftlichem Gehabe 
hast du doch schon manchen klugen Mann zu einer großen 
Dummheit verleitet. Wer sollte angesichts deiner sanften Rehaugen 
und deiner rosafarbenen Bäckchen nicht meinen, daß du nur sein 
Bestes willst? Henry, dir kann keiner etwas abschlagen!« 

»Meinst du das wirklich?« fragte der Angesprochene 

geschmeichelt. 

»Lester hat recht«, bestätigte Galahad. »Vor deiner 

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schmeichelnden Zunge versagt die schärfste Logik. Du könntest 
einen wütenden Feuerdrachen dazu überreden, daß er dir als 
dienstbarer Geist zur Winterszeit die Burghalle heizt. Du bist 
imstande, einem Armen das Almosen abzuschmeicheln, das er sich 
eben sauer erbettelt hat. Im übrigen ermächtige ich dich, notfalls bis 
auf 1000 Dukaten zu gehen, Henry.« 

So trennte man sich in dem Gefühl, daß der freundliche Henry mit 

Hilfe einer geeigneten Summe den grimmigen Sigurd zähmen werde. 
Weit zuversichtlicher als noch vor einer Stunde begab sich Galahad 
zur Ruhe. 

Auch Henry, fast trunken von den vielen Lobesreden, taumelte 

fröhlich ins Bett. Noch mit geschlossenen Augen führte er in 
gleichmäßigen Abständen den Becher mit rotem Falerner zum 
Munde, der seinen Bäckchen jenes friedvolle Rot verliehen hatte. 

Nur der düstere Lester fand keine Ruhe. Er dachte tiefer, schärfer 

und rücksichtsloser als seine Freunde. Ein Plan befriedigte ihn erst 
dann, wenn er alle Möglichkeiten vorausberechnet und für jede einen 
Gegenschachzug erfunden hatte. 

So suchte und fand er noch lange nach Mitternacht ein Zelt, dessen 

Bewohner in ungewöhnlich schlechter Laune war. Mißmutig 
empfing Iwein den späten Besucher mit den Worten: »Ich könnte 
diesen Sigurd vergiften! Einer seiner Knappen hat mir auf üble 
Weise mitgespielt, als ich eben dabei war, die schöne Rosalynn in 
mein Zelt zu entführen.« 

Günstiger konnte Lester es gar nicht antreffen. 

Erst im Morgengrauen trabte Roland auf seinem Maulesel, der zu 
dieser frühen Stunde sich besonders störrisch gebärdete, dem Gezelt 
seines Herrn zu. Seine Augen blitzten mit den ersten Sonnenstrahlen 
um die Wette. Kathi hatte ihm eine neue Welt erschlossen. Dankbar 
vergab er ihr, daß sie ihn zuletzt unsanft von ihrem Lager 
verscheucht hatte. 

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Roland kam nicht dazu, mit Frank ein Wort zu wechseln. Der war 

eifrig mit den Waffen Sigurds beschäftigt. Lanze und Schwert sollten 
an diesem Tage heller funkeln denn je zuvor. Roland schüttelte leicht 
den Kopf. Er hätte gern gewußt, warum Frank sich bei der Rauferei 
in der Gesindestube nicht an seine Seite gestellt hatte. Auf die Idee, 
Frank sei feige geflohen, kam der Knappe gar nicht. 

Schon zwei Stunden vor dem festgesetzten Kampfbeginn hatte der 

Ritter seine Morgenmahlzeit beendet. Bot sein Zelt innen und außen 
auch ein Bild großer Ärmlichkeit, so mangelte es bei ihm doch nie an 
vortrefflichem Essen. Seinem dicken Grützbrei waren gewaltige 
Portionen Hirschfleisch zugefügt. Sigurd fing an, sich in Gedanken 
mit dem bevorstehenden Kampf zu beschäftigen. Er überlegte sich 
mögliche Taktiken, verwarf einige, erwählte andere und malte sich 
jede Kampfszene bis ins einzelne aus. 

Ihn störte bei seinen Gedanken die Ankunft des wohlgerundeten 

Henry, der nur einmal im Leben ein Turnier bestritten hatte. Dabei 
war er sofort arg zu Schaden gekommen und hatte sich beide Beine 
gebrochen, ganz zu schweigen von seinem gebrochenen Mut. 
Seitdem erlebte er Turniere nur von der Tribüne. Ja, er entwickelte 
bald einen guten Blick für die Qualitäten der Kämpfer. Theoretisch 
konnte ihm keiner etwas vormachen, dem Ritter mit den roten 
Bäckchen. 

Er schüttelte Sigurd herzlich die Hand, erkundigte sich nach dem 

Befinden seiner Frau, beklagte den schlechten Zustand von Sigurds 
Burg und rückte allmählich, ganz allmählich mit Sir Galahads 
Anerbieten heraus. 

»500 Dukaten sagt Ihr?« rief Sigurd laut. »Und ich  brauche weiter 

nichts zu tun, als mich vom Pferd fallen zu lassen, wenn Galahads 
Lanze mich berührt?« 

»Genauso! Ist das nicht ein herrliches Geschäft?« meinte Henry 

und rieb sich fröhlich die Hände. »Selbst als Sieger würdet Ihr lange 
nicht soviel erhalten. Und weil ich Euch gern mag, Sigurd, biete ich 
Euch noch 100 mehr. Die nehme ich auf meine eigene Kappe, bin 
aber sicher, daß Galahad diesen meinen Schritt genehmigen wird, 

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Was sagt Ihr nun?« 

»Ich bin überwältigt«, rief Sigurd und klatschte scheinbar vor 

Begeisterung in die Hände. Ein Signal für seine drei Knappen, ins 
Zelt zu stürmen. Sie hatten die laut geführte Unterhaltung draußen 
gut verstanden. »Was sagt ihr dazu, meine Knappen?« 

Frank platzte als erster heraus: »Mit beiden Händen solltet Ihr 

zugreifen! Soviel Geld, und beinahe für gar nichts! Das ist ja wie im 
Märchen! Da würden für uns sicherlich neue Wämser abfallen. Die 
alten sind schon arg zerschlissen. Man wagt sich so kaum noch 
blicken zu lassen.« 

Sein Kamerad Gerd wiegte den Kopf, überlegte eine Weile und 

sagte dann mit listigem Blick: »Wer 600 Dukaten bietet, der zahlt 
auch mehr. An Eurer Stelle, Herr Ritter, würde ich dreist 800 verlan-
gen. So eine Gelegenheit findet sich so leicht nicht wieder.« 

Unter herabgezogenen Lidern warf Henry dem schlauen Gerd 

heimlich einen beifälligen Blick zu. Aber dann wiegte er bedenklich 
den Kopf. 

Roland schwieg betroffen. Er hätte am liebsten das Zelt verlassen. 

Er mochte die Frage nicht gern beantworten. Er wußte, er würde nur 
allen die Freude verderben. Aber da hörte er Sigurd schon sagen: 
»Und was meinst du, Roland?« 

Roland richtete sich kerzengerade auf und sagte, den Blick 

unverwandt auf seinen verehrten Herrn gerichtet: »Nimmermehr 
wird mein Ritter dieses schmähliche Spiel gutheißen. Seine Ehre 
steht ihm allzeit turmhoch über dem Geld. Nie reicht er die Hand zu 
listigem Betrug.« 

»Aber bedenk doch«, wandte Sigurd ein, »du würdest ein neues 

Wams erhalten. Und ein Pferd statt des Maulesels. Ich könnte meiner 
Gemahlin ein schönes neues Gewand und etwas Schmuck mitbringen 
- Dinge, nach denen sie sich sehnt und auf die sie verzichten muß. 
Und wir könnten die Burg wohnlicher gestalten.« 

»Verzeiht, Herr, aber ehe ich mitansähe, daß Ihr auf diesen 

Lügenhandel einginget, möchte ich auch meinen Maulesel verkaufen 
und hinfort zu Fuß hinter Eurem Roß herlaufen, wenn Euch mit dem 

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Erlös gedient wäre.« 

Frank und Gerd brachen in höhnisches Gelächter aus. »Dein alter 

Ziegenbock bringt keine zwei Dukaten ein!« riefen sie. »Soll der 
Ritter seiner Gemahlin vielleicht Glasperlen als Schmuck 
mitbringen?« 

Doch Roland war nicht zu bremsen. »Den Mann, der die Stirn 

hätte, mir ein solch niederträchtiges Angebot zu machen«, rief er mit 
blitzenden Augen, »den nähme ich am Kragen und würfe ihn in 
hohem Bogen aus dem Zelt.« 

Henry wollte entrüstet auffahren, doch Sigurd legte ihm 

begütigend die Hand auf den Ärmel. »Das Gastrecht ist mir heilig, 
seid unbesorgt.« 

Worauf Henry seine Bäckchen mit breitem Lächeln verzog, den 

Kopf zur Seite bog und Sigurd ins Ohr raunte: »Was Euer zweiter 
Knappe sagte, war so übel nicht. Ein Bürschlein mit vielver-
sprechenden Anlagen, scheint mir. Ich biete Euch 800  - aber das, 
Sigurd, ist mein und Galahads letztes Wort! Überspannt den Bogen 
nicht! Greift frisch zu, und schlagt ein!« 

Insgeheim beschloß Henry, Galahad mitzuteilen, Sigurd habe 1000 

gefordert und bekommen. Dann würde ihm dieses schnelle 
Vermittlergeschäft 200 Dukaten einbringen. Leichter ließ sich kaum 
Geld verdienen! 

Sigurd erhob sich. Breit wie ein Felsklotz stand er vor Henry, und 

sein Arm deutete zum Ausgang. »Ich weiß, Henry, wie karg Eure 
Zeit bemessen ist, und will Euch nicht länger halten. Sicherlich wollt 
Ihr noch anderen Herren Eure Aufwartung machen. Gehabt Euch 
wohl.« 

Verblüfft starrte Henry ihn an. »Aber unser Geschäft... Das nette, 

für Euch so vorteilhafte Geschäft, von dem wir sprachen ...?« 

»Ich erinnere mich nicht, je von einem Geschäft gesprochen zu 

haben. He, Gerd, Frank, haltet keine Maulaffen feil, sondern führt 
unseren Gast höflich ins Freie!« 

Nur mit Mühe bewahrte Henry seine Haltung. Ein paar leise 

Flüche entflohen seinem sonst so freundlichen Mund, als die beiden 

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Knappen ihn hinausgeleiteten. Drinnen im Zelt aber lachte Sigurd 
dröhnend und strich Roland übers Haar. »Du hast mir Freude 
bereitet, Roland. Du hast das Zeug zu einem Ritter. Mir war, als 
sprächst du meine eigenen Gedanken aus. Und weißt du, was sich 
hinter diesem schändlichen Angebot verbirgt? Der großmächtige 
Galahad hat die Hosen voll! Er fürchtet mich! Hohoho, gleich fühle 
ich mich doppelt so stark. Doch jetzt, Roland, sieh nach meinem 
Pferd!« 

Glücklich entfernte sich Roland. Und er schalt sich, daß er einige 

Minuten lang an seinem Herrn gezweifelt hatte. 

Im Stall herrschte Unruhe. Sigurds braune Stute schlug mit den 

Hinterbeinen aus und blieb keinen Augenblick still stehen. Das 
kannte man sonst von der Stute nicht. 

»Ruhig, Braune, ruhig, ganz ruhig!« sprach Roland auf das Pferd 

ein. »Willst schon zum Turnier, ja? Kannst die Zeit nicht abwarten. 
Ruhig Blut. Bald tönen die Hör  ...»Aus den Augenwinkeln sah 
Roland die hurtige, schleichende Bewegung. Mit zwei Sätzen 
schnellte er vom Pferd weg und warf sich auf den Fremden, der eben 
den Stall heimlich verlassen wollte. »Verfluchter Schurke, was treibt 
Ihr hier in fremden Ställen? Raus mit der Sprache, oder es ergeht 
Euch schlecht!« 

Roland erhielt einen derben Stoß vor die Brust und prallte zurück. 

Erst da erkannte er den fremden Eindringling. Es war Ritter Iwein! 

Der Ritter trug bereits festliche Kleidung. Er hatte sich völlig in 

der Gewalt. Nichts in seinem eckigen Gesicht verriet, wie sehr er 
sich eben noch erschrocken hatte. Schon lachte er Roland an. 

»Mir scheint, wir kennen uns  - ich irre mich doch nicht? Immer zur 

Stelle, wenn es schöne Damen und Stuten zu beschützen gilt, wie? 
Höre, mein Junge, gerade dich suche ich. Gestern abend war ich 
recht unwirsch, als du zwischen mich und das Fräulein tratest. Als 
ich heute morgen erwachte, dachte ich anders darüber. Kurz und gut, 
ich bin gekommen, dir zu danken, daß du mich vor einer 
Unbesonnenheit bewahrt hast. Und ich bitte dich, die leidige 
Angelegenheit zu vergessen. So, wie ich auch das Fräulein darum 

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bitten werde. Es ist sonst nicht meine Art, Damen zu belästigen. 
Aber die Erfolge deines Herrn hatten mich so gefreut, daß ich ein 
wenig hastig darauf trank. Mit einem Wort: Ich war voll des süßen 
Weines.« 

»Wenn es so ist, Herr Ritter, dann verzeiht auch Ihr mir meine 

Grobheit.« 

»Schon gut! Die Hand drauf! Du bist ein wackerer Knappe! Wie 

heißt du gleich?« 

»Roland, Herr.« 
»Werd's mir merken. Und schreib dir's hinter die Ohren: Wenn es 

dich je gelüsten sollte, den Dienst zu wechseln, komm zu mir, du 
sollst willkommen sein.« 

Sie schüttelten sich die Hände, und Iwein ging erhobenen Hauptes 

davon. Roland schaute ihm, zufrieden über diesen Ausgang des 
Streits, nach. Er hatte Iwein kämpfen und zweimal siegen sehen. 
Daher hielt er ihn für einen fähigen Ritter und war froh darüber, daß 
er nicht länger Schlechtes von ihm denken mußte. Seine Erklärung 
hatte ihm vollauf eingeleuchtet. 

Eine Viertelstunde später traf Henry bei Galahad ein und erstattete 

ihm Bericht. Ernst hörte der ihm zu. »Er ist ein unbegreiflicher 
Dummkopf«, empörte sich Henry. »Wie kann man nur auf so 
schönes Geld verzichten! Dieser Sigurd ist ein Idiot! Nun wird er aus 
dem Sattel fallen und bekommt keinen Penny dafür, sondern muß 
obendrein noch mit Pferd und Rüstung zahlen, wie die Turnierregel 
es verlangt!« 

Kurz darauf langte Iwein bei Lester an. Triumphierend zog er ein 

Schwert unter seinem langen Rittermantel hervor und rief: »Das ist... 
Nein, das war Sigurds Schwert! Ich stahl es aus seiner Rüstkammer, 
während er mit Henry verhandelte. Eine gefährliche Waffe, Lester. 
Die Schneide ist messerscharf. Ich merkte es, als ich seinen 
Sattelgurt damit zu drei Vierteln einschnitt! Sagt Galahad, er habe 
nichts mehr zu befürchten!« 

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Und wieder riefen die Trompeten schmetternd  - zum letzten Tag des 
großen Turniers. Nur ein Kampf würde noch zu sehen sein. Aber 
erneut überschwemmten die Bürger aus der Stadt und ihrer 
Umgebung die Erdwälle rings um den grünenden, jetzt schon an 
vielen Stellen von den Pferden zerstampften Platz. Der Bericht vom 
unentschiedenen Kampf des vorigen Tages hatte, vergröbert und 
ausgeschmückt in vieler Beziehung,  abendlich und nächtlich die 
Runde durch Schenken und Häuser gemacht und die Neugier 
gewaltig angefacht. 

Als das sechsmalige Hornsignal und die Stimme des Marschalls 

die beiden Kämpfer in die Schranken forderten, zeigte es sich, daß 
Sigurd in der Gunst des  Publikums gestiegen war. Nicht länger mehr 
war Galahad beim Volk der alleinige Favorit. Über Nacht war der 
arme Ritter zum Liebling vieler Menschen geworden, die selber auf 
der Schattenseite lebten. Sein Erfolg gab ihnen Mut. Ein Armer war 
nicht unbedingt verloren und im Nachteil  - das sagte ihnen sein 
Beispiel, und sie trugen den Kopf höher. 

Dennoch entfachte Galahads Auftreten größeren Jubel. Sein 

Anblick schmeichelte dem schönheitsuchenden Auge Und er brachte 
eine Überraschung. Statt des schneeweißen Pferdes ritt er diesmal 
einen feurigen Araber, dem auch das unkundige Auge die edle 
Abstammung auf den ersten Blick ansah. 

Und von jetzt an prasselten die Überraschungen auf die Zeugen 

dieses denkwürdigen Turniers nur so herab. 

Weil es ein Entscheidungskampf war, stellte der Marschall die 

Gegner vor die Wahl, ob sie die höfliche oder die tödliche Form des 
Duells wählen wollten. 

Alle bisherigen Kämpfe waren auf höfliche Weise ausgetragen 

worden. Das hieß, daß jeder Ritter ein dickes Holzbrett auf die 
Lanzenspitze gesteckt hatte, um den Gegner vor schweren 
Verletzungen zu bewahren. Auch diesmal erklärte Sigurd ohne 
Zögern, er wolle höflich kämpfen. 

Doch als Galahad die Frage gestellt wurde, entschied er sich für 

die tödliche Form  - ohne schützendes Holzbrett. Nach den Regeln 

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hatte bei unterschiedlicher Wahl die tödliche Form den Vorrang. Ein 
Raunen ging durch die Menge. Wollüstiges Gruseln bemächtigte sich 
vieler. 

Sigurd schüttelte unwillig den Kopf. 
Roland fühlte, wie seine Hände heiß und feucht wurden. 
Galahad hatte die Sonne zur Rechten, als die beiden Ritter zum 

ersten Gang aufeinanderzustürmten. Ohne daß es ihm bewußt wurde, 
öffnete Roland den Mund und schrie. Er überschrie die 
tausendfachen Anfeuerungsrufe der Menge mit seinem: »Sigurd, 
Sigurd!«  Eine merkwürdige Wandlung ging in ihm vor. Hatte er 
bisher zu dem Ritter wie zu einem Vater empor geschaut, so war ihm 
jetzt zumute wie einer Mutter, die ihr einziges Kind in die Schlacht 
und in den fast sicheren Tod ziehen sieht. 

Die schmalen Hufe des edlen Araberhengstes trommelten einen 

hektischen Wirbel. Sie rissen große Stücke Gras aus dem Boden und 
schleuderten sie hoch in die Luft. Auch Sigurds braune Stute gab ihr 
Bestes, ein zuverlässiges, erprobtes Roß. Mit Urgewalt stürmten die 
Ritter aufeinander zu, die nackten Lanzen auf den Gegner gerichtet. 
Wer sollte diesen Zusammenprall überleben? 

Da gerieten sie aneinander. Stahl klirrte auf Stahl. Funken stoben. 

Menschen schrien. Staub wallte auf. Zwei Lanzen splitterten. 

Beide hatten gut und mit großer Wucht getroffen. 
Jetzt waren sie aneinander vorbei, mit zerbrochenen Lanzen. Aber 

welch ein Unterschied! Sir Galahad saß riesenhaft im Sattel wie eine 
eherner, unbesiegliche Statue. 

Sigurd aber hing, ein kläglicher Anblick, weit nach hinten über. 

Mit letzter Kraft schien er sich festzukrallen und rutschte doch 
immer weiter ab. 

Roland schloß entsetzt die Augen. 
Neben ihm begann sein Kamerad Gerd zu zittern, legte 

schluchzend die Hände vors Gesicht und rannte dann in wilder 
Flucht davon, als werde er von einem unsichtbaren, bösen Dämon 
verfolgt. 

Roland schlug, aufs Schlimmste gefaßt, die Augen auf. 

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Und er sah, daß Sigurd sich mit übermenschlicher Anstrengung 

gehalten hatte. Während die Braune langsam zum Ende des Feldes 
galoppierte, richtete ihr Reiter sich wieder im Sattel auf. 

Verständnislos sah Roland dem flüchtenden Gerd nach. Eine 

schlimme Vorahnung griff mit kalten Fingern nach seinem Herzen. 

Die Ritter hielten. Neue Lanzen wurden ihnen gereicht. Frank war 

es, der Sigurd die Waffe übergab. Der Knappe war kreidebleich und 
flog am ganzen Körper. Er war für die Waffen verantwortlich, und 
Sigurds Schwert hatte heute morgen gefehlt. Trotz eifrigsten Suchens 
hatte er es nirgends finden können. Die scharfe Klinge war spurlos 
verschwunden. 

Frank hatte es nicht gewagt, dem Ritter die schlechte Nachricht 

mitzuteilen. Er wappnete ihn mit einem Ersatzschwert aus der 
Rüstkammer und hoffte inbrünstig, daß alles gutgehen werde. 

Gerd hatte eine ähnlich schlimme Überraschung erlebt. Als er den 

Sattelgurt auflegte, bemerkte er, daß er zu drei Vierteln eingerissen 
war. Es war zu spät, um den Schaden zu beheben. Er meinte, seine 
Pflicht vernachlässigt zu haben, und traute sich nicht, dem Ritter 
Meldung zu erstatten. Als er sah, daß beim ersten Kampfgang der 
Gurt mitten durchriß, rannte er weinend davon. 

Eine große Verwirrung hielt Sigurd umfangen, als er zum zweiten 

Male gegen Galahad anritt. Er hatte sich heute morgen so viele 
Kampfszenen im Geiste vorgespielt, aber keine hatte Ähnlichkeit mit 
der, die sich nun wirklich ereignet hatte. Sein Sattelgurt war 
gerissen! Wie konnte das geschehen? 

Er wußte, daß er einen zweiten Zusammenprall nicht im Sattel 

überstehen konnte. Schon jetzt hüpfte er bei jedem Galoppsprung 
wie ein Ball auf und nieder. Er hatte keinen Halt mehr. 

Und wie das Gericht Gottes brauste der riesige Galahad auf seinem 

schwarzen Pferd heran. 

Da faßte Sigurd einen schnellen Entschluß und versuchte den 

schwierigsten Stoß - den nach des Gegners Helm. 

Ihn traf Galahads Lanze in der Leibesmitte, schob ihn, fegte ihn 

förmlich vom Rücken der Braunen und schmetterte ihn in den Sand. 

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Doch im gleichen Augenblick klirrte seine Lanzenspitze gegen 
Galahads Helm und brachte den langen Mann aus dem 
Gleichgewicht. Auch Galahad fiel. 

Beide waren unverletzt. Sie sprangen auf, rissen die Schwerter aus 

den Scheiden und schwangen sich hoch. Die Pferde, ihrer 
menschlichen Last entledigt, trotteten nebeneinander fast einträchtig 
davon. Aus dem Staubwirbel schälte sich als erster in silbrig 
schimmernder Rüstung der hünenhafte Galahad, und auf der Tribüne 
schaute Gerhild voll Stolz auf den glänzenden Ritter. 

Dann tauchte Sigurd auf. Einen Kopf kleiner, aber massig in den 

Schultern. Ein Mann wie ein Bollwerk. 

Sigurd griff an! Sigurd führte den ersten Streich! Gewaltige Kraft 

saß dahinter. Muskeln wie eiserne Stränge, die sich gleichwohl in 
höchster Geschmeidigkeit dehnten und zusammenzogen. 

Der Streich war fürchterlich. Roland sah mit Falkenblick, wie 

trefflich er gezielt war. Und er kannte die Schärfe von Sigurds gutem 
Schwert, das ein berühmter Schmied geschaffen hatte. Trotz seiner 
geringen Geldmittel legte Sigurd immer Wert auf erstklassige Aus-
rüstung, und der Schmied, der dem Ritter wohlgesinnt war, nahm für 
sein Meisterwerk nur wenig Geld von ihm. An anderen begüterten 
Kunden hielt er sich dafür schadlos. 

Der Streich fiel, und Roland meinte, nun müsse Galahads Helm 

zerspringen und die Schärfe des Schwerts ihm den Kopf zerspalten. 
Doch der Helm hielt, und die Klinge glitt ab! 

Schlimmer noch, sie wurde schartig. Verwirrt schlug Sigurd nach, 

ehe er vollen Schwung holen konnte. 

Wohl traf er wieder. Aber machtlos klang das Schwert gegen den 

Helm, als poche jemand zaghaft an eine Tür. Und als Sigurd das 
Schwert wieder an sich riß, sahen es alle. 

Es war kürzer geworden! Die Spitze war abgebrochen! 
Da begann Frank zu weinen. Tränen stürzten über sein 

schweißbedecktes Gesicht. Unnennbares Grauen packte und 
schüttelte den Waffenknappen. Er war schuld. Er hatte geschwiegen 
und seinem Ritter ein schlechteres Schwert gegürtet. Nichts würde 

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Sigurd mehr retten. Frank konnte das Ende nicht mitansehen. Laut 
heulend drehte er sich auf den Fersen um und rannte auf den Wald 
zu, rannte, so schnell ihn seine Füße trugen, Roland konnte sich sein 
Verhalten nicht erklären. Aber er verschwendete auch wenig 
Gedanken daran. Denn sein Herr war in Not! 

Ungestüm drang Galahad auf ihn ein. Den Überraschungsangriff 

des Schauburgers hatte er unbeschadet überstanden. Jetzt war er an 
der Reihe. Sein Schwert hatte Überlänge, aber ihm lag es leicht in 
der mächtigen Hand. 

Gerhild sprang auf. Sie sah den Sieg ihres Herzensritters vor 

Augen. Rotglühend rief sie: »Gib es ihm, Gal, gib es ihm!« 

Die Damen ringsum nahmen ihren Ruf auf. Sie zwitscherten, 

zirpten, flöteten und sangen: »Gib es ihm, Gal, gib es ihm!« 

Henry faltete die Hände über dem stattlichen Bauch, gedachte der 

entgangenen 200 Dukaten und gönnte es dem armen Ritter weidlich. 
Begeistert stimmte er ein: »Gib es ihm, Gal, gib es ihm!« 

Lester schwieg.  Mit verkniffenem Mund sah er kaltblütig der 

Vernichtung Sigurds zu. Das war sein Werk! Er hatte jede 
Möglichkeit erwogen. Seine Taktik triumphierte. Bald würde 
Galahad dort sitzen, wo er ihn sitzen sehen wollte  - an der Tafelrunde 
des Königs. 

Iwein wandte  sich ab. Er verstand sich selber nicht mehr. War er 

es, der dem Sigurd das Schwert gestohlen und den Sattelgurt 
eingeschnitten hatte? Scham befiel ihn. Es tat ihm in der Seele weh 
mitanzusehen, wie ein tapferer Ritter durch Lug und Trug besiegt 
wurde und vielleicht sein Leben einbüßte. Iwein fühlte bittere Reue. 

Galahad schlug nicht überstürzt, sondern mit Bedacht. Seine 

Erfahrung, sein sicherer Blick lenkten den Schlag der überlangen 
Klinge. Doch noch gab Sigurd nicht auf. Er wich kaum einen Schritt. 
Mit dem zerhauenen Schild deckte er den Körper. So fintenreich 
Galahad das Schwert führte, so geschickt deckte sich Sigurd. Er 
führte sogar Gegenangriffe. Doch nach jedem Schlag, mit dem er 
sich Luft verschaffte, wurde sein Schwert, ein ausrangiertes 
veraltetes Stück, wiederum kürzer. 

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Plötzlich warf Sigurd das nutzlose Stück Stahl wie ein Messer dem 

attackierenden Galahad entgegen, der verblüfft innehielt. Dann 
packte der Schauburger den Schild mit beiden Händen und rannte 
gegen Galahad an, rammte ihm den Schild mit der federnden Kraft 
seines muskulösen, untersetzten, gestählten Körpers gegen den Leib. 
So brachte er den Riesen, dessen Erschöpfung sich jetzt bemerkbar 
machte, zu Fall. Nun warf Sigurd auch den Schild von sich und 
entriß mit einem mächtigen Ruck, bei dem er alle Muskelkraft 
gleichzeitig einsetzte, dem Gefallenen das Schwert. 

Galahad lag wie betäubt, aus Siegesträumen jäh zurückgerissen, 

der Länge nach am Boden. Sigurd setzte ihm, schwer atmend nach 
der gewaltigen Anstrengung, die Spitze des  überlangen Schwertes 
auf den zwischen Visier und Brustpanzer ungeschützten Hals und 
sprach langsam: »Ergebt Ihr Euch, edler Galahad?« 

Galahads Augen verdunkelten sich vor ohnmächtiger Wut, vor 

Todesangst und Verzweiflung. Sein Mund verkrampfte sich. Dumpf 
stieß er unter dem Visier die Worte hervor: »Nie ergibt sich Galahad. 
Töte mich, Sigurd! Stich zu! Mach ein Ende!« 

Drei Sekunden verharrte Sigurd bewegungslos. Die Größe des 

Augenblicks durchströmte ihn ganz. Es war ein Augenblick von 
unvergeßlicher Strahlkraft. Ein Augenblick, wie ihn nur selten ein 
Mensch erlebt, und dann nur einmal im Leben. Ein Augenblick, der 
schnell vergeht ... 

Dann ließ der Schauburger von dem Gegner ab, legte dessen 

Schwert in den Rasen, hob beide Arme, grüßte das jubelnde Volk 
nach allen Himmelsrichtungen und half dem besiegten Riesen wieder 
auf die Beine. 

Die beiden Ritter klappten die Visiere auf und sahen einander 

streng an. »Warum?« fragte Galahad mit bebenden Lippen, »warum 
habt Ihr mich nicht getötet?« 

»Nie«, antwortete Sigurd, »töte ich Wehrlose. Zieh dahin in 

Frieden!« 

Da schoß ihm aus Galahads Auge ein Blick flammenden Hasses 

entgegen, und der Unterlegene knirschte: »Fürchte meine Rache, 

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Sigurd! Eher fließt der Rhein seiner Quelle zu, eher wird ein Bettler 
König, als daß Ihr meiner Rache entgeht!« 

Als Roland seinen Herrn freudetrunken umarmte, flüsterte Sigurd 
ihm ins Ohr: »Ich bin todesmatt, mein Sohn. Ich muß mich auf dich 
stützen. Bring mich schnell ins Zelt!« 

Erschrocken legte Roland den Arm des Siegers über seine Schulter 

und führte ihn auf kürzestem Wege vom Feld. Immer wieder wurden 
sie von Menschen angehalten, die dem Ritter die Hand schütteln oder 
ihm wenigstens ein Kompliment machen wollten. Für jeden hatte 
Sigurd ein freundliches Wort übrig. 

Endlich erreichten sie ihr Zelt. Kaum schloß sich die Leinwand 

hinter ihnen, als Sigurd einen leisen Seufzer ausstieß und 
zusammenbrach. Roland fing ihn auf und ließ ihn dann sanft zu 
Boden gleiten. 

Gerd und Frank eilten herzu. Beide waren kreidebleich. Sie hatten 

hier zitternd und zagend das Ende des Kampfes abgewartet. 
Vorsichtig öffneten sie des Ritters arg verbeulte Rüstung. Als der 
Brustpanzer abgeschnallt war, sahen sie voll Schrecken, daß Sigurd 
aus mehreren Wunden blutete. 

Der Arzt kam nur Sekunden später. Nach genauer Untersuchung 

verkündete er in heiterem Ton: »Keine Sorge, meine Kinder. Starker 
Blutverlust, völlige Erschöpfung. Aber nur Fleischwunden. Knochen 
oder innere Organe sind nicht verletzt. Wenn ich ihn verbunden und 
mit einem Trunk gestärkt habe, kommt er rasch wieder zu sich. 
Heute abend ist Sigurd unter Garantie wieder so munter, daß er euch 
allesamt unter den Tisch trinkt.« 

Sie atmeten auf und überließen ihren Herrn getrost der Pflege des 

erprobten Arztes. Roland winkte den beiden Kameraden, ihm in die 
Rüstkammer zu folgen. Mit stockenden Sätzen berichteten sie ihm 
von ihren Verfehlungen. 

»Aber wer kann das Schwert gestohlen haben? Und wer hat den 

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Sattelgurt halb durchgeschnitten?« 

Sie zuckten die Achseln. Sie waren offenbar ahnungslos. 
Plötzlich fiel Roland seine Begegnung mit Iwein ein. Ob dieser 

zwielichtige Ritter zum Dieb geworden war? Roland erinnerte sich, 
daß Iwein trotz des milden Wetters einen langen Mantel getragen 
hatte. Darunter konnte er leicht das Schwert verborgen haben. 

Der Gedanke, von Iwein so gemein hinters Licht geführt worden 

zu sein, erfüllte ihn mit Zorn. Aber vielleicht tat er ihm unrecht? 
Vielleicht steckte ein anderer unbekannter Bösewicht hinter dieser 
Geschichte von Heimtücke und Hinterlist? Mochte Iwein auch ein 
Grobian im Umgang mit schönen Damen sein, als einen abgefeimten 
Schurken konnte Roland ihn sich eigentlich nicht vorstellen. 

Er mußte es herausbekommen. Es ließ ihm keine Ruhe. Er erhob 

sich und sagte: 

»Ihr beide bleibt hier! Erzählt dem Ritter, was vorgefallen ist, 

sobald er wieder bei Kräften ist. Da alles gut abgelaufen ist, denke 
ich, er wird euch verzeihen.« Und weg war er. 

Roland begab sich zum Festplatz. Kaum jemand dort dachte an den 

Heimweg. Nach dem Ende des offiziellen  Turniers hatten harmlosere 
volkstümliche Wettbewerbe begonnen, an denen sich der Ritteradel 
nicht beteiligte. Schäfer und Kuhhirten liefen um die Wette. Jäger 
schossen mit der Armbrust auf Ringscheiben. Kräftig gebaute junge 
Männer hatten die Oberkörper entblößt und rangen miteinander. 

Überall hatten sich Gruppen gebildet, die hitzig den unerwarteten 

Ausgang des spannenden Ritterturniers diskutierten. Das Lob des 
armen Ritters erscholl in höchsten Tönen. Jedes Wort tat Roland so 
wohl, als gelte es ihm selber. 

Von Iwein und Henry war nichts zu sehen. 
Plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Keine zehn Schritte vor 

ihm lehnte die schöne Rosalynn unter einem Baum. Auch sie hatte 
ihn erblickt. Sie winkte ihm zu. Sie lachte und bedeutete ihm, zu ihr 
zu kommen. Als er sich ehrerbietig näherte, stellte sie ihn ihren 
Freunden mit den Worten vor: »Das ist der Knappe des Ritters 
Sigurd  - und mein Kavalier! Er hat mich gestern auf seinem edlen 

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Zelter«  - und hierbei kniff sie schalkhaft ein Auge zu  - »sicher nach 
Hause begleitet.« 

Die Herren und Damen behandelten Roland nach dieser 

Einführung mit ausgewählter Freundlichkeit. Nach Sigurds großem 
Sieg stand unvermittelt jeder, der zu des Ritters Gefolge zählte, in 
hohem Ansehen. 

Roland gab auf alle Fragen artig Antwort, und man war allgemein 

entzückt von dem gutgewachsenen, offenherzigen und höflichen 
Jüngling. Von Zeit zu Zeit stahl er einen heimlichen Seitenblick auf 
Rosalynn und errötete, wenn er merkte daß auch ihr Auge 
wohlgefällig auf ihm ruhte. In dieser Zeit vergaß Roland, was ihn 
hierhergeführt. Er dachte nicht mehr an Iwein und an die finsteren 
Ränke, die er hatte aufspüren wollen. Seine Seele war ganz von 
Rosalynns holdem Wesen ausgefüllt. 

Wenn er ein berühmter Minnesänger wäre, er würde ihr jedes 

seiner Lieder widmen. Wenn er ein fahrender Ritter wäre, er würde 
alle Welt mit dem Schwerte davon überzeugen, daß Rosalynn das 
schönste weibliche Wesen unter der Sonne sei. Wenn er ... Aber, ach, 
er war nur ein armer Knappe, von dessen Herrn Ruhm für einen Tag 
lang ein bescheidener Abglanz auf ihn fiel. 

Oder lag doch ein Versprechen eigener Art in dem langen Blick, 

den Rosalynn ihm schenkte? 

Immer mehr Menschen kamen herzu. An diesem Festtag mischten 

sich Adel und Volk. Roland sah, wie Uri und sein Freund, der 
Bogenschütze, in einiger Entfernung vorüberkamen und ihn scheu 
grüßten. Nie mehr würden sie es wagen, ihn anzugreifen. 

Eine Welle von Stolz durchwogte ihn. Es war doch etwas 

Besonderes, der Schildknappe des Sigurd zu sein, der die edelsten 
Ritter des Landes besiegt hatte. Und Rosalynn erschien ihm nicht 
mehr so fern und unerreichbar. Nur Mut, Roland  - sagte er zu sich 
selber - vielleicht erwidert sie sogar deine Zuneigung. 

Da erscholl helles Gelächter hinter ihm. Zwei weiche 

Mädchenhände legten sich auf seine Augen, und ein Mund küßte ihn 
auf den Hals. 

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Er fuhr herum und nahm die Mädchenhände von seinen Augen. 
Es war Kathi. Kathi im Festtagsstaat. Herausgeputzt, mit Schmuck 

in den Ohren und um den Hals, strahlend, jung, sauber, hübsch  -  aber 
wie fad und nichtssagend, wie unbedeutend im Vergleich zu 
Rosalynn! 

»Nun, Roland, mein Schatz«, sagte Kathi, »führ mich herum. Ich 

bin hungrig und durstig. Du wirst deiner lieben Kathi doch etwas 
spendieren, nicht wahr, mein geliebter Schatz?« Und sie hängte sich 
bei ihm ein und tat, als gehörten sie seit langem zusammen. 

Er warf einen raschen Blick auf Rosalynn. Natürlich hatte sie alles 

wahrgenommen. Ihre Lippen waren verächtlich gekräuselt, und sie 
wandte sich mit einer heftigen Bewegung, die ihm das Herz zerriß, 
von ihm ab und schritt schnell hinweg. 

Roland verstand kaum noch, welchen Zauber Kathi in der letzten 

Nacht auf ihn ausgeübt hatte, denn er meinte, ihre Gesellschaft kaum 
ertragen zu können. Und er war doch vor wenigen Stunden glücklich 
mit ihr gewesen! So wandelbar ist des jungen Mannes Herz. 

Mit dem Vorwand, er müsse einen Auftrag seines Ritters erfüllen, 

entfernte er sich bald von der ihm lästig gewordenen Gefährtin. Kathi 
war verblüfft. Ihr »geliebter Schatz« erschien ihr gar zu abweisend. 
Doch machte sie sich wenig Gedanken darüber. Aus Erfahrung 
wußte sie, daß sie nie lange allein blieb. Es gab viele Burschen, die 
sich nach ihrer Gunst sehnten. Und sie war nicht sonderlich 
zurückhaltend. Im Laufe eines Jahres sah mancher junge Mann 
Kathis Kammer von innen. Sie weinte niemandem eine Träne nach. 

Bei Rolands Rückkehr erwartete ihn neue Aufregung. In der 

Zwischenzeit hatten Galahads Knappen das Lösegeld bezahlt, indem 
sie die silbrig schimmernde Rüstung und den feurigen Araber 
überbrachten. Schnell empfahlen sie sich wieder. 

Sie sahen nicht, wie sich Sigurds Zelt mit Freunden und Bekannten 

füllte. Der Ritter war, wie der Arzt vorausgesagt hatte, wieder auf 
den Beinen und wirkte stark wie immer. 

Eine Kanne Wein hatten Galahads Knappen zurückgelassen. Der 

ungeschickte Schlenker eines Landedelmannes brachte sie zu Fall, 

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und der Inhalt floß auf die Erde. Sigurds Lieblingshund »Hetzer« 
schleckte davon. 

Zwei Minuten später begann er zu winseln, drehte sich wie 

verrückt im Kreise, bekam Schaum vor den Mund, bellte ein 
letztesmal wie in höchster Verzweiflung und brach dann tot 
zusammen. 

»Gift«, sagte einer totenblaß in die plötzliche Stille. 
Und das schreckliche Wort nistete sich in die Fröhlichkeit ein. Wer 

hatte Sigurd vergiften wollen? 

Roland war schon auf dem Weg zum Ausgang, als Sigurds Stimme 
ihn einhalten ließ. »Wohin so eilig?« 

»Der Überbringer des vergifteten Weins ... Ich will ihn fangen... « 
»Wozu? Um ihm etwas anzutun? Wer sagt dir, daß er überhaupt 

von dem Gift wußte? Man hat ihm womöglich die Kanne in die Hand 
gedrückt, ohne ihm zu verraten, daß er den Tod trug.« 

Roland fühlte die Blicke aller Anwesenden auf sich gerichtet. Die 

Gesichter waren ernst. Aber er zögerte nur wenige Sekunden mit der 
Antwort. Dann sagte er: »Ich hoffe, von dem Boten den Namen des 
Auftraggebers zu erfahren.« Und wieder wandte er sich zum Gehen. 

»Halt!« rief Sigurd. 
Roland erstarrte. 
»Mit deinem Maulesel wirst du den Boten nie einholen. Nimm die 

braune Stute! Sie gehört fortan dir. Ich schenke sie dir!« 

Roland stammelte einen Dank und stob davon wie der Wind. Er 

legte der Stute seinen alten Sattel auf, tätschelte das aufmerksame 
Tier ein wenig, sprang auf und galoppierte los. 

Das war ein anderes Reiten als auf seinem zwar ausdauernden, 

aber eigenwilligen und viel langsameren alten Ziegenbock. Es kam 
ihm so vor, als schmelze der Boden unter der Stute Hufen nur so 
dahin. Weit in der Ferne sah er das hellschimmernde Gewand eines 
Knappen. Ob es aber Galahads Wappen, das Ahornblatt, auf dem 

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Rücken hatte, war nicht zu erkennen. 

Vornüber gebeugt stand Roland in den Steigbügeln und schnalzte 

mit der Zunge. Willig streckte sich die Braune. Eben verschwand das 
helle Tuch des Knappen hinter den ersten Bäumen. 

Wenige Minuten später erreichte Roland die Stelle. Jäh zügelte er 

sein Roß. Die Stute gehorchte ihm auf den leisesten Wink. Es war, 
als sei sie seit Jahren unter ihm gegangen. 

An dieser Stelle waren weder Weg noch Steg zu finden. Dichtes 

Unterholz erschwerte das Eindringen in den Wald. Mit einem Laut 
der Überraschung sprang Roland behend aus dem Sattel, band die 
braune Stute an einen Baumstamm und zwängte sich zu Fuß durchs 
Gebüsch. Abgerissene Zweige deuteten darauf hin, daß jemand sich 
vor ihm den Weg durch die Wildnis gebahnt hatte. 

Von Zeit zu Zeit blieb Roland stehen und lauschte angespannt. Er 

hörte das Knacken eines Astes. Aber wer konnte entscheiden, ob das 
Geräusch von Mensch oder Tier verursacht war? Es half nichts. Er 
mußte weiter. Nach zehn Minuten kam er leichter voran. Das 
Buschwerk wich zurück. Nur Moos und Wurzeln bedeckten noch 
den Erdboden. Fichten streckten ihre schlanken Stämme 
himmelwärts. 

Stehenbleiben, lauschen. Der Ruf des Pirols. Im Tiefflug strich 

eine Elster, ein schwarzweißer Blitz, zwischen den Bäumen dahin. 
Eichkätzchen kletterten rasend schnell die Stämme empor. Ein Fuchs 
schnürte eilig davon. Aus einiger Entfernung klang das Gezwitscher 
von Finken. 

Und wieder hörte er schleichende Schritte und lauschte. 
Ganz in der Nähe schlug ein Kuckuck an. 
Und da waren sie schon über ihm!  Von allen Seiten stürzten sie, 

vom Kuckucksruf alarmiert, über ihn her, rissen ihm die Beine 
unterm Leib weg, warfen ihn der Länge nach zu Boden, knieten sich 
auf seine Brust, preßten ihm Arme und Beine gegen Moos und Farn, 
und einer hielt ihm den Mund zu. 

Wie Irrwische waren die Räuber, mit dem Walde vertraut wie kein 

anderer, aus ihrer Deckung gesprungen und hatten ihn in einem 

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Anlauf wehrlos gemacht. 

Roland strampelte zwar mit aller Macht, mußte aber einsehen, daß 

er nicht das geringste ausrichten konnte. Die Kerle ließen ihn nicht 
los. Sehnsüchtig schaute er den Eichhörnchen nach, die sich mit 
gleitenden Schritten hoch hinauf jedem Verfolger entzogen. 

Ein bärtiges, ungepflegtes Gesicht erschien in seinem Blickkreis. 

Er erkannte Louis. Der Räuberhauptmann grinste ihn mit 
unverschämtem Ausdruck an. »Durchsucht seine Taschen, Leute!« 
rief er. »Nehmt ihm seinen schändlichen Lohn als Rittersknecht weg! 
Er schuldet mir noch zehn Dukaten  - mit Zinsen und Zinseszinsen 
zwanzig.« 

Flinke Finger tasteten seinen  Körper ab und durchwühlten jede 

Tasche. Dann wurden Rufe der Enttäuschung laut. Roland führte 
keinen Penny bei sich. 

Auch der Räuberhauptmann verbarg seinen Ärger nicht. Er trat 

dicht an den liegenden Knappen heran. »Nichtswürdiger Bube«, 
schnaubte er. »Es zeugt von keineswegs adliger Gesinnung, einen 
armen Räuber so elend zu prellen.« 

Roland wollte zornig erwidern, aber immer noch wurde ihm der 

Mund zugehalten. Wütend biß er in die fremde Hand. Sie wurde 
hastig zurückgezogen, und der Gebissene fluchte laut. 

Louis redete sich in Wut. »Was suchst du überhaupt in unserem 

Wald, wenn du uns nicht mal den schuldigen Zoll entrichten 
kannst?« schimpfte er. 

»Ich folgte einem, der ein weißes Gewand trug«, entgegnete 

Roland trotzig. »Jetzt erst bemerke ich meinen  Irrtum. Es war jener 
da, der wie ein Wiesel aussieht. Eine Verwechslung! Ich wette, noch 
nie zuvor bedeckte ein so weißes Hemd seinen armseligen Körper.« 

»Alfons, hörst du, wie er dich beleidigt?« 
»Kann man einen Dieb beleidigen, wenn man ihn Dieb nennt?« 
»Du nennst mich einen Dieb?« Alfons war empört. »Es war um die 

Mittagsstunde, und die Sonne brannte heiß auf dem Turnierplatz, als 
ein Zuschauer bei den Ringkämpfen sich des Hemdes entledigte und 
es ins Gras legte. Warum tat er es wohl? Weil er des Hemdes 

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überdrüssig war und es nicht mehr auf seinem Körper litt. Also tat 
ich ihm Gutes, da ich es an mich nahm und mich darin hüllte.« 

Roland verschlug es ob dieser abgefeimten Frechheit für kurze Zeit 

den Atem. Dann sprach er Louis an und verlangte, freigelassen zu 
werden. »Zu zehnt seid ihr über mich hergefallen. So feige können 
wirklich nur Räuber sein! Warum bestimmst du nicht einen von 
deinen Strolchen, daß er mir im ehrlichen Zweikampf 
gegenübertritt?« 

Louis grinste tückisch. »Ich will dir ausnahmsweise den Wunsch 

erfüllen, erbärmlicher Rittersknecht, damit du siehst, welch edle 
Gesinnung ein verfemter Räuber besitzt. Laßt ihn los! So. Nun erheb 
dich! Stell dich dahin! Und ihr anderen, meine lieben Räuber, stellt 
euch im Kreis! Ben, tritt vor! Zeig diesem großmäuligen 
Eindringling das Gesetz des Waldes!« 

Ben trat vor. Er war von dunklem Haar und genauso groß wie 

Roland, der alle Knappen um Haupteslänge überragte. Aber Ben war 
viel breiter in den Schultern als Roland. Vierschrötig stand er lauernd 
da und schwenkte einen hölzernen Morgenstern, eine mächtige Keule 
aus Eichenholz, die mit eisernen Spitzen bestückt war. 

Roland sah ihn anerkennend, aber furchtlos an und forderte Louis 

auf, ihm eine Waffe zu geben. 

»Bück dich«, gab Louis zurück. »Der Wald ist voller Waffen. 

Nimm dir eine!« 

Die Räuber stimmten ein höhnisches Gelächter an. Roland zuckte 

die Achseln und ergriff einen langen, kräftigen Ast, der bei einem 
Gewitter abgebrochen sein mochte, aber noch voll im Saft stand. Er 
war schwer, wenn auch nicht mit Bens Morgenstern zu vergleichen. 

Ben duckte sich und umkreiste Roland, die Keule stets 

schlagbereit. Aber ehe er es sich versah, griff Roland mit drei 
gleitenden Schritten an! 

Ebenso rasch zog der Knappe sich wieder zurück. Mit dieser Finte 

hatte er nur die Reaktionsschnelligkeit seines Gegners prüfen wollen. 
Denn wenn Ben so flink wie stark war, mußte er unter den 
augenblicklichen Verhältnissen als unüberwindlich gelten. Doch dem 

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war nicht so, und Roland seufzte erleichtert auf. Als Ben den 
Täuschungsangriff parieren wollte, war Roland schon wieder auf 
dem Rückzug. 

Ben grunzte erstaunt. Er meinte, Roland fürchte sich vor ihm. Mit 

tapsigen Schritten ging er vorwärts. Zwei Meter vor Roland, der ihn 
nicht aus den Augen ließ, hielt er inne,  hob bedächtig den 
Morgenstern über die Schultern, über den Kopf, streckte ihn 
himmelwärts, zögerte sekundenlang, als nehme er gründlich Maß ... 

... und ließ dann das furchtbare Instrument mit der ungeheuren 

Kraft seines stämmigen Körpers niedersausen, genau auf Rolands 
ungeschützten Schädel zu! 

Nur daß Roland nicht mehr an der alten Stelle verweilte, sondern 

gedankenschnell zur Seite gehuscht war. 

Verblüfft stellte Ben fest, daß das Vorderende seines mörderischen 

Knüttels sich tief in den Waldboden bohrte, ohne seinem Gegner den 
geringsten Schaden zu tun. Wieder grunzte er unmutig. Und wollte 
eben den Morgenstern wieder heben, als ihn Rolands Schlag mit dem 
mächtigen Ast quer über die Unterarme traf. Er schrie auf und ließ 
den Morgenstern fallen. Unverzüglich kehrte Roland seinen Ast um 
und gebrauchte ihn als Stoßwaffe. Dreimal stieß er Ben vor die breite 
Brust, bis dem die Luft entwich - und mit ihr jegliche Kampfeslust. 

Er brüllte vor Pein und verlangte, daß der Kampf abgebrochen 

werde. 

»Weiter!« rief Louis. 
Und Roland griff an. Da schlangen sich zwei Arme um seine 

Beine, und er stürzte vornüber zu Boden. 

Doch wieder griff Louis ein. »Weg da!« rief er dem Räuber zu, der 

den Knappen hinterlistig zu Fall gebracht hatte. »Nennt ihr das einen 
ehrlichen Zweikampf? Bei meiner Räuberehre, ich hätte nicht übel 
Lust, dich an deinen eigenen Beinen aufzuhängen!« 

Grollend protestierten die Räuber, während Roland aufsprang und 

Ben verfolgte. Doch schon nach wenigen Schritten machte der 
Knappe kehrt. Ben leistete keinen Widerstand mehr. Er heulte vor 
Angst und bat um Gnade. 

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Ungeachtet der Warnung ihres Hauptmanns versuchte der eine 

oder andere Räuber, Roland ans Leder zu gehen. Doch ein paar 
Streiche mit dem Ast belehrten sie eines Besseren. Und als Roland 
gar zu dem Morgenstern, Bens Waffe, griff, sah er plötzlich nur noch 
die Kehrseiten der Räuber. 

Auch der bärenstarke Ben machte keine Ausnahme. Und jetzt 

stand er an Schnelligkeit seinen Kumpanen in nichts nach. Roland 
mußte lachen, als er den schweren Schlagetot  über einen 
Baumstamm springen und dann mit Urgewalt durch dichtes 
Buschwerk brechen sah. Er wandte sich um und sah Louis nicht weit 
entfernt mit finsteren Blicken die Flucht seiner Kumpane betrachten. 

»Sie sind hirnlose Feiglinge!« rief Roland. 
»Feiglinge, ja«, bestätigte Louis, »aber nicht hirnlos. Ganz im 

Gegenteil. Sie sind leider viel zu schlau geworden, um noch tapfer zu 
sein. Das lange, zuchtlose Leben als Verfemte hat sie geprägt. Sie 
sind mittlerweile so mit allen Wassern gewaschen, gerieben und 
gesalzen, daß sie nicht mehr zum ehrlichen Räuberdasein taugen.« 

»Sie taugen zu gar nichts.« 
»O doch«, widersprach Louis. »Jetzt taugen sie zum Spießbürger. 

Dem Gesetz des Waldes gehorchen sie nicht mehr. Dem Gesetz der 
Städte würden sie sich heuchlerisch unterwerfen, die Frau betrügen 
und den Nachbarn hintergehen  - und alles mit scheinheiligem 
Gesicht und frommen Phrasen. Ich fürchte, ich muß mir eine neue 
Bande suchen  - von Kerlen, die nur mich fürchten und sonst weder 
Tod noch Teufel. Wärst du nicht durch viele Monate Dienst in der 
Burg und im Sattel bis in das Innerste deiner Seele verfault, Knappe, 
ich hätte nicht übel Lust, dich anzuwerben.« 

Roland schüttelte ernst den Kopf. »Ich habe mit dir und 

deinesgleichen nichts gemein.« 

»Hoho, nicht so eingebildet, schändlicher Rittersknecht! Jetzt hast 

du mir zweimal eine bittere Niederlage bereitet  - nun fürchte das 
Glück, das keinem zum drittenmal lächelt. Wiederum kündige ich dir 
an: Wir treffen uns wieder  - und dann wirst du heulen und mit den 
Zähnen klappern!« 

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Sprach's und verschwand im Waldesschatten. 

Als Roland ins Lager zurückkehrte, waren die Zelte von Galahad und 
seinen Freunden abgebaut. Niemand hatte sie wegreiten sehen. Sie 
waren wohl in großer Eile davongezogen. Auf ihre Burgen, zu 
anderen Turnieren, zu neuen Abenteuern - wer konnte es sagen? 

Die Räuber ließen ihren Häuptling Louis im Stich und zerstreuten 

sich in alle Winde. Nur zwei von ihnen blieben zusammen und 
beschlossen, gemeinsame Sache zu machen. Sie paßten auch gut 
zueinander. Einer war abgefeimter und gefährlicher als der andere. 
Der wieselhafte Alfons sah sich als Kopf des Zweierbundes und den 
starken Ben als Muskelmann. 

Ritter Sigurd kehrte mit seinen Knappen zur Schauburg zurück, wo 

ihn seine Frau Sieglinde mit Sehnsucht erwartete. Die Kunde von 
seinen erstaunlichen Waffentaten beim Turnier in Xanten eilte dem 
kleinen Trupp voraus. Überall wurde er unterwegs herzlich begrüßt. 

Es folgten ein paar fröhliche Tage. Sigurd zahlte jedem seiner 

Bauern, Pächter und Landsassen zwei und jedem Burgbewohner drei 
goldene Dukaten aus. Er ließ ein paar Schweine schlachten und lud 
alle, die Lust hatten zu kommen, zum großen Schmaus ein. 

Daß er mit dem Turniersieg in Xanten auch den zwölften Sitz an 

der Tafelrunde des Königs Artus errungen hatte  - davon wußten sie 
alle nichts. Und kein Herold konnte ihm die Nachricht überbringen, 
die sein Glück vollkommen gemacht hätte. 

Auf Schloß Camelot wartete indessen der König vergebens auf den 
neuen Ritter der Tafelrunde. Er erschien ebensowenig wie der Herold 
Reginhar, der spurlos verschwunden war. 

Nach einer Woche begab sich Artus auf eine Fahrt zum Heiligen 

Gral und ließ Camelot in der Obhut des treuen Burgvogts Bruno 

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zurück. Seine schöne Gemahlin Ginevra vertrieb sich die Zeit mit 
Brettspielen.  

Nach Abschluß der Festgelage auf der Schauburg wollte Sigurd 

seinem bewährten Schmied den Auftrag für ein neues Schwert 
zukommen lassen. Als Boten wählte er Roland. Frohgemut machte 
sich der tatendurstige Jüngling auf den Weg. Alter Ziegenbock blieb 
diesmal gleich im Stall. Stolz ritt Roland auf der braunen Stute. 

Indessen hatte der Schmied bereits durch fahrende Sänger von 

Sigurds Erfolgen erfahren  - und auch von dem verlorengegangenen 
Schwert. Kurz entschlossen machte er sich daran, ihm ein neues zu 
schmieden. Es sollte ein Meisterwerk werden  - hart wie ein Fels, 
geschmeidig wie eine Bogensehne und scharf wie ein Rasiermesser. 
Mit großer Sorgfalt arbeitete er daran und wog das vollendete Werk 
gerade erfreut in der Hand,  als zwei abgerissen aussehende Burschen 
seine Werkstatt betraten. 

Der Schmied legte das Schwert auf den Amboß zurück. Das war 

sein Fehler. 

Ein zweiter Blick in die Halunkengesichter belehrte ihn, daß von 

den beiden kaum etwas Gutes zu erwarten war. Rasch  wollte er nach 
dem Schwert greifen. Doch Alfons, das Wiesel, war, schneller und 
hatte die Klinge vor dem Schmied in der Hand. Noch immer aber 
taten er und seinen Kumpan Ben, als seien sie harmlose Wanderer 
auf der Suche nach einem Nachtquartier. 

Der Schmied trat vorsichtig einige Schritte zurück. Er war ein 

kräftiger und alles andere als furchtsamer Mann, aber jetzt beschlich 
ihn ein Gefühl großer Angst. 

Alfons führte einen Lufthieb mit der Waffe und übergab sie dann 

Ben. Ihm war sie viel zu schwer. Während der Hüne vorsichtig mit 
dem Daumennagel die Schärfe der Schneide prüfte, fragte Alfons 
lauernd: »Wo verbirgst du eigentlich deine Schätze, Schmied?« 

»Ich bin ein armer Handwerker. Schätze? Davon kann ich nicht 

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einmal träumen!« 

»Sei nicht so ekelhaft bescheiden, Schmied. Wir hörten es anders. 

Du bist ein hochberühmter Künstler und läßt dir deine Waffen teuer 
bezahlen.« 

»Ja, wenn es so wäre! Aber die Ritter klagen ständig darüber, daß 

sie kein Geld hätten, und knausern mit den Dukaten. Oft bekommt 
man erst jahrelang später ein wenig bezahlt.« 

»Was?« erregte sich Alfons mit gespieltem Pathos. »Willst du die 

edle Ritterschaft schmähen?« 

Da fiel der nach einer Fluchtmöglichkeit suchende Blick des 

bedrängten Schmieds durch das kleine getrübte Fenster. Von weit her 
näherte sich seiner Werkstatt ein Reiter! Er erkannte die rotgelben 
Farben des Ritters Sigurd. Hoffnung zog in sein geängstigtes Gemüt. 

Dem wachsamen Alfons war der spähende Blick nicht entgangen. 

Von Natur argwöhnisch, schöpfte er sofort Verdacht. Mit einem Satz 
sprang er ans Fenster und schaute hinaus. 

Fluchend zog er den Kopf zurück und packte seinen Kumpan an 

der Schulter. »Wir müssen weg, Ben!« rief er. »Der Knappe, der uns 
neulich im Wald so übel mitgespielt, ist auf unserer Spur.« 

Zu des Schmieds grenzenloser Erleichterung fuhr dieser Ruf auch 

dem hünenhaften Ben in die Knochen. Ehe der Schmied tief Atem 
holen konnte, waren die beiden Räuber verschwunden. Aber das 
neue Schwert nahmen sie mit! 

Der Schmied stürzte vor die Tür und beobachtete die wilde Flucht 

der beiden Räuber. Sie verschwanden in einer Gruppe von Bäumen, 
die längs eines schnell fließenden Baches standen. Wenn sie diesen 
Bach aufwärts verfolgten, würden sie in einer halben Stunde eine 
Burg erreichen. Dort lebte einsam mit nur wenigen Bediensteten ein 
schönes Fräulein. Ihre Mutter war seit langem tot, der Vater ständig 
unterwegs auf der Suche nach Abenteuern. Soviel der Schmied 
wußte, war das Fräulein erst vor wenigen Tagen von einem Besuch 
bei befreundeten Adligen zurückgekehrt. 

Roland näherte sich schnell. Die braune Stute witterte nämlich den 

Stall. Deshalb wurde ihr Schritt, ohne angetrieben zu werden, immer 

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raumgreifender. 

Schon von weitem rief der Schmied dem Knappen entgegen: »Ich 

bin überfallen worden! Zwei Räuber waren es! Sie haben das 
Schwert gestohlen, das ich für Euren Herrn schmiedete!« 

Aufgeregt sprudelte er mehrmals die gleichen Sätze hervor, und 

Roland mußte einige Male nachfragen, bis er den ganzen Sachverhalt 
erfuhr. Ohne noch eine Sekunde länger zu säumen, dankte er dem 
Schmied und jagte die Braune geradewegs zum Bachufer hin, wo er 
den Spuren der Räuber aufwärts folgte. Bald kam er zur Burg. 

Den Burghof fand er leer vor. Roland sprang ab und schaute sich 

aufmerksam um. 

Plötzlich hörte er einen markerschütternden Schrei. Es war der 

Entsetzensschrei einer Frau in Not. 

Roland stürmte in die Burg. Die Halle war leer. Er fand eine 

Steintreppe, die er mit großen Schritten hinaufeilte. Im zweiten Stock 
stand eine Tür auf. Ohne abzustoppen, raste er blindlings über die 
Schwelle. 

Und da sah er sich seiner angebeteten Rosalynn gegenüber! 
Der hünenhafte Räuber Ben trug das Schwert in der Rechten. Mit 

der linken Hand zerrte er roh das Fräulein vom Fenster weg. 
Wahrscheinlich hatte es es beim Erscheinen des Bewaffneten 
geöffnet und gedroht, sich hinauszustürzen. 

Alfons half seinem Kumpan. Gemeinsam schleppten sie Rosalynn 

zu einer Liegestatt an der dem Fenster gegenüberliegenden Wand. 

»Vorsicht!« rief Alfons schrill, »der Knappe!« Und dabei wich er 

mit weitgeöffneten Augen vor Roland zurück. 

Der überschritt gerade keuchend die Schwelle. 
Ben drehte sich um, ohne das Fräulein loszulassen. Es schrie und 

strampelte aus Leibeskräften, konnte aber nicht das geringste gegen 
den bärenstarken Ben ausrichten. 

»Verschwinde!« rief der Räuber Roland zu. »Kommst du noch 

einen einzigen Schritt näher, dann schlage ich dieser Frau den Kopf 
ab!« Und er schwang das Schwert, das hart wie ein Fels war, 
geschmeidig wie eine Bogensehne und scharf wie ein Rasiermesser  - 

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aber in den falschen Händen! 

Das Burgfräulein schluchzte herzzerbrechend. Es war wie erstarrt 

jetzt und wagte keine Bewegung mehr zu machen. Es fürchtete, daß 
der Bösewicht jeden Augenblick seine furchtbare Drohung ausführen 
werde. 

Und auch Roland stand wie angewurzelt. Er war ratlos. Nichts in 

seinem bisherigen Leben hatte ihn auf eine derartige Situation 
vorbereitet. Nichts, was er je gesehen, erzählt bekommen oder 
gelernt hatte. Er regte sich keinen Zoll  - und doch bebte er am 
ganzen Leibe, während tausend Gedanken durch sein Hirn schössen. 

Wie sollte er wissen, was jetzt zu tun war? 
Als Kind schon hatte Roland von Grund auf das Köhlerhandwerk 

gelernt  - ohne es je zu mögen. Sein Vater war kein weicher 
Lehrmeister, aber niemand hatte je seine Mutter bedroht, die ihm 
Herzensgüte und Freundlichkeit vermittelte. 

In den unermeßlichen Wäldern seiner Kindheit und Jugend waren 

ihm bald die meisten Geheimnisse der Tiere und Pflanzen vertraut 
geworden, und er lernte, mit dem Bogen meisterhaft umzugehen. 

Jetzt aber stand er zehn Schritte von einer Frau entfernt, die ein 

Strolch enthaupten wollte. Ihre Angstschreie schnitten ihm in die 
Seele, aber die zehn Schritte blieben unüberbrückbar, denn schon 
beim ersten würde der Strauchdieb zuschlagen. 

Einige Jahre war es her, daß  Roland auf die einsame Höhle des 

Eremiten Klaus gestoßen war. Aus gelegentlichen Besuchen wurde 
bald eine freundschaftliche Beziehung. Klaus unterrichtete den 
Jungen in den Fremdsprachen Fränkisch und Angelsächsisch, für die 
er große Begabung zeigte. Und  er lehrte ihn Religion und den 
geheimnisvollen Lauf der Gestirne. 

Aber er erklärte ihm nicht, wie man ein schwaches Weib aus den 

Händen eines gereizten Unholds rettete, ohne ihr Leben aufs Spiel zu 
setzen. 

Als Knappe machte sich Roland mit allen Forderungen des 

Ritterstandes vertraut. Bald konnte er reiten und Pferde pflegen, 
tanzen, fechten und Waffen führen. Er erfuhr, daß man sich beim 

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Essen die Nase nicht mit dem Tischtuch putzt, wie es, seine Eltern 
noch taten, wenn sie an Feiertagen eins auflegten. Und er hielt es 
fortan für seine höchste Pflicht, Armen, Schwachen, Frauen und 
Kindern in der Gefahr beizustehen. 

Soviel hatte er gelernt, so viele Fertigkeiten beherrschte er nun. 

Und doch wußte er keinen Weg, Rosalynn aus der wütenden 
Umarmung des bösartigen Schurken zu befreien! 

Plötzlich dachte er an Ritter Sigurd, sein strahlendes Vorbild. Und 

er überlegte: Was würde der Ritter an meiner Stelle tun? 

Zurückweichen? In keinem Fall! 
Untätig zögern? Unvorstellbar! 
Also angreifen! 
Aber wie? 
Vor seinem geistigen Auge erschien die Gestalt des Ritters  - nicht 

hochgewachsen, aber breitschultrig und respektheischend in jeder 
Stunde. Und ihm war, als höre er die kräftige, befehlsgewohnte 
Stimme in einem Ton, der keinen Widerspruch duldet, machtvoll 
sprechen: 

Leg das Schwert nieder, das dir nicht gebührt, Schurke! 
Wie Schuppen fiel es Roland von den Augen. Klar wurde ihm, wie 

sein Herr handeln würde! Das Haupt würde er kurz wenden, um den 
verzweifelten Räuber zu täuschen, und zur Treppe hinrufen: 

Kommt alle zu Hilfe, ihr meine getreuen Knappen! Eine Dame 

wird bedroht! 

Roland atmete auf. Nun kannte er seinen Weg. 
In diesem Augenblick brach das Wimmern des Fräuleins ab. Ihre 

Augen schienen sich einwärts zu kehren. Die Todesangst 
überwältigte sie. Die Beine versagten ihr den Dienst, und ihre Sinne 
schwanden. Sie klappte zusammen. Sie rutschte dem Banditen aus 
dem Arm und fiel zu Boden. 

Überrascht war der Räuber, doch das Schwert ließ er nicht los, 

wenn auch die Hand zuckte. Ehe er es sich versah, lag Rosalynn 
ausgestreckt am Boden. Verwirrt blickte der Räuber auf sie hinunter. 
Und auch seinen Kumpan, den schlauen Alfons, lenkte die plötzliche 

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Ohnmacht des Mädchens für ein paar Herzschläge ab. 

Wie der Blitz war Roland heran. Es war die beste Gelegenheit, und 

er nutzte sie mit jener unnachahmlichen Raschheit der Bewegung 
aus, die für ihn typisch war  - eine angeborene Fertigkeit. Mit 
wenigen raubtierhaften Sprüngen überbrückte er den eben noch 
riesigen Abstand, stieß Alfons heftig beiseite und packte Ben am 
Kragen. Der war völlig überrumpelt, wußte sich sekundenlang 
keinen Rat und sah sich hilflos nach dem Kumpan um. 

Doch von dem Wiesel kam ihm keine Hilfe. Alfons wischte bereits 

zur Tür hinaus und raste die Treppe hinunter. Vor Angst übersprang 
er zu viele Stufen auf einmal und verpaßte bald den Aufsprung. Er 
überschlug sich zweimal, rutschte krachend und holpernd auf dem 
Rücken bis in die Halle und blieb dort stöhnend mit gebrochenem 
Bein liegen. 

Indessen hatte Roland dem verdutzten anderen Räuber das Schwert 

entrissen. Der entwaffnete Ben prallte zurück. Aller Mut verließ ihn. 
Entsetzen flackerte in den unsteten Augen. Flucht schien auch ihm 
der einzige Ausweg. 

Rückwärts wich er Schritt um Schritt zurück. Roland folgte ihm 

dichtauf. Er hielt  die Waffe stoßbereit am Knauf. Doch hütete er 
sich, den fliehenden Mann zu verletzen. 

Und so kam es zum Ende. 
Ben geriet zu nahe an die nur kniehohe untere Fensterkante. Er 

verlor das Gleichgewicht und stürzte rücklings und kopfüber in die 
Tiefe. Das letzte, was Roland von ihm sah, waren die breiten Löcher 
in den abgetretenen Schuhsohlen des unseligen Mannes. 

Dann schallte Bens gräßlicher Todesschrei über Berg und Bachtal. 

Und er starb, als sein Körper auf das Steinpflaster des Burghofs 
aufschlug. 

Da aber beugte sich Roland schon voller Besorgnis über das 

Fräulein. Ihr volles braunes Haar war bei ihrem Verzweiflungskampf 
völlig aufgelöst und verbarg ihr Gesicht. Behutsam strich Roland es 
zurück. 

Da sah er wieder das liebliche Antlitz vor sich, das ihn bei der 

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ersten Begegnung in der Nacht nach dem Turnier so sehr entzückt 
hatte. Aber damals war es voller Leben gewesen. Jetzt war es starr 
und leichenblaß. 

Eine furchtbare Ahnung stahl sich ihm ins Herz. 
Sie ist tot, dachte er. 
Doch da bemerkte er das leise Pochen an ihrem Hals, und er stieß 

einen Jubelruf aus. Das Mädchen lebte. 

So erkannte Roland, daß in schlimmen Lebenslagen oft die 

verehrungsvolle Zuneigung zu einer vorbildlichen Gestalt noch 
Nutzen bringt, wenn alle Gelehrtheit und alle Erfahrung versagen. 

In einem abgelegenen Gasthaus, eine Tagesreise westlich von 
Xanten, trafen sich zu nächtlicher Stunde heimlich zwei Männer. Der 
eine war hoch gewachsen und für gewöhnlich von stolzer Haltung. 
Doch als er jetzt das hintere Gelaß der niedrigen Schankstube betrat, 
ging er krumm und vornüber gebeugt. Niemand hätte in ihm Sir 
Galahad vermutet. Eine Perücke aus strähnigem grauem Haar und 
ein ungepflegter Stoppelbart machten den Ritter völlig unkenntlich. 

An einem Tisch in dunkler Ecke erwartete ihn ein finsterer Mann, 

dessen Gesicht neuerdings von einem wildwuchernden Vollbart fast 
ganz verdeckt wurde. »Willkommen, Gal...« 

Der Neuankömmling hob warnend einen Finger an die Lippen. 

»Keine Namen, Freund«, warnte er mit unterdrückter Stimme und 
schlurfte wie ein hinfälliger Alter an den Tisch. Der Wirt brachte 
einen großen Krug Wein und zog sich dann diskret zurück. 

Lester, der andere Mann, goß zwei Becher bis an den Rand voll. 

Sie tranken. Dann steckten sie die Köpfe zusammen und begannen 
mit flüsternden Verschwörerstimmen ein langes Gespräch. Obwohl 
niemand sonst im Raum war und auch der Wirt sich nicht mehr 
blicken ließ, warfen sie häufig verstohlene Blicke um sich. 

Nach drei Stunden war der Krug geleert, und die beiden Männer 

verließen leise den Gasthof, um nach verschiedenen Richtungen 

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davonzureiten. Klopfenden Herzens schlich der Wirt kurze Zeit 
später an den Tisch, fand neben dem leeren Krug einen Dukaten und 
steckte ihn mit gieriger Hast ein. Die Bezahlung war gut, und das 
genügte ihm. Jede Neugier erlosch beim Anblick des Goldstücks. 
Zudem konnte bei so heimlichem Tun Neugier nur gefährlich 
werden. 

Lester ritt mehrere Tage lang ostwärts. Er vermied bewohnte 

Gegenden so weit wie möglich. Als er in die Nähe der Schauburg 
gelangte, vertauschte er im Gehölz sein Obergewand mit dem vier-
eckigen Hemd des Herolds, das er dem erstochenen Reginhar 
abgenommen hatte. 

Als vermeintlicher Abgesandter des Königs wurde er auf der Burg 

herzlich aufgenommen und gebührend bestaunt. Denn für diese 
Menschen war König Artus fast wie eine ferne Sage und Camelot ein 
unerreichbares Traumschloß. Nicht einmal Sigurd hatte den König 
und seine Residenz je zu Gesicht bekommen. 

Erwartungsvoll versammelten sich alle zum Abendessen in der 

geräumigen, wenn 

auch ärmlich ausgestatteten Halle. Große 

Schüsseln mit Schweinebraten, dicken Würsten und saftigem 
Hirschfleisch wurden aufgetragen. In den Ecken lagen die Hunde 
und warteten auf Knochen. 

Der falsche Herold hatte den Ehrenplatz neben dem Ritter inne. Er 

langte kräftig zu, hielt sich aber beim Trinken zurück. Nach 
mittelalterlicher Sitte dauerte der Schmaus mehrere Stunden. Am 
unteren Ende der Tafel hörte man schon bald leicht trunkene Reden. 

Indessen beantwortete der Herold viele Fragen des Ritters nach 

dem schon legendären Hofstaat des Königs. Mit gespitzten Ohren 
hörten sie ringsum den faszinierenden Erzählungen des weitgereisten 
Hofmanns zu. 

Schließlich benutzte der vollbärtige Lester eine kurze Pause in den 

Gesprächen, um sich zu erheben und die Versammelten mit 
erhobener Stimme anzureden. »Verehrter Ritter, liebe Anwesende!« 
begann er. »Nicht ohne gewichtigen Grund schickte mich König 
Artus in dieses entlegene Grenzland. Ich bin der Überbringer eines 

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ungemein ehrenvollen Auftrags. Der Ruhm des tapferen Ritters, 
dessen Gast ich heute sein darf, ist bis an die Ohren der Majestät 
gedrungen. Insbesondere die Schilderung des heroischen Kampfes 
beim Turnier von Xanten hat den König gefesselt, und er brannte 
darauf, weitere Einzelheiten zu erfahren.« 

Lester machte eine. klug berechnete Pause. Alle Anwesenden 

hingen mit glänzenden Augen an seinen Lippen. Auch Sigurd war 
tief beeindruckt. Stille herrschte. Nur das leise Hecheln der Hunde 
war zu hören. 

Und der falsche Herold fuhr fort: »Hiermit verkünde ich euch, was 

König Artus vor dreißig Tagen zu mir sprach.« 

Allen wurde feierlich ums Herz, als er mit veränderter Stimme 

anhub: »Reite zum Ritter Sigurd, und schone weder dein Pferd noch 
dich, und künde ihm, daß ich beschlossen habe, ihn in meine 
Tafelrunde aufzunehmen! Ich wünsche, daß er sich unverzüglich 
unter deiner wegkundigen Führung aufmacht, und erwarte ihn auf 
meinem Schloß!« 

Als Lester schwieg, blieb es noch wenige Herzschläge lang ruhig. 

Dann aber brach ein Jubelsturm los, wie ihn diese Halle noch nie 
erlebt hatte. Die Männer tanzten vor Begeisterung auf Tischen und 
Stühlen. Die Damen, die wie üblich auf abgeteilter Galerie saßen, 
klatschten laut. Sigurd befand sich in einem Freudenrausch. 

Ritter der Tafelrunde! Größeres gab es für keinen Mann der  Welt 

zu erhoffen. Wieder und wieder schüttelte er strahlend die Hände der 
Gratulanten, die ihn umdrängten. 

In dieser Nacht wurde es nicht mehr still auf der Schauburg. Das 

Gesinde feierte die ganze Nacht hindurch. Nur der Ritter, der Herold 
und die Knappen zogen sich nach Mitternacht zurück. Denn schon 
am nächsten Morgen sollte ihre Abreise sein. 

Die Burg schwamm in Glück und Wonne. 
Nur Sigurds Ehefrau Hildegard spürte nagende Unruhe. Düstere 

Gedanken suchten sie heim. Sie fand keinen Schlaf. Das große Glück 
ihres geliebten Mannes machte sie nicht selig, sondern sandte ihr 
einen kalten Schauer nach dem anderen über den Rücken. 

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Als Sigurd bei Tagesanbruch erfrischt erwachte, fand er sie 

übernächtigt und in Tränen aufgelöst. Verwirrt fragte er, ob sie krank 
sei. 

Da fiel sie ihm um den Hals und flüsterte: »Reite nicht weg von 

hier, Sigurd! Eine innere Stimme sagt mir, daß du in dein Verderben 
reitest.« 

»Aber was soll mir zustoßen?« fragte der Ritter verwundert. »Der 

König selber beruft mich. Er beschenkt mich  mit der höchsten Ehre, 
die einem Ritter widerfahren kann. Nur elf andere Männer besitzen 
den mir zugedachten Rang  - lauter ruhmreiche, tausendfach erprobte 
Helden. Und Artus schickte mir eigens einen Herold, der mich sicher 
auf sein Schloß geleiten soll.« 

Bei der Erwähnung des Herolds schluchzte Hildegard laut auf. 

»Ich traue diesem Herold nicht«, gestand sie. 

Betrübt schüttelte Sigurd den Kopf. »Ich verstehe dich nicht mehr, 

meine Liebste. Wie kannst du dem Herold des Königs mißtrauen?« 

»Sein düsteres, ja, finsteres Aussehen ängstigte mich vom ersten 

Augenblick an. Hast du bemerkt, wie kalt seine dunklen Augen 
dreinschauen, wie eng sie nebeneinander stehen? Sobald er nur das 
Wort an mich richtete, fröstelte mich. Von diesem Mann geht nichts 
Gutes aus - er riecht nach Tod.« 

Sigurd schwankte zwischen Lachen und Ärger. Weibergeschwätz, 

dachte er. Laut sagte er: »Was kann der arme Mann dafür, daß er 
dunkle Augen, schwarze Haare, einen wilden Bart und eine düstere 
Gesichtsfarbe hat? Deshalb muß doch seine Seele nicht schwarz sein. 
Des Königs gerechter Sinn ist weithin bekannt. Nie würde er einen 
arglistigen Schelm zu seinem Herold erheben.« 

Wie ein Stein lag Hildegard das Herz in der Brust. Sie unternahm 

einen letzten Versuch. »Warte wenigstens so lange, bis Roland 
zurückkehrt! Warte auf dein neues Schwert, das deine Kraft 
vervielfachen wird! Roland hat es nicht verdient, daß du die Reise 
ohne ihn unternimmst. Er ist dein klügster, tapferster und treuester 
Knappe.« 

»Roland hätte schon seit Tagen zurücksein müssen«, versetzte 

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Sigurd ungeduldig. »Wo bleibt er nur?« 

»Vielleicht ist der Schmied noch nicht mit dem Werk fertig. Warte 

doch noch einen Tag, geliebter Mann! Mir wäre so viel ruhiger ums 
Herz.« 

»Keinen Tag darf ich säumen! Bestimmt wartet der  König nicht 

gern. Bedenke doch, ich soll einen König warten lassen  - eines 
jungen Knappen und deiner bösen Ahnungen willen? Sobald Roland 
eintrifft, schick ihn uns hinterher! Wie der Herold mir sagte, geht die 
Straße die ganze erste Woche schnurgerade in 

Richtung 

Sonnenuntergang. Ich habe Roland ein gutes, ausdauerndes Pferd 
geschenkt. Er wird keine Mühe haben, uns einzuholen.« 

Da die Burgherrin sah, daß nichts ihren Mann umstimmen konnte, 

bezwang sie sich und bereitete den Abschied vor. 

Sie zog ihr schönstes Kleid an, trommelte ihr verkatertes Gesinde 

zusammen und ließ sie die Wegzehrung für die vier Reisenden 
bereiten. In der geräumigen Küche stärkten sich dann bald die Män-
ner mit einer heißen Brühe, in der große Fettaugen und saftige 
Fleischbrocken schwammen. 

Prüfend betrachtete der Ritter das Gesicht seiner Lebensgefährtin. 

Aber er sah keine Tränenspur mehr, kein mattes Auge. Keine 
Sorgenfalten. Hinter ihrer reinen Stirn schienen jetzt wieder heitere 
Gedanken verborgen. Ihre Lippen lachten, die weißen Zähne blitzten. 
Als sie ihn beim Abschied umarmt und geküßt hatte, sagte sie mit 
fester Stimme ihren altvertrauten Spruch: »Bleib fern, solange du 
mußt - und komm wieder, so schnell du magst!« 

Dem Ritter wurde leicht ums Herz. Rasch würde er das trübselige 

Morgengespräch vergessen. Wahrscheinlich, meinte er, hatte 
Hildegard da noch unter der Nachwirkung irgendeines bösen 
Alptraums gestanden. 

Die Sonne sandte die erste Vorhut schüchterner Strahlen über den 

Horizont, als die vier vom Hof ritten. Hildegard winkte. Sigurd und 
die Knappen winkten zurück. Der Ritter trug einen Kettenpanzer, 
und an seiner Lanze flatterte lustig ein rotgelber Wimpel. Knappe 
Frank hatte des Ritters altes Schwert auf dem Rücken, und Gerd 

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leitete den Maulesel am Zügel, der die Mundvorräte und Decken 
trug. Bis auf einen kleinen Dolch unbewaffnet, führte der Herold den 
Trupp an. 

Schon verschwanden sie über die Zugbrücke, hinter der der Weg 

sich senkte. Hildegard wandte sich, erstieg eine Treppe und erklomm 
die Zinnen. Da stand  sie und schaute ihnen mit brennenden Augen 
nach. 

Auf dem abschüssigen Weg verfielen die Pferde in einen leichten 

Galopp, den auch das Maultier nach kurzem Zögern mitmachte. 

Kleiner und kleiner wurden die vier Gestalten. Schweigend starrte 

die Burgherrin  auf den Rücken des Mannes, dem ihre ganze Liebe 
gehörte. 

Und dann entzog eine Hecke an der nächsten Wegbiegung sie 

ihren Blicken, und ihr war, als habe sie eben jetzt Sigurd zum 
letztenmal gesehen. Wie eine Riesenwoge schlug dieser unfaßbare 
Gedanke über ihr zusammen. 

Die Sonne schwand. Ringsum war nur Schwärze. Und mit einem 

Schrei, der ihre bittere Verzweiflung in einen einzigen Laut preßte, 
brach Hildegard auf den Burgzinnen zusammen. 

Roland lebte wie im Traum. Eigentlich hatte er sofort zur Schauburg 
zurückreiten wollen. 

Ben war begraben, und Alfons wartete im Verlies auf sein Urteil, 

das nach den Gesetzen jener Zeit nur auf Todesstrafe durch 
Enthaupten lauten konnte. 

Dann beschloß Roland, wenigstens noch so lange zu warten, bis 

Rosalynn, das Opfer  des Überfalls, genesen war. Das ging wider 
Erwarten schnell. Ihre unverbrauchte Jugend und gesunde Natur 
bewirkten, daß sie bereits zwei Tage danach erholt vom Lager 
aufstand. Doch Roland verließ ihre Burg weiterhin nicht. 

Ein einziger Satz aus ihrem schönen Munde ließ ihn bleiben: 

»Mein Retter bist du, tapferer Roland  - wie soll ich dir nur jemals 

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danken?« 

Da blieb er. Unvermittelt war sie zum vertrauten Du übergegangen. 

Täglich sah er sie. Am liebsten wäre er jede Stunde des Tages um sie 
gewesen. Mit Haut und Haaren verfiel er dem Bann, den sie um ihn 
legte. 

Alles an Rosalynn entzückte den Knappen. Der Jüngling 

schwärmte von ihr, ob sie ihm schöntat, ob sie ihn schalt, ob sie ihn 
wie einem Diener ständig mit Aufträgen hetzte  - Roland war es 
zufrieden. Ihm war es recht, wenn er nur bei ihr sein durfte. Und er 
lebte wie im Traum. 

O ja, das verwöhnte Burgfräulein war launisch. Mal strich es ihm 

so freundlich um das bartlose Kinn, daß er schon vermeinte, es sei 
ihm ebenso verfallen wie er es. Dann gurrte es schmeichelndes und 
zärtliche Worte vernahm er: »Mein Retter  - mein Roland  - mein 
lieber Held!« 

Aber oft umwölkte sich aus nichtigem Anlaß die reizende Stirn. 

Dann hieß es schroff: »Geht nur, Ihr langweilt mich, Grobian!« Wie 
boshaft konnte dieser süße Mund sein! 

Roland erlebte seine erste große Liebe und wurde stündlich 

zwischen lichten Höhen und tiefen Abgründen des Gefühls hin- und 
hergeschleudert. Wenn er, selten genug, einschlief, so träumte er nur 
von ihr, die so nah und doch so unerreichbar war. 

Vor Tau und Tag war er auf den Beinen und streifte durch die 

Felder. Keinen Blick verschwendete er an das viele Wild, keinen 
Gedanken an die geliebte Jagd. Die Schauburg und Ritter Sigurd 
kamen ihm nie in den Sinn. Er suchte Frühlingsblumen für Rosalynn! 

Während er so dahinschritt und an die Schöne, Spröde dachte, 

fielen ihm Worte ein. Kleine, zärtliche Worte. Er sprach sie leise vor 
sich hin, bis sie sich zu Versen formten. 

Wenige Stunden später ließ ihn Rosalynn zu sich rufen. 

Schmollend empfing sie ihn:  »Warum vernachlässigt Ihr mich, 
Knappe? Liebt Ihr mich so wenig? Stundenlang habt Ihr mich allein 
gelassen. Die Langeweile verzehrte mich.« 

»Aber habt Ihr denn ganz vergessen, daß Ihr selber mich 

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fortgeschickt habt, weil meine Gegenwart Euch langweilte?« 

»Aber, mein lieber Roland, wie kannst du etwas so Dummes 

behaupten? Ich sollte meinen liebsten Kavalier wegschicken? Sprich 
nie wieder eine so ungeheuerliche Verleumdung aus, mein Knappe, 
sonst müßte ich dich ernsthaft verstoßen. Komm, und unterhalte 
mich! Wo warst du? Was hast du getrieben?« 

Er reichte ihr den Feldblumenstrauß und gestand ihr, daß er ein 

Gedicht erdacht hatte. 

»Oh, du bist unter die Minnesänger gegangen! Wie hübsch! Wäre 

ich ein Mann, ich setzte alles daran, ein Troubadour zu sein. Jedes 
schöne Mädchen würde mir lauschen, jedes Herz würde ich betören. 
Ich bitte dich, sprich mir deine Verse vor!« 

Ein wenig sträubte sich Roland noch. »Es ist sicherlich nichts 

Besonderes. Vielleicht lachst du mich aus. Ungewohnt ist mir noch 
das Reimeschmieden.« 

»Verschone mich mit Ausreden, wenn du nicht willst, daß ich 

ungehalten werde! Oder hast du dein Gedicht etwa für eine andere 
Frau gemacht? Weh dir, wenn du das jemals wagtest...« 

Beflissen leugnete Roland solche Missetat. Dann setzte er sich ihr 

zu Füßen auf den Estrich, legte den Kopf zurück, schaute in die 
haselnußbraunen Augen mit den goldenen Blitzen darin und 
wiederholte träumend, was er auf den Feldern gedichtet hatte: 

»Mein Herz ist mir wehe. Einst schlug es so kühn. Jetzt sah ich mit 

Tränen Die Sonne erglühn ...« 

»Aber das ist ja hübsch, Roland«, rief Rosalynn entzückt. »Du bist 

wahrhaftig ein Poet. Ich fühle deutlich, daß du dabei meiner gedacht 
hast.« Ihre Hand senkte sich und legte sich auf seinen Kopf. Ihre 
Finger wühlten zärtlich in seinem Haar. »Sprich weiter!« 

Ein wohliger Schauer durchlief ihn, und er fuhr mit festerer 

Stimme fort: »Sonst sucht' ich die Ferne, Jetzt nur deine Näh' ...« 

Er geriet ins Stocken. Die Worte waren ihm entfallen. Er überlegte. 

Dann platzte er heraus: 

»Ach, hol mich der Teufel, Wenn ich das versteh'!« 
Ihre Hand zuckte zurück, als habe sie eine heiße Herdplatte 

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berührt. »Pfui«, rief sie, »wie abgeschmackt  - ja, wie beleidigend! 
Mich mit dem Teufel in einem Atemzug zu nennen  - das ist doch 
wahrlich der Höhepunkt der Frechheit!« 

Vergeblich beschwor er sie, daß ihm der Teufel nur so 

herausgerutscht sei, daß die beiden letzten Zeilen ursprünglich anders 
geheißen hätten, daß er sich aber nicht mehr an sie erinnern könne... 

»Macht mir doch nichts weis!« Unsanft trat ihm ein zierlicher Fuß 

in den Rücken. »Immer wollt Ihr mich nur verspotten. Nun bin ich es 
endgültig leid. Verlaßt mich ...« 

»Aber ...«, protestierte er. 
»Verlaßt mich auf der Stelle, und tretet mir nie wieder unter die 

Augen! Vergessen will ich Euch für  immer. Euer Name sei ausgetilgt 
aus meinem Herzen. Nun geht doch schon, Ihr grober Klotz, Ihr 
Flegel, Ihr falscher Mädchenbeschwatzer!« Ihre Stimme wurde 
schrill. 

Roland nahm jedes ihrer Worte für bare Münze. Zerknirscht stand 

er auf und entfernte sich zögernd. Er sah nicht den triumphierenden 
Blick, den sie ihm nachschickte. Er hörte nicht, wie ihre Lippen, 
bebend vor unterdrücktem Gelächter, flüsterten: »Süßer Roland, man 
muß dich wie ein wildes Tier bändigen und zähmen, bevor man dich 
erhört - sonst ist ein Mädchen verloren!« 

Betrübt fand er sich im Pferdestall wieder. Er konnte nicht sagen, 

wie er dorthin gelangt war. Mit freudigem Wiehern begrüßte ihn die 
Stute. Tagelang hatte er sich nicht um sie gekümmert. Er spürte 
Gewissensbisse. 

Er tätschelte dem Tier den Hals, reichte ihm Mohren, die es gern 

fraß, und stellte mit raschem Blick fest, daß die Knechte es an nichts 
hatten fehlen lassen. Die Stute stand gut im Futter, und ihr Fell war 
sauber gestriegelt. 

Eine Stunde später ritt er mit ihr vom Hof. Hätte ihn jemand 

gefragt, wohin er wolle, er hätte nichts zu antworten gewußt. Denn 
zu gewaltig stritten widerstrebende Gefühle in seiner Brust. Er war 
keines klaren Gedankens fähig. 

Da klang eine silberhelle fröhliche Stimme aus der Höhe an sein 

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Ohr. Er verhielt die Stute, schaute nach oben und sah Rosalynns 
Kopf im schmalen Fensterspalt. »Wer hat dir erlaubt, einfach so 
davonzureiten?« rief sie klagend. »Bleib, guter Roland, bleib! Du 
sollst immer an meiner Seite sein. Ohne dich wird mir kalt in diesen 
Mauern. Du darfst mich nie verlassen! Bleib, süßer Roland, bleib bei 
mir!« 

Ein tiefer Seufzer hob Rolands Brust. Er klatschte den Zügel auf 

den Pferdehals und ritt langsam weiter. Bald kam er an der Werkstatt 
des Schmieds vorbei. Geistesabwesend nahm er Sigurds neues 
Schwert entgegen, das er dem Räuber Ben entrungen und dem 
Meister wiedergegeben hatte. 

Der Mann hatte in der Zwischenzeit noch mit 

bewunderungswürdigem Geschick feinste Ziselierungen an Griff und 
Scheide angebracht. Roland würdigte sie keines Blickes. Er achtete 
nicht auf die Dankesworte des Meisters, als er ihm gleichgültig den 
Lohn für die prächtige Waffe ausgehändigt hatte. 

Was ist nur in ihn gefahren? dachte der Schmied. Der hat sich sehr 

verändert seit jenem Tag, als er wie ein Donnerkeil über das 
Räubervolk herfiel, um das Burgfräulein zu retten. 

Roland überließ es der Braunen, sich den Weg zu suchen. 

Natürlich schlug sie die Richtung zur Schauburg ein. Auf halbem 
Wege kamen sie an einer steilen Bergwand vorbei. Verkrümmte 
Fichten und schroffe Felsklippen bedeckten den Steilhang. 

Da wachte Roland aus seinem Dämmerzustand auf. 
Denn diese Bergwand kannte er gut. Und auch den geheimen Weg, 

der sich in oftmaligem Zickzack zwischen Baum und Fels 
hinaufschlängelte. Oben auf der Kuppe befand sich die Höhle des 
Einsiedlers Klaus. Wie oft hatte er als Kind zu seinen Füßen 
gesessen, um das Wissen der Zeit zu erlernen oder auch nur den 
weisen Worten des heiligen Mannes stumm zu lauschen! 

Mit raschem Schenkeldruck lenkte Roland die Braune auf den 

schwer zu findenden Schlängelpfad. Wie lange hatte er Klaus nicht 
besucht! So vieles war seitdem geschehen! Es drängte ihn, dem alten 
Lehrer und Freund sein Herz auszuschütten. Vielleicht wußte er Rat 

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für den Ratlosen ... 

Je höher Roland kam, um so mehr packte ihn die Furcht, der Alte 

sei inzwischen gestorben oder habe sein luftiges und kaltes Heim 
verlassen. Doch als er um die letzte Biegung ritt, erblickte er den 
vertrauten grauen Schädel mit der breiten Stirn, den tiefliegenden 
Augen, der mächtigen Nase und dem wallenden weißen Bart, den 
Klaus jeden Morgen in der Quelle sorgfältig wusch. 

Der Eremit war gerade dabei, einen Korb voll Wurzeln, die er im 

Wald gesammelt hatte, zu putzen. Überrascht erhob er sich langsam. 
Seine Freude über den unerwarteten Gast, der sich so lange nicht? 
hatte blicken lassen, war echt und groß. 

Später saßen sie vor der Höhle, und Roland berichtete ihm alles, 

was ihm begegnet war. Von dem Augenblick an, als er von daheim 
ausriß, weil er den Gedanken nicht ertrug, sein Lebtag das öde 
Köhlerhandwerk auszuüben. Damals war er keck über die Zugbrücke 
in die Schauburg gegangen. Und Sigurd, den sein frisches Wesen, 
sein gestählter Körper und sein überraschend reiches Wissen 
beeindruckte, nahm ihn als Page bei sich auf. 

Der Eremit wurde nicht müde, Rolands Erzählung zu lauschen. Er 

sprach vom Ritter und seiner Gattin, von Iwein, dem Turnier, den 
Räubern und von Rosalynn. Die Nacht war schon lange 
hereingebrochen, als noch immer die beiden zusammensaßen. Dem 
Einsiedler wurde klar, daß der junge Mann an einem Kreuzweg 
seines Lebens angekommen war und nun schwankte, welche 
Richtung er nehmen sollte. Über allem vergaßen sie Speis und Trank. 

Die Nacht verbrachten Roland und sein Pferd in einer weichen 

Mulde nahe der Höhle. 

Am Morgen bot ihm Klaus kräftiges dunkles Brot und eine 

würzige Zwiebel. Dazu trank der Knappe Wasser aus der klaren 
Quelle. Bevor er weiterzog, ergriff der Einsiedler das Wort. 

»Du stehst an der Schwelle zum Mann«, begann er, »und mir 

scheint, du bist in tiefem Zweifel über das, was du vom Leben 
erwartest. Du stehst vor geheimnisvollen Vorhängen und kannst 
nicht entscheiden, welchen du anheben sollst. Wahr ist, daß dein 

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Schicksal nicht von den Sternen gelenkt wird, sondern von Gott. 
Zwar bestimmst du es selber,  aber er hat es dir in die Seele gesenkt. 
Es liegt an dir, es zu erkennen.« 

Roland seufzte schwer und nickte. 
»Die meisten Menschen«, fuhr Klaus fort, »die Leute, von denen 

dreizehn auf ein Dutzend gehen, trotten eine Zeitlang wie 
Karrengäule über die Erde  und verschwinden wieder, ohne eine Spur 
zu hinterlassen. Doch es gibt Auserwählte, mein Sohn. Und einer 
davon bist du. Denen wird es schwerer gemacht, aber sie verwehen 
auch nicht wie der Wind.« 

Aufmerksam lauschte der Knappe. 
»Mancherlei Talent schlummert in dir, und du fragst dich: Welches 

soll mein Leben bestimmen? Bist du ein Weiser, ein Gelehrter, ein 
heiliger Mann? Nun, gescheit bist du, behältst viel, achtest auf die 
Dinge und denkst über manches nach. Doch hält es dich an keinem 
Ort, und kein Thema  fesselt dich so, da du Jahre damit zubringen 
möchtest, es bis auf den Grund zu durchdenken. Oder bist du ein 
Sänger, ein Poet? Gewiß ist dein Herz voll zarter Empfindung, und 
du weißt die Sprache gut zu setzen. Doch deine Stimme ist rauh und 
wahr, nicht süß und sprunghaft wandelbar. Deine Hand ist zu schwer 
für Laute und Flöte. Nein, Roland, dies alles taugt nicht zu dir.« 

Hingerissen schaute der Knappe den alten Mann an. 
Der sprach mit Betonung: »Du bist zum Helden geboren, mein 

Sohn. Und diesen Weg verfolge, wohin er dich auch führen mag!« 

Roland hielt den Atem an. Eine lange Pause trat ein. Das Gehölz 

knackte. Ungeduldig trabte die braune Stute heran. Roland erhob sich 
und tätschelte ihr den Kopf. 

»Du weißt doch, was ein Held ist?« fragte der Eremit. 
»Ja«, sagte Roland stolz. Er war wie von einer Last befreit. »Das 

weiß ich wohl. Nie sitzt ein Held geduldig am Herd. Die Ferne sucht 
er, die Gefahr und den Kampf. Er zieht von Ort zu Ort, von 
Abenteuer zu Abenteuer. Ein Held ist starken Leibes und stählt sich 
durch tägliche Übung, bis er zuletzt unüberwindlich ist. Ein Held 
fordert jeden, der ihm Trotz bietet, zum Duell und besiegt ihn und 

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nimmt ihm das Leben oder schickt ihn dem König oder der Dame 
seines Herzens als Vasall. Ein Held ist stolz und einsam und hält sich 
von gewöhnlichem Volk fern, und alle Sänger erzählen von seinen 
unglaublichen Taten. Doch wenn alle ruhen, ruht der Held nie. Denn 
er trachtet unablässig danach, alles, was er vollendet hat, durch neue, 
noch gewaltigere Taten zu überglänzen. Und schließlich eins, und 
dies ist das Höchste«, sprach Roland und rief die Worte übers Tal 
hinweg, als wolle er die Welt herausfordern: »Ein Held kennt keine 
Angst!« 

So stand er eine Weile selbstvergessen, flammend vor Jugend, 

Kraft und Sehnsucht. Dann wandte er sich Klaus zu und fragte, nach 
Bestätigung heischend: »Habe ich recht, weiser Mann?« 

»Nicht ganz, mein Sohn. Den du beschriebst, das ist ein 

Abenteurer, ein fahrender Ritter, doch kein Held. Ein Held, mein 
Sohn, fordert niemanden heraus, schont jedermanns Leben, ist 
bescheiden und lauscht nicht begierig den Sängern, die seinen Ruhm 
verkünden. Er pflegt Umgang mit allen und nimmt gern den 
Segenswunsch des einfachen Volkes entgegen, dem er dient, das er 
schützt und liebt. Und ein Held kennt auch die Angst, denn sonst 
besäße er ja ein Herz aus Stein.« 

»Aber wie soll ich jemanden bezwingen, wenn ich Angst vor ihm 

habe?« 

»Indem du dich selbst bezwingst. Das, Roland, ist das Schwerste  - 

und Größte.« 

Seit Tagen reiten sie westwärts. Über Heide und Wasserläufe, durch 
Wald und Hügel, bei Sonne und Regen und Wind. Reiten, Essen, 
Schlafen, Reiten. Ab und zu ein Gespräch. Meist stellt einer der 
beiden Knappen eine neugierige Frage nach dem Leben auf Camelot. 
Und der Herold wird nicht müde, sie freundlich zu beantworten. 
Seine Worte malen anschauliche Bilder. 

Und die Knappen staunen. Wie prächtig dieses Schloß sein muß! 

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Und wie glücklich seine Bewohner! Bald werden sie es mit eigenen 
Augen erblicken. Ihre Vorfreude wächst. 

Gegen Abend sagt der Ritter: »Jemand folgt uns. Drei Männer 

mögen es sein.« 

Gleichmütig zuckt der Herold die Achseln. »Habe sie schon 

bemerkt. Ich reite selten über Land, ohne daß mir Leute von fern das 
Geleit geben. Aber ich kümmere mich nie darum.« 

»Ich tue es immer. In dieser Gegend treibt sich vielerlei Gesindel 

umher. Es gibt Schurken, die sich nichts dabei denken, einem die 
Gurgel durchzuschneiden, wenn sie nur darauf hoffen, einen halben 
Dukaten zu erbeuten.« 

»Behaltet die Ruhe, Ritter! Mein Heroldsgewand schützt Euch 

alle.« 

»Ich wäre schlecht beraten, mich darauf allein zu verlassen. Doch 

macht auch Ihr Euch keine Sorgen, Herold! Meine Knappen und ich 
werden Euch zur Nacht bewachen.« 

»Nun, dann übernehme ich auch eine Wache.« 
»Wenn Ihr es wünscht, dann sei es so.« 
Sie würfeln um die Zeiten. Gerd gewinnt die erste Wache. Wenn 

die anderen sich zur Ruhe legen, bleibt er auf. Dann folgen der 
Ritter, dann Frank und zuletzt der Herold. 

Sie essen Hirschfleisch zur Nacht. Für manchen ist es die letzte 

Mahlzeit. 

Roland reitet wie der Teufel. Noch nie ist die braune Stute so gehetzt 
worden. Schaum bedeckt ihre zitternden Flanken. Oft steht er in den 
Steigbügeln, um ihr das Rennen zu erleichtern. Und sie streckt sich 
willig. 

Sie durchqueren in rasendem Galopp betaute Wiesen, donnern über 

schmale, ausgetrocknete, beinharte Straßen, tauchen in dunkle, 
schweigende Wälder und waten durch Flüsse. Vorwärts! spricht die 
innere Stimme, auf die Roland hört. Pfeilgerade nach Westen! Sigurd 

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ist in Gefahr ... 

Eigentlich kann der Knappe  es sich nicht vorstellen, daß dem 

starken Ritter auf dem Wege zu höchster Ehrung ein Leid 
widerfahren solle. Aber seine Frau Hildegard hat ihn so eindringlich 
beschworen, daß Roland ihr glauben mußte. Haben Frauen nicht 
stärkere, bedeutsamere, wahrere Ahnungen? 

Ein Felsenweg über schrägem, tiefem Absturz soll ihnen zum 

Verderben werden. Plötzlich ist die Stute nicht mehr voranzubringen. 
Sie stellt sich bockbeinig, schnaubt verängstigt und drängt zurück. Er 
preßt ihr die Hacken in die Weichen. Sie wehrt sich. Er gibt nicht 
nach. Da stellen sich jäh ihre Vorderbeine in die Luft! 

Roland flucht. Fast ist er abgeworfen worden. Er zieht ihr mit der 

Gerte eins übers Fell. Er tut es nicht gern  - aber was hilft's? Doch es 
bleibt vergeblich. Sie will nicht weiter. 

Und da gerät sie ins Rutschen. Der Abhang tut sich auf. Kopfüber 

schwingt sich Roland nach vorn über den Hals des Pferdes hinweg 
und gewinnt Boden unter den Füßen. 

Die Stute wiehert angstvoll, klagend. 
Doch Roland hat keine Zeit, sich um sie zu kümmern. Wie ein 

Baum ragt vor ihm das Untier auf, das die Stute so erschreckt hat. 

Ein Bär! 
Das Untier steht auf den Hinterläufen. Die vorderen Tatzen greifen 

nach Roland. Greifen zur tödlichen Umarmung. 

Gedankenschnell liegt Roland das Schwert des Schmiedes in der 

Faust, das Schwert, das er Sigurd nachbringt, das Schwert, das hart 
wie ein Fels ist, geschmeidig wie eine Bogensehne und scharf wie 
ein Rasiermesser. 

Er bohrt es zielsicher dem Bären ins Herz. 
Das wilde Tier wankt und kippt über den Abgrund. 
Roland wirbelt herum, packt die Stute am Zügel und reißt sie mit 

aller Kraft auf den schmalen Saumpfad zurück. 

Das pelzige Ungetüm entschwindet unter ihren Blicken. Roland tut 

es leid um die Jagdbeute. Welch einen Schmaus gäbe der Bär her  - 
und welche Vorräte! Eine Kappe aus Bärenfell könnte er sich 

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machen ... 

Nicht daran denken! Er schwingt sich in den Sattel. Die Stute 

gewinnt ihre Fassung wieder. 

Und wieder Galopp! Vorwärts! Pfeilgerade nach Westen! 
Einmal kommt er an einem Bachlauf auf die verlassene Lagerstätte 

der vier. Er hält, steigt ab und prüft die verkohlten Äste. Einen 
halben Tag sind sie noch vor ihm. 

Weiter. Einen halben Tag! 

Lester erhebt sich leise und tritt einige Schritte vom glimmenden 
Feuer weg, Es ist so finster wie im Höllenschlund. Die Stunde vor 
Tagesanbruch. 

Die drei anderen schlafen fest. Lester lauscht. Er hört ihre 

gleichmäßigen Atemzüge. 

Und er hört noch etwas. Schleichende Schritte. Oder sind es Hufe? 

Er muß es wissen. Sein Herz schlägt heftig. Wenn dieser Anschlag 
nicht gelingt, ist er am Ende. 

Die Geräusche kommen näher, entfernen sich, scheinen suchend zu 

wandern. Zu rufen wagt er nicht. Es würde die Schläfer wecken. Er 
ergreift einen glimmenden Ast, schwenkt ihn hoch, ein Flämmchen 
züngelt hervor und wird zur leuchtenden Flamme. Nun müssen sie 
das Zeichen sehen auf der offenen Heide! Unermüdlich läßt er den 
Ast um den Kopf kreisen. 

Und es gelingt. Schon sind sie heran, drei dunkle Schatten. Von 

den Hufen spritzt hochauf Heidesand. Sie halten vor Lester und 
umdrängen ihn. »Wo?« fragt einer rauh. 

Er tritt dicht an ihn heran und deutet in die Richtung der 

Schlafenden. »Dort!« 

Doch inzwischen ist Sigurd erwacht, und Roland ist nah ... 
Die beiden Knappen aber erwischen sie noch, wie sie sich mit 

eckigen Bewegungen aus den Decken schälen. Halb im Schlaf 
sterben die jungen Leute. Ihre letzten Seufzer aber stacheln Sigurds 

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Entschlossenheit zu blanker Wut. 

Im Dunkel entspinnt sich ein furchtbarer Kampf. Mehrmals geraten 

die drei, die den Überfall wagten, versehentlich aneinander, und 
Sigurds altes Schwert ritzt jedem von ihnen den Panzer. Er ficht, wie 
er noch nie im Leben gefochten hat. Nur wenn sich einer der 
Angreifer sekundenlang vor dem aufkommenden Morgenlicht am 
östlichen Horizont abhebt, hat er ein genaues Ziel, und seine Streiche 
fallen schnell und treffen hart. 

Doch nach drei Seiten hat er sich zu wehren, und seine Gegner sind 

beritten. Ein furchtbarer Stoß zerreißt wie Spinngewebe den 
Kettenpanzer. Fast will ihm das Schwert entgleiten. Der Schmerz 
macht sein Inneres glühend. Doch er rafft sich zusammen. Die 
schwächer werdenden Hände packen das Schwert mit beiden 
Händen. Und das zerhackte, schartige Ding tut seine Pflicht. Der 
Wehschrei eines Reiters beweist es. 

Dem hat er die Lust zu weiteren Angriffen genommen. 
Doch die beiden anderen sehen ihn jetzt im langsam 

aufkommenden ersten Licht deutlicher vor sich. Er bietet einen 
erbärmlichen Anblick. Ohne Helm, mit verwehtem Haar, von oben 
bis unten mit hochgespritztem Dreck bestaubt, ein Schwert in den 
Händen, das kaum noch eine Klinge hat, aus vielen Wunden blutend, 
müde, ausgelaugt, so schwach, als könne ihn der kleinste Windhauch 
umwehen ... So sehen sie Sigurd. 

Aber sie sehen auch das unerschrockene Auge, das so viele Feinde 

vor sich niedersinken sah, und etwas bannt sie. Furcht schleicht sich 
in ihre Herzen. Die Reiter in den schwarzen Rüstungen mit 
heruntergeklapptem Visier drängen sich aneinander und flüstern sich 
gegenseitig Mut zu, bevor sie zum letzten Ansturm auf den 
schwankenden Sigurd anreiten. 

Doch da ist Roland heran! Aus dem wabernden Dunkel der Heide 

fliegt die braune Stute heran, die den entschlossenen Retter trägt. 
Und Rolands Waffe, das neue Schwert, beginnt sein Werk. 

Zwei Reiter weichen. Der dritte wendet sich schon zur Flucht. Nur 

einen flüchtigen Eindruck nimmt Rolands Auge noch von ihnen auf. 

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Der eine ist baumlang. Der andere kleiner und feister. Der dritte 
erscheint ihm merkwürdig bekannt und doch wieder fremd. 

Der Lange faßt sich zuerst. Während die beiden anderen noch an 

ein Gespenst glauben, reitet er eine tückische Attacke, deren ein 
Ritter sich schämen würde. Sein Lanzenstich gilt nicht dem Mann, 
sondern dem Roß. Tief jagt er die Lanze in den Hals der braunen 
Stute, die in den Beinen einknickt und kraftlos zur Seite fällt. Halb 
begräbt ihr Leib Roland unter sich. 

Nun stechen zwei Lanzen nach dem festgeklemmten Knappen. 

Doch seine Arme sind frei, und sein Schwert stößt die tödlichen 
Eisen beiseite. Die Stute zuckt. Im Todeskampf bäumt sie  sich noch 
einmal auf und gibt Roland frei. Er springt auf, und hell klingt sein 
Schlag gegen eine Rüstung, durchschneidet sie und schlägt eine tiefe 
Wunde. 

Dem Getroffenen stürzen Tränen des Schmerzes in die Augen. Er 

wendet sein Pferd und sprengt davon, sein Leben zu retten. Noch 
mehrere Male zuckt das Schwert Rolands. Dann haben die 
Mordgesellen das Feld geräumt. 

Der Jüngling stürzt zu Sigurd. Der liegt ächzend und aus vielen 

Wunden blutend auf der Heide. Fassungslos sieht der Jüngling den 
tiefen Schmerz  in dem vertrauten, jetzt verzerrten Gesicht. Er zieht 
ein Tuch hervor und beginnt, das Blut abzutupfen. 

»Roland«, stöhnt der Verwundete. Die Stimme, die sonst so 

machtvoll dröhnte, ist zerbrochen und klingt geisterhaft. 

»Ich bring' Euch Euer Schwert, Ritter Sigurd!« ruft Roland. 
»Zu ... spät, wackerer Junge.« Tiefer neigt Roland den Kopf, um 

die immer schwächer werdenden Laute zu vernehmen. »Sie 
überfielen uns ... im Schlaf. Gerd und Frank ... Tot... Schrecklich! 
Der Herold ... hatte die ... Wache ... Wo ist er? Ich sah ... ihn nicht 
mehr ...« 

Roland sieht sich um. Nicht weit entfernt liegt das Heroldshemd, 

blutig, auf der Heide. 

»Wer war's, der Euch überfiel?« fragt Roland. 
»Ich ... kann ... nur ... raten...« 

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»Sagt einen Namen ... Eine Silbe nur, wenn Euch das Sprechen 

schwerfällt!« 

Der Mund des Sterbenden verkrampft sich. Er will einen Namen 

bilden. 

Doch dann spricht Sigurd mit letzter Kraft ganz anderes aus, was 

ihn wichtiger dünkt als Überfall und Vergeltung. 

»Nimm du mein Erbe, Roland«, flüstert er.  »Den Araber, den 

Helm, das Schwert. Reite zu König Artus, und melde ihm, was mir 
geschehen!« 

Noch einmal belebt ein fernes Leuchten die schon starr werdenden 

Züge. Mit starker Stimme spricht Sigurd den schönsten Namen, den 
er kennt: »Hildegard!« 

Dann sinkt sein Kopf zurück. Die Augen, brechen. 
Roland schlägt ergriffen die Hände vors Gesicht. 
Zur selben Zeit erwacht Hildegard in ihrem Gemach. Eine eisige 

Kälte umschließt ihr Herz, und sie weiß plötzlich mit unumstößlicher 
Gewißheit, daß Sigurds Schicksal  sich erfüllt hat. Leise beginnt sie 
zu weinen. 

Eine Stunde später gibt sie dem Gesinde mit ruhiger Stimme und 

trockenen Augen Befehle für den Tag. Und von dieser Stunde an hat 
niemand sie mehr weinen sehen. 

Mit verdüstertem Gemüt begrub Roland die Toten, so gut er es 
vermochte, und er erfüllte die letzten Anweisungen des Ritters. Den 
Schild legte er ihm aufs Grab. Nach den Pferden mußte er lange 
suchen. Schließlich fand er den Araberrappen. Er weidete auf einer 
saftigen Wiese. Von den anderen Pferden sah man keine 
Schwanzspitze mehr. 

Der Araber bot einen herrlichen Anblick, aber Roland hatte keinen 

Blick dafür. Eine Stunde lang plagte er sich damit ab, ihn 
einzufangen. Das Tier machte sich einen Spaß daraus, ihn bis auf 
einige Schritte herankommen zu lassen und dann mit ein paar 

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Galoppsprüngen wieder zu enteilen. 

Da fiel ihm ein, daß er noch Mohrrüben in der Tasche hatte. Er 

holte eine hervor und lockte den Araber damit. Zum Glück hatte der 
dieselbe Vorliebe für Rüben wie die braune Stute. Er kam sofort 
angetrabt, ließ sich festhalten, satteln und besteigen. 

War das ein Reiten! Der Araber schien über den Boden 

hinwegzufliegen. Das Rennen war seine zweite Natur. Aber nicht 
einmal daran fand Roland Vergnügen. Seine Seele war wie vergiftet. 
Der Verlust des Ritters und seiner beiden jungen Kameraden machte 
ihn für alle Schönheit und Verlockungen der Welt unempfänglich. 
Überall spürte er Verderben und Unheil. In jedem Menschen sah er 
schwarze Verruchtheit und arglistige Feindschaft. 

Darum mied er auf dem Wege nach Camelot so weit wie möglich 

jede Begegnung. Er nächtigte unter freiem Himmel, aß wenig und 
hatte auch kaum Appetit. Den Durst löschte er, wie es sich gerade 
traf. Ob klare Quelle oder Pfütze, das war ihm gleich. Manchmal 
stieß er auf Bauern, die ihre Felder bestellten. Mit abgewandtem 
Kopf ritt er an ihnen vorbei. Selten fragte er einen in mürrischem 
Ton nach dem rechten Weg. 

Seine Gedanken kreisten um die Männer, die ihre Gesichter hinter 

schwarzen Visieren verborgen hatten. Der eine war baumlang, der 
andere kleiner und feister, und der dritte war ihm merkwürdig 
bekannt und doch wieder fremd erschienen. 

Nach etwa einer Woche näherte er sich eines Vormittags in der 

welligen Ebene einem weithin sichtbaren Kreuzweg. Zu gleicher Zeit 
steuerte von links ein anderer Reiter den Punkt an. Sie mußten an der 
Kreuzung zusammentreffen. Rolands Gesicht verfinsterte sich. Er 
runzelte die Stirn und biß die Zähne aufeinander. Der Schmerz um 
die drei Toten und der Haß auf die feigen Mörder beherrschte ihn 
völlig, beeinflußte alle seine Gedanken und Handlungen. Die ganze 
Welt schien ihm feindlich gesonnen. 

Auch in dem fremden Reiter sah er sofort einen Feind. Vielleicht 

gehörte er sogar zu den drei schwarzen Rittern? Oder sollte er ihm in 
deren Auftrag hier auflauern? 

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Roland beschloß, ihm zuvorzukommen. Er spornte sein Roß. Der 

schwarze Araber galoppierte an. So kam es, daß Roland als erster die 
Kreuzung erreichte. 

Er machte Front gegen den gemächlich näher kommenden Reiter, 

dessen lange, dunkle Locken romantisch ein tiefgebräuntes Gesicht 
mit blitzenden grünen Augen umrahmten. Sein Schnurrbart war keck 
aufgezwiebelt. Auf dem Rücken trug er eine Fiedel, die ihn als 
Spielmann kennzeichnete. Er war sogar ein berühmter Vertreter der 
Dichtkunst. 

Nur Rolands Unerfahrenheit war es zuzuschreiben, daß er den 

kunstbegabten Ritter Volker vom Hohentwiel nicht kannte. In seiner 
Verblendung rechnete er den Fremden zu jenen finsteren Mächten, 
die den Tod Sigurds und der beiden Knappen auf dem Gewissen 
hatten. 

»Halt!« rief Roland mit zorniger Stimme. 
Der andere setzte unbekümmert seinen Weg fort. 
»Halt, wenn Euch Euer Leben lieb ist!« 
Volker lachte Roland ins Gesicht. Er war nicht im mindesten 

beeindruckt. Wie zu fröhlichem Gruß schwenkte er die Lanze. 

Roland zog sein neues Schwert. »Wer Ihr auch seid, legt die Lanze 

nieder!« forderte er anmaßend. »Ergebt Euch auf Gnade oder 
Ungnade! Sonst werde ich Euch den Helm spalten!« 

Volker lachte laut auf. »Meinen Helm spalten? Ich behielte ihn 

aber lieber in einem Stück!«  Doch er zügelte nun sein Pferd. »Was 
für ein närrischer Vogel zwitschert denn hier?« wunderte er sich laut. 

Roland drängte den Araber dicht an ihn heran und packte den 

Spielmann am Lanzenarm. »Laßt die Waffe fallen!« befahl er grob. 
»Oder Ihr seid des Todes!« 

Ohne ein Wort drückte Volker ihm die Lanze in die Hand. 
»Nun steigt ab!« 
Volker schwang gehorsam das rechte Bein nach hinten, um auf der 

linken Seite abzuspringen. Dabei packte er unerwartet Roland am 
Wams. Der Knappe, der in einer Hand das Schwert und in der 
anderen Volkers Lanze hielt, verlor sofort das Gleichgewicht und fiel 

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rücklings zu Boden. Er war so völlig überrumpelt, daß ihm beide 
Waffen aus den Händen rutschten. 

Im nächsten Augenblick kniete Volker schon auf seiner Brust, 

zückte einen Dolch und setzte ihm die Spitze an die Kehle. 

Das alles hatte nicht länger als vier Atemzüge gedauert. 
Roland sah in den mit weißen Wolken gesprenkelten Himmel und 

dachte: Das ist mein Ende. So also sieht der Abschied von der Erde 
aus. 

Er war ganz ruhig. Er hörte eine Hummel brummen. Es tat ihm 

nicht leid, die Welt verlassen zu müssen. Eine Welt voll Haß und 
Heimtücke! 

Immer noch hörte er die Hummel und dachte, daß ihr Brummen 

nun das letzte sei, was er je hören würde, und es war immer noch 
besser, als was er hatte mitansehen müssen. 

»Stoßt zu!« forderte er ruhig. 
Volker schüttelte lachend den Kopf, nahm den Dolch von Rolands 

Kehle und sprang federnd auf. »Wer wird denn so todessüchtig 
sein?« rief er verwundert. »Ich schenke Euch das Leben, junger 
Mann! Mit Gevatter Hein habe ich nicht viel im Sinn. Ich wollte 
Euch nur eine Lehre erteilen, die Euch in Zukunft zur Vorsicht 
mahnt.« 

Dabei reichte er ihm die Hand, stellte ihn aufrecht und machte sich 

bekannt. Dann fuhr er fort: »Ich reite auf des Königs Schloß 
Camelot! Und wie steht es mit Euch?« 

»Ich habe das gleiche Ziel. Erlaubt Ihr, daß ich Euch begleite? 

Denn ich kenne den Weg nicht.« Beschämt suchte er in Volkers 
freundlichem Gesicht nach Anzeichen des Ärgers. »Mein Name ist 
Roland. Verzeiht mir meinen Angriff! Ich war in trüber Stimmung 
und hätte jeden herausgefordert, der mir in die Quere kam.« 

Volker betrachtete ihn lange. Dann nahm er die Lanze vom Boden 

auf und sagte ruhig: »Ich habe immer gern einen Gefährten um mich, 
wenn ich auch einen Bruder Lustig allemal einem Trübsinnbläser 
vorziehe. Aber welche Laus Euch auch über die Leber gekrochen 
sein mag, Freund Trauerkloß, früher oder später werdet Ihr doch 

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wieder lächeln. Und wer weiß  - vielleicht erlebe ich es noch. Also 
schließt Euch mir an!« 

Er sprang aufs Pferd und übernahm die Führung. Eine Weile ritten 

sie schweigend. Dann meinte Volker: »Nicht nur, daß Ihr ein 
Sauertopf seid, Roland, Ihr führt auch seltsame Rüstung. Seid mit 
einem Schwert gegürtet, das jedem Kenner in die Augen sticht  - und 
tragt dazu einen jämmerlichen Helm, an dem wohl schon mehrere 
Generationen von Gegnern herumgehackt haben. Im Gegensatz dazu 
aber habt Ihr wiederum ein Pferd von erlesener Klasse. Sagt an, wie 
kommt ihr zu dieser ungleichen Zusammenstellung? Steckt vielleicht 
eine erzählenswerte Geschichte dahinter?« 

Roland preßte die Lippen aufeinander und sprach kein Wort. 
Der Spielmann drängte ihn nicht weiter. Er ritt seines Weges, nicht 

schnell, nicht langsam, bot den Körper wohlig der Sonne, wenn sie 
durch die Wolkenschichten brach, und zog das Wams enger um den 
Hals, wenn rauhe Lüfte wehten. 

Von Zeit zu Zeit aber erhob er seine Stimme und sang. Er besaß 

einen biegsamen Tenor, den die Zeitgenossen auf vielen Burgen 
rühmten. Leise begann er und ließ erst allmählich die Stimme voller 
dahinströmen, daß die Bauern auf den Feldern überrascht 
innehielten, dem Klang dieses reinen Organs lauschten und 
sehnsüchtig von Liebe träumten, ehe sie sich seufzend wieder der 
Arbeit zuwandten. 

Man sagte damals, Volker vom Hohentwiels Gesang  könne das 

härteste und verstockteste Herz rühren und milde stimmen. 

Einmal wandte er den Kopf und sah zu Roland hin. Dessen Gesicht 

war abweisender denn je und wie aus Eis gehauen. 

Drei Wochen vergingen. 

Da meldeten die Wächter auf den Zinnen des hochgemuten 

Schlosses Camelot am frühen Nachmittag die Ankunft zweier Ritter. 
Den einen erkannten sie auf der Stelle als den Spielmann vom 

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Hohentwiel. Sein Begleiter war ihnen fremd. Doch erwähnten sie in 
ihrer Meldung, daß er einen hochgezüchteten Araber ritt. 

Volkers Name flog wie ein Lauffeuer durch Camelot. Eilends 

wurde die Zugbrücke herabgelassen. Und als die Reisenden in den 
mosaikartig gepflasterten weiten Hof einritten, erwartete sie auf den 
Marmorstufen der Freitreppe schon eine ansehnliche Menge von 
Höflingen. 

Junge Damen in Gewändern von feinstem Zuschnitt und nach 

letzter Mode nickten Volker mit erwartungsvollem Lächeln zu. Von 
ihm erhofften sie sich Kurzweil und Kunstgenuß. Manche mochte 
auch an nähere Beziehungen denken. Volker stand in dem Ruf, auf 
seinen Reisen manch Frauenherz zu brechen. 

Von dem Glanz der Kostüme, von Größe und Schönheit der 

Bauten war Roland wie geblendet. So märchenhaft prachtvoll, so 
gewaltig hatte sich seine Fantasie das Schloß nicht erdenken können. 
Er konnte es kaum fassen, daß diese vielen Türme mit den 
geschmückten Zinnen und kraftvollen Bastionen von Menschenhand 
erbaut worden waren. In ungläubigem Staunen wanderten seine 
Augen über die Fassaden der verschiedenen Gebäude bis hinauf in 
schwindelerregende Höhen. 

Eine helle Jungenstimme rief ihn in die Wirklichkeit zurück. 

»Träumt Ihr, Ritter? Wollt Ihr nicht absteigen?« 

Er löste den Blick von den unbegreiflich kühnen Bauten, wandte 

den Kopf zur Erde und sah einen etwas pummeligen Pagen, der den 
schwarzen Araber hielt. Seine runden Knopfaugen waren auf ihn 
gerichtet. 

Mit federnder Bewegung sprang Roland auf das Steinmosaik des 

Hofes. »Bin kein Ritter«, sagte er abweisend. »Bin nur ein Knappe.« 

»Hast du dich in den Dienst des Hohentwielers begeben?« fragte 

der Page interessiert. »Da gratuliere ich dir! Bei ihm soll es lustig 
zugehen, und ein strenger Herr ist er bestimmt nicht.« 

Roland hörte gar nicht mehr hin. Auf der Freitreppe hatte sich eine 

breite Gasse gebildet, durch die ein würdiger Mann, ganz und gar in 
Goldbrokat gewandet und mit einer schweren Amtskette um den 

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Hals langsam herabstieg. Roland erschauerte, und sein Blick suchte 
unwillkürlich nach der Krone. Er meinte nichts anderes als daß es 
König Artus selber sei. Wer sonst konnte so kostbar gekleidet 
einherwandeln? Aber der vermeintliche König trug statt einer Krone 
nur ein goldfarbenes Barett. 

Ratsuchend wandte Roland sich an Pierre: »Wie spricht man den 

König an?« 

»Wieso willst du das jetzt wissen?« wunderte sich der pummlige 

Page. »König Artus ist doch gar nicht im Lande. Er sucht mal wieder 
nach dem Heiligen Gral. Ich glaube, es ist jetzt zum achtenmal. Ich 
habe schon eine Wette über fünf Dukaten abgeschlossen, daß er ihn 
wieder nicht findet.« 

»Wer ist denn der Herr in Gold, der gerade auf uns zuschreitet?« 
»Ach, der? Das ist unser Burgvogt. Heißt Bruno. Der hat auf 

Camelot das Kommando, solange der König auf Reisen ist. Wird 
immer als Treuhänder eingesetzt. Bruno macht die Sache ganz nett, 
meine ich. Ist mir bloß manchmal etwas zu pingelig. Kümmert sich 
um jeden Scheißkram. Mich hat er neulich im Stall erwischt, wie ich 
ein Nickerchen machte, statt das königliche Lederzeug zu putzen. Er 
hat aber kein großes Theater drum gemacht, der Bruno. Hat mir ein 
paar hinter die Löffel gegeben, und damit hatte sich's. Willst du 
etwas von ihm?« 

Aber da nahte schon ein Unterherold und bat die Neuankömmlinge 

zum Burgvogt. Seite an Seite schritten Volker und Roland die Stufen 
hinauf, während Pierre und ein anderer Page ihre Pferde wegführten. 

Mit wohlgesetzten Worten empfing Bruno den Sänger und lud ihn 

ein, solange er wolle, Gast auf Camelot zu sein. Volker erwiderte, er 
gedenke, etwa vierzehn Tage zu bleiben, hier ein Heldenlied zu 
dichten und gegen Ende des Besuchs ein Konzert für jedermann zu 
geben. 

Erfreut bedankte sich der Burgvogt. Die Ankündigung eines 

Konzerts rief lebhaften Beifall unter den Damen hervor. Volker 
wollte sich eben ein Gemach zuweisen lassen, als der Burgvogt ihn 
leise fragte: »Wer ist Euer Gefährte?« 

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»Ich traf ihn zufällig vor drei Wochen«, versetzte der 

Hohentwieler. »Wurde nicht schlau aus ihm. Er macht den Mund 
nicht auf. Weiß nur, daß er Roland heißt und nach Camelot wollte.« 

Bruno wandte sich nun Roland zu. Der aber wartete seine Anrede 

gar nicht ab. Fast einen Monat lang hatte er die Erinnerung an das 
grausige Geschehen auf der Heide wie einen Alpdruck mit sich 
herumgetragen. Nun brach sich die innere Erregung Bahn. Hastig, in 
kurzen, abgerissenen Sätzen berichtete er von Sigurds Tod. 

Bestürzung wurde bei den Zuhörern sichtbar. Mitleidige, 

forschende und skeptische Blicke trafen den Fremdling. Auf die 
meisten machte er einen günstigen Eindruck. Seine Jugend, sein 
gutes Aussehen, die klare, wenn auch jetzt gehetzte Sprache, die 
spürbare Bewegung und offenbare Zuneigung zu dem toten Herrn 
nahmen auf den ersten Blick für ihn ein. 

Bruno drückte das allgemeine Gefühl aus, als er entgegnete: »Wir 

sind tief erschüttert über das tragische Ende des tapferen Mannes, 
den König Artus mit weisem Beschluß zum Ritter der Tafelrunde 
erwählt hat. Du warst Augenzeuge des Geschehens. Sprich! Hast du 
die Mörder erkannt?« 

»Nein. Sie verbargen sich in schwarzen Rüstungen und hinter 

schwarzen Visieren. Der Morgen dämmerte erst, und ich mußte mich 
meiner Haut wehren, so daß ich sie mir nicht lange beschauen 
konnte. Nur ihre Gestalten prägten sich mir ein. Vielleicht würde ich 
sie daran wiedererkennen ...« 

»Sprich weiter, Roland! Sprich ohne Scheu!« 
»Schweig, Bursche!« donnerte in diesem Augenblick eine tiefe 

Stimme. 

Halb erschrocken, halb neugierig blickte Roland zu dem Sprecher 

auf, der ihm den Mund verbot. Irgendwo hatte er die Stimme schon 
einmal gehört... 

»Dieser Mann lügt!« fuhr der andere in eindringlichem Ton fort. 

»Niemals hätte ein Ritter die Mörderhand gegen Sigurd erhoben! Das 
sage ich, Lester, den Sigurd im Turnier mit einem einzigen 
Lanzenstoß vom Pferd gefegt hat. Was dieser junge Kerl behauptet, 

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ist so erbärmlich, daß es eine Meile gegen den Wind stinkt. Mit 
seinen niederträchtigen Lügen beleidigt er die ganze Ritterschaft!« 

Roland erschrak bis ins Mark. Er hatte ja keinen Zeugen! Und sein 

Wort galt nichts gegen das Wort eines Ritters. Was sollte er nur tun? 
Sein Blick flog zu Volker vom Hohentwiel. 

Gerade trat der Burgvogt auf den Sänger zu und fragte ihn leise: 

»Habt Ihr etwas bemerkt, das Lesters Anklage unterstützt? Wie 
verlief Euer erstes Zusammentreffen mit dem Verdächtigen?« 

Wieder kam Volker die Szene am Kreuzweg in Erinnerung. Ohne 

jeden Grund hatte Roland ihn dort angegriffen und gedroht, ihm das 
Leben zu nehmen. Einen Augenblick lang war Volker bereit, den 
Vorfall Bruno zu erzählen. Dann aber schwieg er lieber. 
Aufkommende Zweifel machten ihn unsicher. 

Denn ihm fiel ein, daß danach Roland drei Wochen lang sein 

Weggefährte gewesen war. Ein mißmutiger, übelgelaunter, 
verschlossener Gefährte zwar. Aber er hatte Fleisch und Brot und 
Salz mit ihm geteilt und keine feindliche Handlung mehr gezeigt. 
Dabei hätte er oft Gelegenheit gehabt, ihn im Schlaf zu ermorden. Er 
hatte es nicht getan. Und deshalb schwieg Volker jetzt. 

Lester erhob schon wieder grollend die Stimme. »Ich beschuldige 

diesen Mann, der einmal Knappe bei Sigurd war, seinen schlafenden 
Herrn überfallen und ermordet zu haben, um ihn zu berauben. Er 
trägt Sigurds Helm und Schwert  - ich kenne sie genau! Und er reitet 
auch sein Pferd!« 

Diese Worte machten tiefen Eindruck auf die Zuhörer. Eben noch 

hatten die meisten Schloßbewohner den jungen Fremdling mit 
wohlwollendem Interesse oder Gleichgültigkeit angesehen. Jetzt 
wichen sie vor ihm wie vor einem Aussätzigen zurück. Rufe der 
Empörung wurden laut. Ratlos blickte Roland zu Boden. Wie sollte 
er sich verteidigen? 

»Was hast du zu erwidern, Unseliger?« Wie ein Peitschenhieb traf 

ihn die scharfe Frage des Burgvogts. 

Roland hob den Blick. Das Blut schoß ihm ins Gesicht. Die 

Ungeheuerlichkeit der Anklage verschlug ihm die Stimme. Die 

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Zunge versagte ihren Dienst. Dreimal setzte er an, bis er stammelnd 
herausbrachte: »Es ist... wie ... wie ich sagte.« 

»Und der Helm? Das Schwert? Der Araber?« 
»Sie gehörten Sigurd.« 
Ringsum ertönten Aufschreie des Zorns. 
»Aber er hat sie sterbend mir geschenkt.« 
Hohngelächter überflutete ihn. Niemand glaubte seiner 

Beteuerung. Wie sollte ihm auch jemand glauben? Nie schenkte 
jemals ein Ritter seinem Knappen die Rüstung! 

Was wußten denn diese Leute, wie sehr er Sigurd verehrt und daß 

Sigurd ihn wie einen Sohn geliebt hatte? 

Sogar Roland war sich plötzlich nicht mehr sicher. Sprach er denn 

die volle Wahrheit? Hatte er wirklich alles so erlebt? Oder fantasierte 
er? 

Aber nein! Er durfte nicht an sich selber irre werden. Hatte nicht 

Hildegard ihm aufgetragen, Sigurd nachzureiten und ihn vor dem 
falschen Herold zu retten? 

Der falsche Herold! Ihn durchschoß ein furchtbarer Gedanke. 
Da riß ihn die Stimme des Burgvogts Bruno aus seinen 

Überlegungen. »Unerhörte Frechheit! Ergreift den Frevler! Werft ihn 
ins Verlies!« 

Ein Dutzend starker Hände packte den erstarrten Knappen, 

entwaffnete ihn und zerrte ihn durch einen schmalen gemauerten 
Nebeneingang ins Schloß. Kühle Luft empfing ihn. Sie stießen ihn 
steinerne Stufen hinab. Unbarmherzige Fäuste führten ihn durch 
lange, muffige Gänge und wieder über zahlreiche abwärts führende 
glatte Stufen. Tiefer und tiefer hinab ging es. Modriger wurde die 
Luft, und die Dunkelheit wuchs. 

Da erwachten seine Lebensgeister. Er begann, sich zu sträuben. 

Doch die anderen paßten auf, und sie kannten schmerzhafte Griffe. 
Er schrie vor Schmerz und ließ sich weiterzerren, weiterschleppen. 
Eisentüren wurden geöffnet und schlössen sich wieder. Zuletzt 
stießen sie ihn heftig in einen runden Raum, daß er zu Boden fiel. 
Die Tür wurde hinter ihm zugeworfen. 

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Er raffte sich auf. Halbdunkel umgab ihn. Glatte, feucht 

schimmernde Wände. Er rannte zur Tür. Sie war ohne Griff. Mit den 
Fäusten hämmerte er dagegen. 

»Laßt mich hinaus!« schrie  er, flehte er, schluchzte er. »Ich bin 

unschuldig!« 

Nur Schritte antworteten ihm. Schritte, die sich schnell entfernten. 
Verzweiflung überkam Roland. Schon oft hatte er 

Gruselgeschichten über Burgverliese mitangehört. Aber ihnen am 
flackernden Kaminfeuer  zu lauschen, ist ein ander Ding, als den 
Schrecken dieses öden, tief unter der Erde liegenden kahlen 
Gefängnisses am eigenen Leibe zu erdulden. 

Eine Stunde wohl blieb Roland wie betäubt liegen. Er war keines 

Gedankens fähig. Dann fiel ihm Lester wieder ein. Er stellte sich den 
Mann vor, wie er mit wallendem schwarzem Vollbart aussähe. 
Genauso, wie Frau Hildegard ihn geschildert hatte. Und nun wußte 
Roland auch, wo er ihm zum erstenmal begegnet war. Damals im 
Wald bei Xanten. Und er selber hatte ihn arglos aus den Händen der 
Räuberbande befreit! Ja, es war dieselbe Stimme, die ihm damals mit 
so schneidender Kälte »gedankt« hatte. 

Er stand auf und machte sich daran, das finstere Gemach zu 

untersuchen. Seine Augen hatten sich inzwischen an das Dunkel 
gewöhnt. Nur aus der Höhe sickerte durch Risse im Gebälk 
spärliches Licht herein. 

Die Wand war kreisrund. Roland ging sie ab. 21 Schritte. Irgendwo 

lag eine verrottete Strohschütte, die ekelhaften Gestank verbreitete. 
Roland begriff. Hier mochten die Gefangenen ihre Notdurft 
verrichten. Soweit es ging, hielt er sich davon entfernt. 

Vergeblich betastete er die Wand vom Boden bis zu der Höhe, die 

er, auf Zehenspitzen stehend, mit den Fingern erreichen konnte. 
Nirgends fand sich eine Öffnung, eine Fuge oder nur eine 
nachgiebige Stelle. Allerdings war die Wand nicht völlig glatt. Hin 
und wieder trafen die forschenden Finger auf kleine Vertiefungen  - 
einige rund, andere kantig. Aber eine Möglichkeit zur Flucht fand 
sich nirgends. 

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Die Decke war so hoch wie sechs aufeinanderstehende Männer. 

Aber das Auge konnte außer den schmalen Lichtspalten dort oben 
nichts unterscheiden. Wenn es da einen Ausstieg gab, so war er doch 
unerreichbar. 

Nach Stunden wurde eine schmale Klappe in der Eisentür geöffnet. 

Hoffnungsvoll spähte Roland hinaus. Zu seiner Freude erblickte er 
das runde Gesicht des Pagen Pierre. 

»Mann, Mann«, sagte Pierre, »mit dir möchte ich nicht tauschen! 

Hier kommst du erst wieder raus, wenn es zum Galgen geht!« 

»Zum Galgen?« wiederholte Roland erbleichend. 
»Ja, wohin denn sonst? Wenn es nach Bruno und Lester ginge, 

würdest du morgen früh schon baumeln. Aber da legte sich der 
Spielmann mächtig für dich ins Zeug  - weiß auch nicht, warum. Er 
forderte, man solle die Rückkehr des Königs abwarten. Artus soll 
selber das  Urteil über dich fällen. Damit mußten sie sich 
zufriedengeben. Denn schließlich hast du Artus ja persönlich 
gekränkt, weil Sigurd praktisch schon zu seiner Tafelrunde gehörte. 
Mann, Mann, war es denn wirklich unbedingt notwendig, deinen 
Herrn abzumurksen?« 

»Aber das habe ich doch gar nicht getan!« rief Roland. 
»Auf den ersten Blick wirktest du so sympathisch auf mich«, fuhr 

Pierre fort, ohne auf den Einwurf zu achten. »Ich dachte wirklich, 
daß ich mich mit dir anfreunden könnte. Aber mit einem Mörder 
möchte ich nichts zu tun haben. Das mußt du verstehen! Außerdem 
kann es ja nicht mehr lange dauern, bis der König zurückkommt, und 
dann ... He, was sagtest du eben?« 

»Das ich unschuldig am Tode Sigurds bin«, sagte Roland tonlos. 

»Ich habe die drei Mörder gesehen. Es war alles so, wie ich es 
berichtete. Bin ja selber nur mit knapper Not ihren Streichen 
entgangen. Ich bitte dich, Pierre, von allen Menschen glaube 
wenigstens du mir!« 

Die kugelrunden Augen des Pagen musterten ihn. »Ich weiß nicht, 

was mir an dir gefällt«, sagte er sinnend. »Du machst mir den 
Eindruck einer ehrlichen Haut. Sei's drum, was die anderen denken! 

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Ich will dir vertrauen. Wir Pagen und Knappen müssen ja schließlich 
zusammenhalten. Ich gab' was drum, wenn ich dich befreien könnte. 
Natürlich, ohne daß man dahinterkommt, wer es war. Aber es gibt 
nur einen Schlüssel, der diese schwere Tür öffnet, und den hat unser 
Bruno. Du weißt ja, wie genau er ist. Es ist jetzt Abend. Man hat 
beschlossen, daß du morgen vormittag etwas zu essen bekommst. Ich 
werde versuchen, daß man mich dazu bestimmt, dein Essen zu 
bringen. Und jetzt muß ich gehen, bevor man mir auf die Sprünge 
kommt. Versuch, etwas zu schlafen. Wer schläft, fühlt weder Hunger 
noch Not. Leb wohl!« 

Die Klappe fiel herab. 
Kurz darauf überwältigte Roland die gesunde Natur. Übermüdet 

von dem langen Ritt und den Aufregungen dieses Tages schlief er 
auf dem harten Steinboden ein. 

Das letzte Geräusch, das er hörte, waren die tappenden Schritte 

und das schrille Fiepen von Ratten. 

Roland schlief sechzehn Stunden lang. Als er erwachte, war er 

nicht mehr allein. 

Blinzelnd erblickte er ein schmutziges junges Gesicht mit 

verschlagenen Augen und einer aufgestülpten breiten Nase. 

»He«, sagte eine freche Stimme, »bist du von den Toten 

auferstanden? Dachte schon, du bist hinüber. Habe mir deshalb 
erlaubt, dein Fressen mitzuverputzen. Willst du dich nicht bedanken? 
Für ein so verwöhntes Bürschlein wie dich wäre der Fraß sowieso 
ungenießbar gewesen.« 

Roland richtete sich langsam auf. Das Halunkengesicht vor ihm 

sah er nicht zum erstenmal. »Dich kenne ich doch«, sagte er 
bedächtig. »Allerdings sah ich dich meist nur von hinten. Zweimal 
ranntest du wie ein Hase vor mir davon.« 

»O ja, und mir ist, als spürte ich deine Schläge immer noch auf 

dem Buckel.« 

»Du bist einer der Räuber«, stellte Roland fest. 
»Sag lieber: Ich bin ein Räuber gewesen. Deshalb haben sie mich 

ja auch ins Verlies geworfen. Immerhin habe ich noch Glück gehabt. 

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Die meisten Kumpane wurden an verschiedenen Orten kurzerhand 
gehenkt. Nun, meine Räuberlaufbahn ist zu Ende. Ich habe sie mir 
angenehmer vorgestellt. Bei einem Hauptmann wie Louis mußte man 
ja parieren wie ein Soldat!« 

»Was wurde aus Louis?« 
»Hoffentlich hat man ihn gerädert, den Saukerl. Ich weiß es nicht. 

Verlor ihn völlig aus den Augen. Und nun kein Wort mehr vom 
verpfuschten Räuberleben, Kamerad, wenn du dich gut mit mir 
stellen willst  - was ich dir rate. Denn ich werde hier nicht lange als 
Gefangener schmachten. Eigentlich bin ich zum Schweigen 
verpflichtet, denn es handelt sich um ein Staatsgeheimnis. Aber du 
armer Tropf kannst ja nichts mehr verraten. Also, damit du weißt, 
wie die Wolken ziehen: Ich stehe unter dem Schutz einer 
hochgestellten Persönlichkeit, die große Dinge mit mir im Sinne hat. 
In wenigen Tagen beginne  ich eine neue Laufbahn in Samt und Seide 
- als Hofmann!« 

Roland hielt sich die Ohren zu. Der Kerl prahlte doch nur! 
Doch der ehemalige Räuber ereiferte sich immer mehr. »Merke dir 

meinen Namen, Verdammter der Erde! Ich heiße Onno. Ich und die 
hochgestellte Persönlichkeit, die ich erwähnte, werden dir 
womöglich einen letzten Wunsch erfüllen, wenn es uns beliebt. Ich 
könnte vielleicht dafür sorgen, daß du statt am rauhen Hanf mit einer 
seidengeflochtenen Schnur erhängt wirst, die sich dem Hals sanft 
anlegt und nicht scheuert.« 

Als Onno sah, daß Roland ihm nicht mehr zuhörte, zog er sich 

beleidigt zurück. Von Zeit zu Zeit stieß er eine Reihe kräftiger 
Flüche aus. »Daß es hier nichts zu trinken gibt«, murrte er 
verdrießlich, »ist wirklich schlimm. Du kannst  gegen Louis 
vorbringen, was du willst, aber fürs Trinken hat er immer gesorgt. 
Wenn ich nur eine Kanne Wein hätte! Mann, würde ich mich 
vollaufen lassen!« 

Irgendwann im Laufe des Tages öffnete sich die Klappe, und 

Pierre schob Verpflegung durchs Loch. Für jeden eine dünne 
Brühsuppe mit Hirse, einen harten Kanten Brot und einen Becher 

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Wasser. 

Onno benutzte die Gelegenheit, um Pierre ein Angebot zu machen. 

»Bring mir Wein, Kamerad, soviel du tragen kannst! Ich verdurste 
sonst. Tu's - es wird deine Schaden nicht sein.« 

Pierre wollte ihm antworten, daß dies völlig unmöglich sei, als er 

einen Blick Rolands auffing. Der gefangene Knappe nickte ganz 
leicht mit dem Kopf und kniff ein Auge zu. 

Pierre stutzte. Dann schien er zu begreifen. »Ist gut, Onno, ich will 

es versuchen. Aber versprechen kann ich nichts. Natürlich ist es 
streng verboten, euch mit berauschenden Getränken zu versorgen ...« 

»Das Verbot gilt nicht für mich«, unterbrach Onno großspurig. 

»Eine hochgestellte Persönlichkeit, deren Name geheimbleiben  muß, 
hält ihre schützende Hand über mich.« 

»Ich werde sehen, was sich machen läßt.« 

Mit einem Seufzer griff Ginevra, die schöne Gemahlin des Königs 
Artus, zur kostbaren Bürste mit dem reichverzierten Elfenbeingriff. 
Beim Schein dreier schlanker Wachskerzen saß sie kurz vor 
Mitternacht in ihrem kostbar ausgestatteten Schlafgemach vor dem 
venezianischen Spiegel. Sie hatte das wundervolle blonde Haar 
gelöst, das Volker einmal in einem Lied als »schimmernde goldene 
Flut« besungen hatte. Und sie begann, es mit langen Strichen zu 
bürsten. 

Wieder seufzte sie. Die Sehnsucht nach Artus brannte in ihr. Für 

ein temperamentvolles junges Weib war eine so lange Abwesenheit 
des Ehemannes schwer zu ertragen. Sie wünschte nichts sehnlicher, 
als daß Artus endlich seine anstrengenden Reisen aufgebe und seine 
ganze Zeit auf Camelot verbrächte. 

Leise klopfte es an ihre Tür. Ginevra hielt inne und hob erstaunt 

den Kopf. »Wer ist da?« 

»Ich bin's, Bruno. Darf ich hereinkommen?« 
Nur einen Augenblick zögerte Ginevra. Aber dann drehte sie den 

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Silberknauf der Tür und ließ den späten Besucher ein. Sie mochte 
den Burgvogt gern, war mit seiner Schloßverwaltung höchlichst 
zufrieden und zudem für jede Gesellschaft dankbar. 

Bruno verneigte sich, ergriff ihre zierliche Hand und drückte 

mehrere brennende Küsse darauf. 

Dann erhielt er Erlaubnis, sich gegenüber der Königin auf einem 

Polster niederzulassen. Während er sie mit gierigen Augen 
verschlang, legte er ihr in mühsam beherrschten Ton wirtschaftliche 
Einzelheiten des Haushalts dar. Aber das war nur ein Vorwand für 
ihn. 

Ginevra seufzte. »Mein guter Bruno, hört doch mit den 

langweiligen Zahlen auf! Ich weiß auch ohnedies, was für ein 
treusorgender Burgvogt Ihr seid! Erzählt mir lieber etwas von dem 
hübschen Knappen, den ihr gestern ins Verlies warft! Ich sah ihn 
vom Söller aus. Er schien mir wohlgestaltet und imstande, einige 
unserer Hofdamen zu bezaubern. Ist er denn wirklich ein Mörder?« 

»Ritter Lester kann es beweisen, Königin. Der Mann soll sogar den 

verschwundenen Herold Reginhar auf dem Gewissen haben!« Und 
nun seufzte auch Bruno und warf ihr vielsagende Blicke zu. 

»Noch keine Nachricht von meinem Gemahl?« 
»Leider nein, schöne Ginevra«, log er geschmeidig. »Sie fragen ja 

täglich nach ihm!« 

»Könnt Ihr Euch nicht vorstellen, wie schwer es einer jungen Frau 

fällt, auf die Zärtlichkeit ihres geliebten Ehemannes zu verzichten?« 

»Ich verstehe Sie sehr gut, schönste Ginevra!« Und in Gedanken 

fügte er hinzu: Aber es braucht ja nur ein Wort von Ihnen, und ich 
bereite Ihnen solche Wonne, daß Sie Ihren König gar nicht mehr 
vermissen! 

Sie wandten einander die Köpfe zu, und ihre Blicke fanden sich. 

Bruno glaubte, in ihren Augen ein geheimes Einverständnis zu lesen. 
Seit langem verzehrte er sich in Begierde nach der schönen 
Gemahlin des Königs. 

Es war schwül im Gemach. 
Da fegte seine Leidenschaft alle Bedenken hinweg. Jäh streckte er 

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die Arme aus, legte sie um ihre Schultern und riß sie an sich. Dabei 
klopfte sein Herz so stark, daß er meinte, es müsse bis auf den Flur 
zu hören sein. 

Die Berührung des herrlichen Körpers ließ ihn alle Vorsicht 

vergessen. »Ginevra«, stöhnte der Mann, »ich bin verrückt nach dir. 
Ich muß dich haben!« 

Eines Herzschlags Länge schien es, als habe er ihr Blut so in 

Wallung gebracht, daß sie ihm nachgeben würde. Aber dann sprengte 
sie mit unerwarteter Kraft seine Umarmung, stieß ihn von sich und 
sprang auf. 

»Herr Burgvogt Bruno!« rief sie mit zornfunkelnden Augen, »wie 

konntet Ihr Euch so hinreißen lassen! Sieht so Eure Treue zu Eurem 
König aus? Und  heißt das, die Königin zu verehren, wenn man sich 
ihr wie einer leichtfertigen Dirne naht?« 

Aus allen Träumen gerissen, blickte Bruno betroffen zu Boden und 

bat mit demütiger Stimme um Verzeihung. Doch er tat es so beredt, 
daß Ginevra schnell versöhnt war. 

»Laßt es gut sein«, unterbrach sie seinen Redefluß lächelnd. 

»Niemand soll je von Eurem Fehltritt erfahren. Und nun geht, lieber 
Bruno, und kühlt Euer heißes Blut bei den jungen Mädchen! Ich bin 
sicher, niemand wird Euch dort verwehren, was Euch die Königin 
nimmermehr gewähren darf!« 

Mit einer tiefen Verbeugung zog er sich zurück, und Ginevra sah 

nicht ohne Bedauern, wie sich die Tür hinter ihm schloß. Der 
Burgvogt schien bis ins innerste Mark zerknirscht. 

Doch kaum stand er draußen auf dem Gang, wo ihn niemand sah, 

da verwandelte sich seine Demut zu entschlossener Tatkraft. »Du 
wirst nicht mehr lange die unnahbare Stolze spielen«, flüsterte er 
leidenschaftlich, um sich dann selber zu beruhigen: »Hab Geduld, 
bald wird sie sich rückhaltslos in deine Arme werfen und dich mit 
ihren Küssen um eine Liebesnacht anflehen!« 

Leise begab sich der Burgvogt in einen anderen Teil des 

weitläufigen Palasts, wo Lester mit einigen Freunden beim 
Würfelspiel saß. Der Ritter schickte die anderen weg.  Dann blickte er 

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sich scheu nach allen Seiten um und begann: »In zwei Tagen wird 
der König hier sein. Wie sind Eure Pläne, Bruno?« 

»Alles ist aufs Beste vorbereitet. Zweifellos wird Artus noch am 

Tag seiner Rückkehr die wichtigsten Staatsgeschäfte erledigen. Dazu 
gehört die Hinrichtung Rolands.« 

Lester schnalzte mit der Zunge. »Wie ich diesen Augenblick 

herbeisehne! Schon mehrmals hat mir dieser junge Hüpfer einen 
Strich durch die Rechnung gemacht. Ich hasse ihn wie die Pest!« 

»Verlaßt Euch darauf, Lester. Er wird baumeln  - vor Euren 

Augen.« 

»Das ist nicht mehr als recht und billig. Ich hab' mein Wort dafür 

verwandt, daß mein Freund Galahad Ritter der Tafelrunde wird. 
Immer, wenn ich glaubte, es geschafft zu haben, hat Roland es 
vereitelt.« 

Der Burgvogt  nickte verständnisvoll und schenkte sich und Lester 

die Gläser voll Wein. »Galahad in der Tafelrunde  - ein 
erstrebenswertes Ziel. Doch vielleicht sollte es nur der Anfang zu 
weit Höherem sein. Hört mir zu, Lester! Ich weihe Euch jetzt in ein 
Geheimnis von  höchster Tragweite ein. Ihr müßt es den schwarzen 
Rittern, die in der Nähe von Camelot im verborgenen lagern, weiter-
sagen. Ich zähle auf Euch.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, 
trank einen Schluck und sagte dann leise und mit kaltem Bedacht: 
»Es wird einen Staatsstreich geben!« 

Lester verschluckte sich vor Überraschung fast am Wein. Erstaunt 

setzte er den Becher ab. »Wie das?« 

Noch einmal nippte Bruno am Wein. Langsam setzte er das Glas 

auf den Tisch, faßte den anderen scharf ins Auge und antwortete, 
wobei er jedes Wort betonte: »Weil Artus die Nacht nicht überleben 
wird!« 

Lester zuckte zusammen. »Unmöglich ist das, was Ihr sagt«, 

widersprach er geduckt. »Ich kenne den König. Zwar wird er nach 
der anstrengenden Reise bald in einen totenähnlichen Schlaf fallen, 
aber niemand glaube, ihn überraschen zu können. Er wird 
wohlbehütet sein. Tag und Nacht wacht die Schar seiner Getreuen 

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über sein Wohl. Niemand kommt an ihn heran. Ja, Ihr könntet ihn 
nicht einmal vergiften. Alles was er zu sich nimmt, Speise oder 
Trank, wird gewissenhaft vorgekostet. Er ist unangreifbar. Ja, selbst 
wenn es einem gelänge, Artus das Leben zu nehmen, würde er sich 
seiner Tat nicht lange erfreuen können. Die Wut des Volkes, das 
diesen König aus tiefstem Herzen verehrt, würde ihn  auf der Stelle in 
Stücke reißen.« 

»Das alles ist mir bekannt, und ich hab' es bedacht«, gab der 

Burgvogt zurück. »Hört nun meinen Plan! Es gibt einen geheimen 
Gang, von dem niemand außer mir weiß. Er führt in des Königs 
Schlafgemach. Erst vor wenigen Wochen entdeckte ich diesen Gang 
bei einer meiner Inspektionen. Ich fand einen Schlüssel, der zu 
keiner der 1000 Türen der Burg paßte. Da schaute ich in den alten 
Bauplänen nach.« 

»Und wo beginnt dieser Geheimgang?« 
»Das soll Eure Sorge nicht sein, Lester«, erwiderte Bruno mit 

einschüchternder Schärfe. »Euch genüge es zu erfahren, daß ich 
einen jungen, verworfenen Burschen gedungen habe, der bereit ist, 
sich zur rechten Zeit in Artus' Gemach zu schleichen und ihn meuch-
lings mit einem Dolch umzubringen.« 

Mit angehaltenem Atem hatte Lester gelauscht. »Und was 

geschieht dann?« 

»Nach vollbrachter Tat wird der Meuchelmörder die Haupttür des 

Gemaches von innen öffnen. Wir werden den verfluchten Kerl mit 
blutbefleckter Waffe bei dem Toten finden und ihn in der ersten Wut 
niedermetzeln, ohne ihn erst peinlich zu befragen. Schon geselle ich 
mich dazu, beklage das Schicksal des Königs und setze mich an die 
Spitze der Männer, die ich sorgsam auswählte.« 

»Ich begreife Euren weitsichtigen Plan!« 
»Bedenken muß ich bei allem, daß es in dieser Burg an die dreißig 

Herren gibt, die mir feindlich gesinnt. Steht mir bei, Lester! Wir 
holen jeden einzeln aus dem Bett und töten ihn, bevor er ein Wort 
sagen kann. Dann rechne ich auf die Hilfe der drei schwarzen 
Ritter.« 

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»Die schwarzen Ritter - was verlangt, was erwartet Ihr von ihnen?« 
Auf diese Frage war Burgvogt Bruno seit langem vorbereitet. »Die 

drei schwarzen Ritter«, sprach er, »sollen mich zum neuen König 
wählen. Wenn sie es mit gebührendem Nachdruck tun, werden die 
Getreuen ihnen jubelnd zustimmen.« 

»Trefflich, Bruno«, rief Lester. »Verlaßt Euch auf mich! Ihr werdet 

alles so vorbereitet finden, wie Ihr es erwartet.« 

Bruno neigte zustimmend das Haupt. »Ich habe mich nicht in Euch 

getäuscht«, schloß er die Unterredung. »Zum Dank verrate ich Euch, 
was meine erste Handlung als König sein wird. Ich werde Galahad 
zum Ritter der Tafelrunde machen!« Er sah Lester tief in die Augen. 
»Und Euch dazu!« 

Lester dankte ihm. Er war überwältigt. 
Wenig später trennten sie sich. Lester pochte das Herz. 
Doch Bruno dachte schon an die zweite Amtshandlung, die er als 

neuer König vornehmen würde: die schöne Ginevra in sein Bett zu 
holen. 

Endlich lag Schloß Camelot in tiefem Schlaf. Allein die Wächter auf 
den Zinnen hielten die Augen offen. Sie spähten von ihrem luftigen 
Standort in die Nacht hinaus, die ein blasser Halbmond und die 
Sterne nur wenig aufhellten. So aufmerksam waren sie bei ihrem 
Ehrendienst, daß sich kein Feind der bestbewachten Feste des Landes 
unbeobachtet hätte nähern können. 

Wenig ahnten die Späher auf den Zinnen, daß es tief unter ihren 

Füßen, im tiefsten Schoß der Burg, noch hoch herging. Denn dem 
Pagen Pierre war es tatsächlich gelungen, Wein ins Verlies zu 
schmuggeln. 

Eine Kanne hätte nie  durch die schmale Klappe gepaßt, die die 

einzige Verbindung zur Außenwelt darstellte. Deshalb reichte er 
einen Schlauch aus Ziegenhaut hinein, der mit starkem Wein gefüllt 
war. Beileibe nicht, weil Onno ihn darum gebeten hatte. Nur Rolands 

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heimlicher Wink hatte ihn dazu getrieben. 

Unverfroren versprach ihm der ehemalige Räuber Onno: »Es wird 

dein Schaden nicht sein, Kamerad!« Dann machte er sich, ohne 
weitere Zeit zu versäumen, energisch ans Saufen, das er über alles 
liebte. 

Zunächst füllte Onno sich  jeweils einen Becher ab, den er sich 

ohne Zögern zu Gemüte führte. Das wiederholte er in immer 
schnellerer Folge. Anstandshalber lud er auch Roland zu dem 
leckeren Tropfen ein. Zu seiner Erleichterung begnügte der Knappe 
sich mit dem Inhalt eines einzigen Bechers. 

Unter dem Einfluß des Weins hob sich Onnos Stimmung 

beträchtlich. Seine ohnehin lockere Zunge wurde rasch freier. Er 
schwatzte hemmungslos über Gott und die Welt. 

Roland hörte ihm aufmerksam zu. Hin und wieder warf er ein 

belangloses Wort ein.  In Wirklichkeit wartete er ja nur darauf, daß 
Onno auf ein bestimmtes Thema zu sprechen kam. 

Bald fand Onno das Verfahren des ständigen Umfüllens zu 

umständlich und zeitraubend. Er legte sich das Wams unter den Kopf 
und streckte sich auf dem Boden aus. Den Ziegenhautschlauch mit 
dem Wein hielt er liebevoll im Arm. Sowie er Verlangen spürte, was 
alle Naselang der Fall war, führte er die Öffnung an den Mund und 
tat einen tiefen Schluck. 

Meist hielt Onno die Augen jetzt geschlossen. Zuweilen schlief er 

sogar  für kurze Zeit ein. Die Gegenwart Rolands hatte er bereits 
völlig vergessen. Zwischen den großen Schlucken aus dem Schlauch 
führte er nach Art der Betrunkenen ein Selbstgespräch. 

Und Roland spitzte die Ohren. 
Und es kam, wie er gehofft hatte. Im Rausch plauderte Onno eine 

Menge dessen aus, was er als strenges Geheimnis für sich hatte 
bewahren wollen. 

So erfuhr Roland, daß es außer der schwerverriegelten Eisentür 

einen zweiten, verborgenen Ausgang gab, der nur mit einem 
besonderen Schlüssel zu öffnen war. Dieser Schlüssel werde ihm, 
Onno, »zur rechten Zeit«, eingebettet in ein Stück Brot, überbracht 

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werden. »Elf Fuß nach rechts«, murmelte der Berauschte. 

Heimlich maß Roland die elf Fuß nach rechts ab. Er ging dabei von 

der Eisentür aus. Und genau in diesem Abstand fand sich eine der 
kantigen Vertiefungen, die ihm bereits vor Tagen aufgefallen waren. 
Es war gut vorzustellen, daß hier ein eigens dafür gearbeiteter 
Schlüssel Wunderdinge vollbringen könnte. 

Im Rausch eröffnete Onno weitere Geheimnisse. 
»Durch die Tür«, sagte er mit geschlossenen Augen, »schleiche ich 

den geheimen Gang entlang. Er führt in ein bestimmtes Gemach. 
Unterwegs liegt ein scharfgeschliffener Dolch. Ich hebe ihn auf... 
Heb ihn auf...« Seine Stimme wurde undeutlich. 

Roland hielt den Atem an. Onno plärrte nur noch. Dann vernahm 

man wieder einzelne Worte. Dann ganze Sätze. 

»Ich nehme den Dolch ... be ... betrete das Gema ... mach ... und 

stoße dem Sch ... schläfer den Do ... dolch ins Herz.« 

All dies, so erfuhr Roland, sollte im Dienst jener hochgestellten 

Persönlichkeit geschehen, die Onno dafür eine Laufbahn in Samt und 
Seide versprochen hatte. 

Wer diese hochgestellte Persönlichkeit war, das plauderte Onno 

auch im stärksten Rausch nicht aus. 

Und die Person, die er töten wollte? Deren Namen konnte er gar 

nicht nennen, weil er ihn selber nicht kannte. 

Spät in der Nacht schlief Onno schnarchend ein. Er schlief bis weit 

in den folgenden Tag. Da wurde er mit einem Ruck wach und wirkte 
wie schuldbewußt. Argwöhnisch betrachtete er Roland und fragte: 
»Hab' ich im Rausch gesprochen?« 

»Viel zuviel«, erwiderte Roland betont gleichgültig. 
Erschrocken fuhr Onno auf. »Was hab' ich gesagt?« 
»Langweiliges Zeug, und immer dasselbe ...« 
»Ja, aber was?« 
»Daß dir das Räuberleben nicht benagt.« 
Erleichtert ließ Onno sich zurücksinken. Seine verschlagenen 

Augen blinzelten zufrieden. »Na, wenn das alles ist  - soviel darfst du 
ruhig wissen.« 

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Zwei Tage später wurde Pierre um fünf Dukaten reicher. Er hatte 
seine Wette gewonnen. König Artus kehrte zurück  - und er hatte den 
Heiligen Gral wieder nicht gefunden. 

Die Trompeten, die den Helden am heißen Vormittag mit 

schmetterndem Klang begrüßten, drangen nicht bis in das trostlose 
Verlies hinab. So schlug Rolands Herz auch nicht schneller, wurde 
ihm nicht banger, als der König mit mächtiger Richterstimme über 
sein Schicksal entschied. 

Gleich nach der Begrüßung, nach dem freudigen Empfang durch 

300 Schloßbewohner, hatte Artus nach Ritter Sigurd gefragt. 

»Ist er endlich eingetroffen? Mich verlangt es danach, den 

mannhaften Ritter vom Westerwald inmitten meiner Tafelrunde zu 
begrüßen.« 

Mit ernstem Gesicht erstattete Bruno Bericht. Als der König 

erfuhr, daß Sigurd durch Meuchelmord fiel, wurde er totenblaß. 
Schmerz und Mitleid überwältigten ihn. 

Lester erschien auf Zuruf und wiederholte seine Zeugenaussage. 
»An den Galgen mit Roland!« donnerte der König. Selten hatte ihn 

jemand so voller Zorn gesehen. 

»Wollen Sie den Mörder noch vorher sehen?« fragte scheinheilig 

der Burgvogt. 

»Er soll mir nie unter die Augen treten! Leicht geschähe es, daß ich 

mich nicht beherrschte und ihn mit eigener Hand erwürgte! Errichtet 
den Galgen! Bei Sonnenuntergang soll er sterben!« 

Ein Page wurde ins Verlies geschickt, um Roland zu unterrichten. 

Es  war nicht mehr Pierre. Den hatte man abgelöst. Er schwitzte in 
der Rüstkammer. 

Kaum hatte Artus die schrecklichen Worte ausgesprochen, als sich 

der Himmel verfinsterte. Die dunklen Wolken, die seit Mittag wie 
sprungbereite Raubtiere am Horizont auf der Lauer gelegen hatten, 
krochen unaufhaltsam über den ganzen Himmel. Von fern zuckten 
Blitze, denen in immer kürzerem Abstand rollender Donner folgte. 

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Schon drei Stunden vor Sonnenuntergang war es rings um das 

Schloß so dunkel wie sonst in tiefer Nacht. Das Unwetter entlud sich 
mit voller Kraft. Wie Ozeanbrecher stürzten Wasserfluten vom 
Himmel auf die Mauern herab. 

Die Männer, die das Holzgerüst der Hinrichtungsstätte errichteten, 

mußten in voller Hast fliehen. Sie retteten sich unter den Burgerker. 
Minuten später wären sie hinweggeschwemmt worden. 

Von mehreren Seiten zogen die Gewitter heran. Regen prasselte 

und ließ nicht nach. Ein Unwetter tobte und schien jedes Menschen 
Feind. 

Doch es gewährte Roland vierundzwanzig Stunden Frist. 

Als Roland erfuhr, daß seine Hinrichtung bevorstand, pochte sein 
Herz kein bißchen schneller. Eine innere Ruhe hatte ihn erfaßt. Sein 
Entschluß stand fest. Er würde sich nicht geduldig zum Galgen 
führen lassen, sondern bis zum letzten Atemzug kämpfen. Vielleicht 
bot sich für einen zu allem entschlossenen Mann die Gelegenheit zur 
Flucht. 

Seine Gedanken gingen zu dem frommen Einsiedler Klaus. Hatte 

der ihm nicht ein Heldenleben prophezeit? Er glaubte diesem Weisen 
nur zu gern. Ein Heldenleben aber kann nicht im Alter von achtzehn 
Jahren durch einen Strick um den Hals beendet werden. 

Natürlich hatte er keine Ahnung, wie er seine Flucht 

bewerkstelligen könnte. Er mußte sich vom Einfall des Augenblicks 
leiten lassen. 

So lag Roland da und wartete, daß sie ihn holten. Sogar Onno 

enthielt sich jetzt jeder spöttischen Bemerkung. Der ehemalige 
Räuber bewahrte Schweigen. 

Die Zeit verstrich, nichts geschah. Die Kunde von dem Unwetter 

drang nicht bis in ihr schmutziges Verlies. 

So vergingen Stunden. Die Lichtstrahlen, die durch Ritzen  in der 

hohen Decke hereinfielen, wurden schwächer und schwächer. Der 

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Abend brach herein, und Roland erkannte, daß etwas dazwischen-
gekommen sein mußte. 

Plötzlich gedämpfte Schritte! 
Rolands Nerven spannten sich. Doch es sind nicht die 

Henkersknechte, sondern ein Page, der ihnen die magere Abendkost 
bringt. Er öffnet die Klappe, schiebt Suppe, Brot und Wasser durch 
und geht ohne ein Wort. 

Im Halbdunkel greift Roland nach seiner Portion und stößt auf 

Onnos Hand. »Das ist meins«, zischt der frühere Räuber und reißt 
dem Knappen einen flachen, runden Brotlaib aus der Hand. 

Noch nie zuvor hat sich Onno so heißhungrig gezeigt. Da muß ein 

anderer Grund vorliegen. Wahrscheinlich ist in dem Laib der 
Schlüssel verborgen, der Onno den Weg aus dem Verlies 
ermöglichen soll. 

Ganz genau erinnert sich Roland dessen, was Onno im Rausch 

ausgeplaudert hat. 

Während Roland die dünne Suppe löffelt, belauert er heimlich den 

anderen. 

Er hört, wie er den Brotlaib auseinanderbricht. Und wie er scharf 

den Atem einzieht. Da ist ihm klar: Er hat jetzt den Schlüssel! 

Aber Roland läßt sich nichts anmerken. Ruhig wie sonst ißt und 

trinkt er. Dann streckt er sich auf dem Boden aus und bemerkt: »Mit 
der Hinrichtung wird's wohl heute nichts mehr. Dann kann ich auch 
ebensogut schlafen. Bin müde wie ein Hund. Das macht die 
verbrauchte Luft hier drin.« 

Kurze Zeit später hört Onno regelmäßige Atemzüge, die ihn 

glauben machen, Roland sei eingeschlafen ... 

In Wirklichkeit ist Roland hellwach. Wohl eine Stunde vergeht, 

ehe Onno sich bewegt. Der Schützling »einer hochgestellten 
Persönlichkeit« schleicht mit angehaltenem Atem näher heran. Mit 
feinem Ohr errät Roland genau seine Richtung und Entfernung. Jetzt 
hält Onno inne. Noch zwei Körperlängen trennen ihn von Roland. 

Stille ... 
Nach einer Weile schabt wieder Stoff über Stein. Onno kriecht 

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näher heran. Ganz langsam macht er das und ziemlich geschickt. 
Nun kniet er neben Roland nieder und verharrt so lange Zeit. Sein 
Mißtrauen ist riesengroß. 

Doch Roland verrät durch nichts, daß er wach ist. Schließlich ist 

Onno beruhigt. Er erhebt sich und gleitet davon. Von der Tür mißt er 
die angegebene Fußzahl ab. Jetzt ist er nicht mehr so ängstlich darauf 
bedacht, auch das geringste Geräusch zu vermeiden. Roland hört 
sogar, wie Onno flüsternd zählt: »... acht, neun ...« 

Bei elf ist Roland hoch und schleicht auf Zehenspitzen näher. Da 

bleibt Onno stehen. Auch Roland erstarrt in der Bewegung. Er hört, 
wie Onno mit den Fingern über die Steinmauer fühlt, wie er den 
Schlüssel probierend in ein, zwei, drei Vertiefungen steckt... 

Ein unterdrückter Fluch. Ein leiser ärgerlicher Ruf der Ungeduld. 

Und dann ein überraschtes, freudiges »Ah!« 

Jetzt dreht Onno den Schlüssel herum  - einmal, zweimal. Ein 

Knirschen verrät, daß die Wand sich auftut. Onno hat die Geheimtür 
geöffnet und gleitet hinaus in den Gang. 

Roland folgt ihm in der völligen Finsternis. Er bleibt ihm dicht auf 

den Fersen. 

Der Gang ist schmal und glitschig. Auf beiden Seiten stößt man 

mit den Ellbogen an. Allmählich wird er auch nach oben enger. 
Schon nach zehn Schritten muß der hochgewachsene Roland sich 
bücken. 

Über dem Geräusch der eigenen Tritte überhört Onno die des 

Verfolgers. 

Nun macht der Gang mehrere Knicke. Dreimal geht es scharf nach 

rechts. Danach steigt es steil an. Onno keucht schon. Er ist keine 
Anstrengungen mehr gewöhnt. Ob er den scharfgeschliffenen Dolch 
schon gefunden hat? Wahrscheinlich lag er gleich am Anfang des 
verborgenen Wegs. Die Decke senkt sich mehr und mehr. Die Luft 
wird stickig. Sie kommen nur noch auf allen vieren kriechend weiter. 

Roland verhält ein wenig. Er möchte vermeiden, im Dunkeln Onno 

zu nahe zu kommen und ihn vielleicht zu berühren. Bis jetzt hat der 
andere ihn nicht bemerkt. 

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Und wieder geht es rechts um die Ecke. Dahinter schimmert Licht! 

Der Gang ist zu Ende. 

Im viereckigen Rahmen einer geöffneten Tür steht Onno. 

Kerzenlicht beleuchtet seine magere Gestalt. Er hebt die rechte Hand. 
Im Licht blitzt die Schneide des Dolches. So tritt er ins Zimmer. 

Mit einem Ruck schnellt Roland empor und jagt hinter Onno her. 

Als er die Tür erreicht, steht Onno bereits am Kopfende einer 
prächtig ausgestatteten Schlafstätte. Die Spitze seines Dolchs hängt 
weniger als eine Elle über dem bärtigen Haupt eines schlafenden 
Mannes. 

Ein Blick sagt Roland: Das muß der König selber sein! Welche 

Würde von ihm ausgeht! Gedankenschnell überwindet Roland die 
Entfernung zum Bett mit zwei Sätzen, packt Onnos erhobene Hand 
und entwindet ihm den Dolch. 

Doch Onno gibt nicht auf. Er wehrt sich heftig. »Du gemeiner 

Hund!« stößt er hervor. Und tritt mit den Füßen gegen Rolands 
Schienbeine. 

Der Lärm reißt Artus aus dem Schlaf. Verwundert sieht er, wie 

zwei verwahrloste, stoppelbärtige junge Männer neben seinem Bett 
ringen. Er richtet sich auf. »Was geht hier vor?« 

In diesem Augenblick hat Roland seinen Gegner mit einem 

Faustschlag betäubt. Er kniet vor dem König nieder und überreicht 
ihm die Mordwaffe. In fliegenden Sätzen erklärt er dem erstaunten 
Artus, was er von dem gescheiterten Mordanschlag weiß. Als er die 
hochgestellte Persönlichkeit erwähnt, von der Onno faselte, geht ein 
Zucken des Verständnisses über des Königs ernstes Antlitz. 

»Ich ahne, wer dieser Verräter sein kann!« ruft er. »Schon lange 

hatte ich ihn im Verdacht, daß er ein falsches Spiel betreibt.« 

Der König hat noch nicht ausgesprochen, als wilde Faustschläge 

gegen den Haupteingang seines Schlafgemachs donnern. Artus wirft 
Roland einen schnellen Blick zu. »Nun ist alles klar«, sagt er. 
»Dieser Meuchelmörder sollte mich erstechen, dann den Verrätern 
die Tür öffnen und sie einlassen. Vermutlich hätten sie ihn 
schonungslos niedergemetzelt, um vor allem Volk verkünden zu 

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können, sie hätten ihn auf der Stelle für seine Freveltat büßen lassen. 
Niemand wäre je auf den Gedanken gekommen, sie der 
Urheberschaft am Königsmord zu verdächtigen. Auf, junger Mann, 
hier ist eine Hellebarde! öffnen wir die Tür, und wehren wir uns 
unserer Haut. Sie sollen sehen, welche Streiche ein König 
auszuführen weiß!« 

Die Tür fliegt auf. Lester erscheint in ihrem Rahmen. Hinter ihm 

wogt es im Flur von Bewaffneten. Zehn Ritter mögen es sein, die 
dem Ränkeschmied Lester folgen. Er hat von Bruno die Erlaubnis 
erwirkt, selber die Männer anzuführen, die er erwählt: Feinde des 
Königs! 

Aber es fehlen die drei »schwarzen Ritter«, die sich in der Nähe 

verborgen hielten. Das Unwetter hat ihnen den Weg zum Schloß 
verlegt. 

Auf der Schwelle bleibt Lester wie angewurzelt stehen. Denn sein 

Blick ist auf Roland geprallt, der ihm mit gefällter Hellebarde ruhig 
erwartet. Lester reibt sich verwirrt die Augen. Narrt ihn ein Spuk? 
Wo kommt der Knappe her? 

Er müßte doch im finsteren Verlies eingeschlossen sein! 
Und dann dämmert ihm eine Ahnung auf. Er faßt das breite 

Kurzschwert fester, das er für den Kampf in den Gemächern gewählt 
hat, und tritt entschlossen auf Roland zu. 

Da schlägt die helle Stimme des Knappen wie eine Peitsche über 

die Köpfe der Verschwörer hinweg. »Zurück, ihr Verräter! Keinen 
Schritt weiter! Eure Sache ist verloren! Der König lebt  - und der 
gedungene Meuchler liegt am Boden!« 

»Hört nicht auf ihn!« erwidert Lester mit vor Erregung heiserer 

Stimme. »Nieder mit dem Schurken, der Sigurd tückisch das Leben 
nahm!« Und nun greift er an! 

Lester begegnet seinem Schicksal. Hier wird sein Ränkespiel 

enden, das vor Wochen  begann, als er im Wald bei Xanten des 
Königs Herold Reginhar feige erstach. Mit dem Königsmord will er 
es enden, will er es krönen. Die böse Leidenschaft läßt ihn jede 
Vorsicht vergessen. 

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Blind läuft Lester in Rolands schnell erhobene Hellebarde. Der 

scharfe Spieß dringt tief durch seine Brust, und Lester bricht vor 
Rolands Füßen zusammen. Das Schicksal hat ihn ereilt. 

Doch gleich darauf wird die Lage von König und Knappe 

beängstigend. Roland kann den ungefügen Spieß zu keinem zweiten 
Stoß mehr verwenden. Artus begibt sich an seine Seite. Er schwenkt 
den Dolch, den er Onno entrissen hat. Eine scharfgeschliffene Klinge 
weist er auf, ist aber im Zweikampf hoffnungslos jedem Schwert 
unterlegen. 

Über die Leiche Lesters dringen die ersten der aufrührerischen 

Ritter in das königliche Schlafgemach. Im Kerzenschein blitzen ihre 
Schwerter. Doch Artus ist ein geschickter Kämpfer. Auch mit dem 
Dolch gelingt es ihm, die Schläge der ersten beiden Angreifer zu 
parieren. Blitzschnell handhabt er die Klinge, die wie eine Schlange 
züngelt. Denn Artus hat in seiner Jugend bei den besten 
Waffenlehrern des Landes gelernt und nichts von seinem großen 
Können eingebüßt. 

Da kommt ein dritter Mann ins Zimmer, schafft sich Raum und 

läßt sein Schwert tanzen. Der König gerät in Bedrängnis. Verzweifelt 
schaut sich Roland nach einer Waffe um, mit der er dem König 
beistehen kann. Nur die jetzt nutzlose Hellebarde schmückte das 
Gemach. 

Da fällt sein Blick auf einen Schachtisch mit kostbarer 

Marmorplatte. Er packt sie an und muß alle Kraft zusammennehmen, 
um das schwere Möbelstück vom Boden zu heben. Dann wirft er den 
anstürmenden Rittern die wuchtige Platte entgegen. 

Schmerz- und Wutschreie sind die Antwort! 
Die gewichtige Marmorplatte reißt die Ritter unwiderstehlich zu 

Boden. Dort verwickeln sie sich in Teppichen, der 
heruntergefallenen Bettdecke und in ihren eigenen Waffen. Sie 
behindern sich gegenseitig. Der König sieht seinen Vorteil und zückt 
drohend den geschliffenen Dolch. 

Der Lärm des Kampfes ist auch in die anderen Räume des 

Schlosses gedrungen. Noch schlaftrunken erheben sich die Getreuen 

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des Königs von ihren Lagern, greifen zu den Waffen und dringen im 
Morgengrauen über Treppen und Gänge unter Führung des 
Spielmanns Volker zum Kampfplatz vor. 

Schon geraten die Aufrührer in Not. Von zwei Seiten werden sie 

eingekeilt und hart bedrängt. Zwei von ihnen sinken 
schwerverwundet zu Boden. Die übrigen ergeben sich rasch. Sie 
werden entwaffnet und mit unsanfter Hand gefesselt. 

Der König packt einen der unverletzten Rebellen am Wams, stellt 

ihn mit einem Ruck auf die Beine und fragt mit schneidender 
Stimme: »Wer hat Euch zum Verrat angestiftet?« 

Zitternd antwortet der Mann: »Gnade, Herr! Ich glaubte, es ginge 

um eine gerechte Sache! Der Burgvogt hat uns die Hirne umnebelt!« 

Der Burgvogt also! Des Königs Verdacht hat sich bestätigt. Aber 

der Rädelsführer, der sich nach dem Tod des Königs an seine Stelle 
setzen wollte, hat sich vorsichtigerweise nicht am Angriff beteiligt. 

Wo mag er sein? 
»Sucht ihn!« befiehlt Artus. »Sucht Bruno!« 
Da ertönt von draußen ein neuer Schreckensschrei. Die Herren 

stürzen hinaus zum Altan. Und wie sie aufsehen, erblicken sie im 
Grau des frühen Morgens das Grauen. 

Der Burgvogt ist zu den Zinnen des Schlosses hinaufgeklettert. 

Dabei hat er Ginevra, die Gemahlin des Königs, mit Gewalt mit sich 
geschleppt. 

Die beiden stehen am äußersten Rand der Zinne. Der Mann hält die 

zitternde, leichtgewandete Frau mit den Händen brutal an den 
Schultern fest. Und er ruft nach unten: »Ich verlange freies Geleit bis 
an die Grenzen des Landes - sonst stürze ich Ginevra in die Tiefe!« 

Tatsächlich würde ein einziger Stoß genügen, um Ginevra wohl 

achtzig Klafter tief hinab in den Burggraben zu befördern. 

Von Schreck gebannt, stehen der König und seine Getreuen hilflos. 

Was tun? Zwei Bogenschützen tauchen wie lautlose Gespenster auf, 
knien nieder und spannen ihre weithin tragenden Waffen. 

Doch Volker verwehrt es ihnen. »Seid Ihr des Teufel?«, ruft er. 

»Hinweg mit den Pfeilen! Ihr könntet die Königin töten!« 

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Das Wagnis ist im Ungewissen Licht wirklich zu groß. Selbst 

Roland würde sich hier keinen sicheren Schuß zutrauen. Mit 
brennenden Augen starrt der König zu der Zinne hinüber. Er hört von 
fern das leise Schluchzen seiner Frau. Es schneidet ihm tief ins Herz. 
Er weiß, daß er sofort etwas unternehmen muß. 

Doch schon hat Volker, der Fiedler, das Kommando übernommen. 

»Macht keinen Unsinn, Bruno!« ruft er hinüber. »Wenn Ihr Ginevra 
das mindeste Leid antut, seid Ihr unrettbar verloren! Dann überlassen 
wir Euch dem Zorn des Volkes, und Ihr sterbt einen schrecklichen 
Tod!« 

»Ehe mir jemand nahekommt«, schreit Bruno zurück, »stürze ich 

mich in mein eigenes Schwert. Aber vorher stirbt Ginevra!« Der 
Mann ist zum Äußersten entschlossen, das steht außer Zweifel. 

Entsetzt schüttelt Volker den Kopf. Der König berät flüsternd mit 

seinen Getreuen. Wer weiß einen Rat? 

Die meisten sind der Ansicht, man müsse wohl oder übel auf 

Brunos Forderung eingehen. Soll er jetzt ungeschoren 
davonkommen! Früher oder  später wird das Schicksal den feigen 
Verräter doch ereilen. 

»König Artus«, drängt Brunos Stimme. »Hören Sie mich? 

Entscheiden Sie sich! Ich warte nicht mehr lange!« 

Unbemerkt von allen hat Roland mit einer waghalsigen 

Kletterpartie indessen die nächsthöhere Zinne erklommen. Jetzt steht 
er genau über Bruno. 

Einige haben ihn entdeckt und recken gespannt die Köpfe. 
Mit einem mächtigen Sprung schwingt sich Roland aus dem 

sicheren Stand und läßt sich von oben auf den Burgvogt fallen. 

Im ersten Schreck lockert der Burgvogt seinen eisernen Griff um 

die schöne Ginevra. Sie reißt sich geistesgegenwärtig los und flieht 
zur Seite. 

Aber schon hat sich Bruno wieder gefaßt. Mit der Kraft eines 

Bären schlingt er die Arme um den kühnen Angreifer und bringt ihn 
nach heftiger Gegenwehr zu Fall. Mit dem Oberkörper hängt Roland 
über dem Abgrund. 

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»Stirb, du Kröte!« schreit Bruno blaß vor Erregung und will ihm 

den Todesstoß versetzen. 

Aber Roland gibt sich nicht verloren. Gewandt wirft er sich nach 

vorn, vom Abgrund weg, windet sich aus dem Griff des anderen und 
gewinnt wieder festen Stand. 

Bruno will nachsetzen. Doch sein eigener Schwung trägt ihn zu 

weit, da Roland ausweicht. Mit dem Fuß bleibt er am Eckstein der 
Zinne hängen, verliert das Gleichgewicht, schlägt mit den Armen 
wild um sich ... 

... und stürzt mit einem gräßlichen Schrei achtzig Klafter tief in 

den Burggraben, wo er mit zerschmetterten Gliedern liegenbleibt. 

So findet er das Ende, das er Ginevra angedroht hat. 

König Artus hält seine Gemahlin im Arm. Sie weint. Die Tränen 
strömen ihr nur so über das liebliche Antlitz. Aber es sind die 
Freudentränen der Befreiung. 

Artus läßt Ginevra los. Einer der Ritter gehorcht seinem 

gebieterischen Wink und überreicht ihm ein Schwert. 

Ein neuer Wink des Königs  - und Roland tritt vor. Er kniet nieder. 

Immer noch ist er ungewaschen und so verwahrlost, wie er tagelang 
im Verlies gelegen hat. Aber Artus will sein Vorhaben jetzt oben auf 
der Burg im lichten Schein des Morgens vollenden und nicht auf 
später verschieben. 

Mit der flachen Seite des Schwertes berührt der König Rolands 

rechte Schulter. 

Und er spricht: »Im Angesicht meiner Getreuen und im ersten 

Licht des neuen reinen Tages nach einer Nacht der Verwirrung und 
des Verrats schlage ich dich, Roland, hiermit zum Ritter! Böse 
Mächte haben dich wider besseres Wissen verleumdet und unter 
falsche Anklage gebracht. Sie haben auch mich zeitweise verblendet. 
Du aber hast dich vor aller Augen mannhaft gezeigt, dem Unglück 
tapfer die Stirn geboten, das Leben des Königs und seiner Gemahlin 

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gerettet. Ich begrüße dich im Kreise der Ritterschaft!« 

Beifall folgt der Rede des Königs. 
Und der König fährt fort: »Du wirst noch viele Heldentaten 

vollbringen und ein würdiger Nachfolger des edlen Sigurd werden. 
Davon bin ich überzeugt. Und höre mein Wort: Sobald dein Name 
fünfzigmal ruhmreich an mein Ohr gedrungen ist, nehme ich dich in 
meiner Tafelrunde auf. Deine erste Aufgabe aber sei: die Mörder 
Sigurds zu finden und zu bestrafen!« 

ENDE 

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Rolands Ehre ist wiederhergestellt. Wegen seines mutigen 
Einsatzes für das Leben der Königin wird er sogar zum Ritter 
geschlagen. König Artus bietet dem jungen Helden auch an, 
Ritter der Tafelrunde zu  werden. Jedoch ist der Weg in diese 
exklusive Runde weit und mit  Hindernissen gepflastert. Fünfzigmal 
soll Rolands Name ruhmreich an das  Ohr des Königs dringen. 
Keine leichte Aufgabe, aber Roland will  versuchen, die 
höchste Ehrung für einen Mann seines Standes zu  erringen. 
Sein erster Auftrag ist, die Mörder Sigurds zu finden und zu 
bestrafen. 
Unterwegs droht Roland Gefahr von allen Seiten. Sir Galahad hat 
auf den Kopf seines Widersachers eine hohe Prämie ausgesetzt, 
und es gibt viele  im Lande, die sie sich verdienen wollen.  - Roland 
kämpft tapfer. Da locken  ihn verkleidete Helfer Galahads in eine 
Falle. 

Im Waffenzelt

 

kommt es zu einer großen Auseinandersetzung ... 

Liebe Leser, besorgen Sie sich in 14 Tagen rechtzeitig den 
zweiten  Roman unserer neuen Serie. Begleiten Sie Ritter 
Roland bei seinem gefährlichen Auftrag. Die Spannung wird 
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